Freitag, 20. Juni 2014

Reibungslos III: Leinenlos


Aufgrund meiner verspannten rechten Schulter ging mir das ewige Halten des Führstricks nun genug auf die Nerven, dass ich dafür eine Lösung suchte. Ich dachte mir schon öfter, dass Lothar eigentlich keine Leine mehr braucht, wusste nur nicht wohin damit. Hängte ich sie ihm um den Hals, verrutschte sie früher oder später und er trat drauf. Gänzlich weglassen war mir zu riskant.
Die Lösung: eine Schlaufe reinknoten und in sein gesundes rechtes Horn einfädeln. So tritt er nie drauf und ich kann im Notfall immer noch schnell zugreiffen.
Jetzt geht er auf Stimmkommandos: „Links“ und „Rechts“ und wenn er nicht schnell genug reagiert, habe ich meine Peitsche als verlängerten Arm: tippe ich die rechte Halseite an muss er nach links, tippe ich die Linke an, nach rechts. Mir kommt es so vor, als gefalle ihm die neue Aufgabe und es ging von Anfang an ohne Schwierigkeiten. Selbst Ortschaften durchläuft Lothar jetzt leinenlos. Nur die Kommandos "scharf links" und "scharf rechts" für das Wenden auf der Stelle klappen so noch nicht ganz.
Noch verlangt es ihm mehr Konzentration ab, weshalb er ein bisschen langsamer ist. Auch mir verlangt die neue Aufgabe mehr Konzentration ab, weil ich ja jetzt nicht mehr anhand der Bewegung des Führstricks merke, dass Lothar sich in eine falsche Richtung bewegt, sondern aufpassen muss.
Fühlt sich nochmal um einiges besser an so zu marschieren, finde ich. .
Lothar gestern feiertäglich geschmückt durch einen Blumenkranz geflochten von meiner Mutter

Dienstag, 17. Juni 2014

Reibungslos II: problemlose Probleme


Eines Sonntagmorgens, wir sind noch nicht lange unterwegs, muht Lothar. Mehrmals hintereinander. Komisch, ist eigentlich nicht seine Zeit.
Ich drehe mich um, und da kommt mir unser linkes Hinterrad entgegengerollt. Ich fange es auf.
Alleine bekomme ich nicht gleichzeitig die Hinterachse gehoben und das Rad wieder dran. Den einzigen Menschen, den ich bisher gesehen hatte, hatte ich gerade vor 50m passiert und dieser half mir auch bereitwillig die Kutsche anzuheben. Das Rad wollte nicht nur nicht so recht an seine ursprüngliche Stelle zurück. Von der grossen Mutter, die das Rad eigentlich an seinem Platz halten sollte, keine Spur.
Da fällt mir der vorhergehende Abend ein. Ich ging nochmal spazieren und fand auf einer kleinen Brücke, die wir am Mittag überquert hatten eine grosse Mutter liegen. Dachte mir noch, die könnte ich eigentlich als Ersatzteil brauchen, wusste aber, dass dieses Teil sicher jemand dringend vermisst und legte sie deshalb zur Seite.
Na, es war meine eigene Mutter gewesen!
Der Mann, sehr hilfsbereit fährt sofort los und holt mir meine Mutter, von der ich ja präzise beschreiben konnte, wo ich sie an der Brückenmauer abgelegt hatte. In der Zwischenzeit brachte ich das Hinterrad wieder an die richtige Stelle, die Mutter wurde montiert und mit dem passenden Schlüssel, den dieser Mann auch sofort parat hatte, wieder festgezogen. Fertig. Das ganze dauerte 20min.

Lothar zeigt Geschmack


Wir sind schon an vielen weidenden Kuhherden vorbeigelaufen. Galloways findet Lothar so spannend oder unspannend wie Pferde. Fleckvieh ist da schon interessanter und wird mal mehr, mal weniger begrüsst und bemuht. Je müder er ist, desto mehr wird gemuht übrigens.
Neulich sind wir zum ersten mal an einer weidenden Herde Schwarzbunter vorbeigelaufen und da erkannte ich meinen Ochsen nicht wieder. Er lief schneller und schneller immer näher zum Zaun hin, liess nur noch ein tiefes Bullenbrüllen hören und war kaum mehr zu halten. ??? Sind Kühe nicht eigentlich farbenblind? Er scheint seine nächsten Verwandten auf jeden Fall erkannt zu haben.

Freitag, 6. Juni 2014

Zum ersten Mal unfreundlich

Vorbemerkung zu meiner Geschichte: Ich weiss nicht, ob man es sich - ohne es erlebt zu haben - vorstellen kann was es bedeutet mehrmals täglich ungefragt fotografiert zu werden, Tag für Tag, Monat für Monat. Und wie es sich anfühlt, wenn man das „Klick“ vom Auslöser hört, obwohl man vorher gerade höflich drum gebeten hat nicht fotografiert zu werden.


Hier die Geschichte:


Ich persönlich bin der Meinung, ein sehr höflicher Mensch zu sein. Ich hoffe das stimmt auch in Wirklichkeit. Aber ich glaube schon, denn um mich dazu zu bekommmen wirklich unhöflich zu sein und ein böses Wort zu sagen, braucht es einiges.  Ein Mann am Wegesrand hat dies nun neulich geschafft.
In letzter Zeit fahre ich manchmal hinten auf der Kutsche mit. Den Anstoss gab Lothars erstaunliche schnelle Geschwindigkeit dank seiner Hufschuhe - nur bei kalten Temperaturen versteht sich. So kam ich doch auch auf den Geschmack dieser neuen Perspektive.
Egal, auf jeden Fall sass ich auch mal wieder auf der Kutsche an dem Tag, an dem die Passauer Neue Presse einen grossen Artikel über mich gedruckt hatte, mit viel Offenheit über mein Leben meinerseits und zwei wirklich schönen Fotos. Die PNP scheint in dieser Region JEDEr zu lesen und so war die Aufmerksamkeit recht gross und das Bedürfnis ein Foto zu schiessen noch grösser als sonst (was ja eigentlich kaum möglich ist). Auf jeden Fall sah ich es persönlich nicht ein für noch mehr Fotos zur Verfügung zu stehen, wenn doch ein so Schönes an diesem Tag in der Zeitung veröffentlicht war.
Als nun wieder ein Mann am Strassenrand stand und seine Kamera schon parat hatte, rief ich ihm entgehen, er solle sich das Foto BITTE aus der Zeitung ausschneiden, ich möchte nicht noch mehr fotografiert werden. Darauf erwiederte er, es sei so jetzt aber viel schöner. Weiter sah ich es in seinem Gesicht arbeiten und arbeiten, er hebt die Kamera an sein Gesicht und schiesst ein Foto von uns. Danach sagte er: „Na schau, is scho vorbei, war doch gar net so schlimm...“
Dieser letzte Satz hat mich dazu gebracht ihn nüchtern als „Arschloch“ zu betiteln. Fremd klang das Wort aus meinem Mund.