Sonntag, 28. August 2016

Max und Milan auf Reisen


Jetzt sind wir fast einen Monat zusammen unterwegs: Lothar, Piz und ich und eben Max und Milan.
Sie machen ihre Aufgabe so unglaublich gut und sind nach dieser kurzen Zeit absolute Profis in ihrem Job. Und der ist im Moment eigentlich nur: brav neben der Kutsche herzulaufen.
Niemals hätte ich zu träumen gewagt, dass es sich so unkompliziert reisen lässt mit noch zwei kleinen Ochsen dabei. Sonst hätte ich wohl schon früher an Nachwuchs gedacht. .. Aber woher hätt ichs wissen sollen?
Körperlich war es ja von Anfang an eigentlich kein Thema 5 bis 6 km zu laufen, doch die ganzen Bilder und Eindrücke und alles Neue will einfach auch von einem so jungen Hirn verarbeitet werden und das schaffte das Limit. Doch mittlerweile muss ich nicht einmal mehr die Position der Kleinen wechseln und keiner lässt sich mehr ziehen (ausser es ist zu eben und Lothar dadurch zu schnell). Milan geht meist vorne neben Lothar, weil er ihm einfach mehr zugetan ist und Max läuft direkt neben der Kutsche.

Gullideckel waren in den ersten Tagen das Allerallerschlimmste was einem kleinen Zugochsen begegnen konnte, doch mittlerweile wird einfach drüber oder gar drauf gestiegen. Durch unser erstes Dorf übelegte ich mir noch Hilfe zu holen um helfend hinter ihnen herzugehen, doch schlussendlich lief ich die ersten zwei Wochen hauptsächlich ohne Ortschaften und anschliessend war dann unser erstes grösseres Dorf mit «Innenstadt"bereich, vielen Autos, engen Häusern, Hauptverkehrstrasse und allem drum einfach nur problemlos. Beide liefen ausnahmslos super mit. Eigentlich unvorstellbar. Und das alles dank Lothar. Alleine hätte ich sie mit zwei Wochen Training niemals so ruhig durch eben diese Ortschaft bekommen. Dafür sprech ich einfach nicht genug kuhisch.
In allen Bereichen des Reisens haben sie sich gut eingelebt und betrachten es als ihre tägliche Routine.
Auf Waldwegen lass ich einen von ihnen dann auch frei laufen. Das ist natürlich sehr sehr spannend. Was es nicht alles zu fressen gibt! Und mal ganz ganz vorne laufen zu dürfen!
Eigentlich könnte ich jetzt schon auf einsamen Pfaden ziemlich loslassen weil ich weiss, dass es läuft. Wäre da nicht unser ewiges Schuhverlierproblem.
Natürlich brauchen die Kälbchen auch Schutz vor Abbrieb. Anfangs hab ich es ohne Schuhe probiert, doch das ging nicht. Und dann hab ich ihnen selber Schuhe gebastelt. Aus Traktorreifenschlauch und altem Gülleschlauch, doch so ausgereift ist das alles noch nicht. Zum einen gehen sie ständig kaputt und so bin ich täglich mindestens eine bis zwei Stunden am reparieren und zum anderen verlieren sie sie ständig. Ich bin stetig am Verbessern und so sind wir schon von «einen Schuh alle 500 Meter verlieren, zurückgehen, wieder anziehen» zu das selbe alle 1-2km. Doch weiss ich eben nie wann es passieren wird, weshalb ich ständig zurückschaue und zweimal schnell zähle: «eins, zwei, drei, vier». Denn in einem Schuh steckt so viele Stunden Arbeit, dass ich es mir nicht leisten kann einen für immer zu verlieren. Und mehr als ein paar Hundert Meter ist es auch lästig zurückzugehen und das Gespann derweil irgendwo angebunden zu haben. Wenn es denn grad sowas gibt.
Da bleibt nicht viel Zeit daszwischen zum Nichtdrandenken :-)

Ja, und noch eine Neue Sache gibt es, auf die ich lange gewartet habe. Lothar hat Max und Milan mehr oder weniger immer ignoriert, oder sie gar rumgescheucht. Aber seid gestern, da schleckt er Milan und widmet sich ihm ganz intensiv. So eine Freude. Für Lothar, weil er seine eigene Herde bekümmern kann, für Milan, der da schon sehr lange drauf gewartet hat und für mich.

Samstag, 20. August 2016

Geschichten vom Wegesrand


Für unser Vormittagspäuschen nach einem sehr frühen Start wähle ich uns einen schönen Platz im Wald. Zwar ohne Aussicht, doch ruhig, mit viel Schatten und ein bisschen Sonne. Ich binde Lothar an einen Baum am Waldesrand wo er grasen kann. Max und Milan bleiben an der Kutsche angebunden. Ich setzte mich in Halbschatten zwischen die Heidelbeeren und lehen mich an einen Baum. Ich höre, lausche und bin.

Doch was ich nach einiger Zeit höre gefällt mir nicht. Lothar tritt. Und wenn er tritt hat er in der Regel eines seiner Hinterbeine im Seil verheddert. Ich laufe schnell zu ihm, denn da zählt jede Sekunde, bevor das Seil hässliche Striemen am Bein hinterlässt. Piz eilt auch gleich zu Hilfe. Doch als ich bei Lothar bin ist sein Bein frei und trotzdem stimmt irgendwas nicht. Ich verstehs nicht. Lothar tritt immer wieder und ist im nächsten Moment panisch. Soll ich ihn losbinden? Aber in dieser Stimmung könnt ich ihn nie halten, er würde einfach das Weite suchen. Egal. Ich ziehe die Schlaufe um das Seil zu lösen. Währenddessen tut mir der Arm weh, egal...blöder Knoten...geh auf...und wieder ein Stich und Schmerzen, jetzt in der Schulter. Ich schaue auf und realisiere, dass das, was ich für Fliegen und Bremsen hielt, das ganze Gesumme um uns herum, einfach nur wahnsinnig viele Wespen sind. Und noch ein Stich und noch ein Stich....ich nehm die Beine in die Hand und laufe so schnell ich kann weg. Höre es summen hinter mir. Noch ein Stich. Nehme meine Hut, schlage um mich. Kurz stehen bleiben. Hochschauen. Und da kreisen sie noch über mir und sausen wieder hinab. Und noch ein Stich, noch ein Stich. Ein kurzer Gedanke über Lothar, wo er wohl hinrennt? Ob ich ihn wohl wiederfinden werde? Mit mir rennt Piz sich konstant beissend und winselnd und rollend und mich immer wieder hilfesuchend anschauend. Und weiter weiter den Weg entlang. Wieder stehen bleiben. Die letzten zwei Wespen lassen von mir ab. Piz kommt auf mich zugerannt ihr ehemals krankes Bein so hebend, als wärs wieder verbunden. Völlig durcheinander.
Zweimal tief durchatmen und dann ruhig aber zügig zurück zur Kutsche. Max und Milan schauen nur ein bisschen verdutzt aus ihren schwarzen Augen, sie sind ok. Und Lothar?

Der arme Kerl, er konnte nicht wegrennen! Das Seil hatte sich bei der vorhergehenden Panik zusammen mit Farn und sonstigem Grünzeug am Baum verknotet und ihn an Ort und Stelle bleiben lassen. Und über ihn, um ihn, unter ihm: Wespen.
Also Hose runterkrempeln, Jacke aus der Kutsche holen und bis zum Kragen zumachen, Hut auf. Und durchatmen, durchatmen. Energie runterfahren, nicht aufregen, sonst sind die nächsten Stiche vorprogrammiert. Langsam gehe ich zu Lothar der nur noch steht und sich nicht mehr wehrt. Das Seil ist so verknotet und wespenumflogen, dass ich ihn wieder auf die Gefahr hin, dass er einfach nur das Weite sucht sobald er los ist, vom Karabiner löse. Doch er lässt sich ganz ruhig wegführen und erstmal um Zugstrang notdürftig anbinden.

Da steht Lothar einfach nur. Kein Schlagen nach Fliegen. Kein Schlagen nach mir also ich ihn untersuche. Er steht einfach nur.  Wespen hängen noch um seinen Hornansatz, an seinem Ohr, an seinem Bauch. Ich schlage sie weg.
Kurz überlege ich das Führseil dort zurückzulassen, doch dafür ist es zu wertvoll, also gehe ich wieder zurück und bete nicht noch mehr Stiche abzubekommen. Aber scheints haben sich die Wespen beruhigt. Sie fliegen zwar noch wild umher, aber haben keine Lust mehr auf Angriff, oder schon alles Gift an Lothar verbraucht und lassen zu, dass ich mit langsamen Bewegungen das Seil löse.
Bei Lothar schwellen unterdessen die Stiche an. Überall auf seinem Körper bilden sich Hügel. Überall. Was kann ich tun? Das einzige was mir einfällt, was ich dabei habe, ist Apfelessig und so wasche ich alle Stiche mit Essig ab. Ziehe noch ein paar Stachel raus, die ich dachte, dass Wespen gar nicht verlieren können. Ziehe die letzten Wespen weg und warte und schaue mir Lothar an. Dann mache ich das selbe bei Piz und bei mir. Piz hats haupsächlich oben an den Vorderbeinen und an der Brust erwischt und sie hebt ganz komisch den Kopf. Beissen tut sie sich am ganzen Körper. Ich glaub, die zwei hats am Schlimmsten erwischt.
Nach dem mir nichts besseres einfällt als uns ne Wiese zu suchen spanne ich Lothar ein und wir laufen weiter. Lothar bleibt die ganze Zeit so ruhig. Aber Piz humpelt und beisst sich und läuft Schlangenlinien.
Nach einem Kilometer kommt schon ein Hof. Und dort bekommen wir alle sofort erste Hilfe in Form von Wiese, Schatten, Wasser und Apiskügelchen gegen Stiche. Lothar geht es einigermassen gut dafür wie viele Stiche er abbekommen hat. Wir alle machen aber erstmal nichts anders als schlafen, schlafen, schlafen.

Donnerstag, 11. August 2016

Lothi und sein Bein

Als ich aus Ungarn zurückgekommen bin und mit Lothar zu den Kälbchen lief, fing er ziemlich plötzlich wieder an ganz schlecht zu laufen. Wie im Frühjahr.
Er verlagert sein Gewicht auf die Vorderbeine und eiert hinten auf den beiden Beinen, aber hauptsächlich links.
Jetzt ist aber Lothar die eineinhalb Monate, in denen ich in Ungarn war, nicht nur einfach rumgestanden, wie er es im Winter gerne macht, sondern war e bei zwei jungen Kuhdamen auf einer Wiese. Er musste sich also für sein Essen bewegen und für die Aufmerksamkeit seiner Herde.
Und trotzdem....

Gut ist, dass ich in diesen Tagen ja wieder Station bin. Denn die Tierpflegerin, bei der Lothar ja schon über den Winter gewesen war, ist mir eine grosse Hilfe. Nicht nur beim Hinschauen auf die Beine und Spritze geben, sondern auch beim Austauschen und Wiederspiegeln z.T nicht gern wargenommener Dinge, wie z.B. dass das nichts Neues ist mit Lothar, sondern dass er letzten Herbst schon schlecht lief. Und je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr muss ich mir auch eingestehen, dass sie da nicht ganz unrecht hat.
Um es mit Lothar überhaupt zu wagen loszulaufen, dafür musste ich seine Fehlstellung hinten links einfach als gegeben ansehen und nicht als «Huch-da-muss-ich-aufpassen». Wenn er enge Wendungen gemacht hat, dann hat mans eigentlich immer gesehen. Und manchmal auch beim Laufen. Und da die Arthrose ja jetzt gerade an dem Bein - verständlicherweise - ihre Angriffsfläche gefunden hat, habe ich da einfach ziemlich lange alles unter «Fehlstellung» abgetan.

Ja und jetzt stehen wir wieder da. Mit einem Lothar der nicht laufen kann. Ich Hinterwäldlerin dachte schon, ich müsse vielleicht mit ihm mal bei einer Tierklinik vorbeilaufen um ihn röntgen zu lassen, doch hat - wie sich herausstellte - sogar der örtliche Tierarzt hier ein mobiles Röntgengerät und so waren zwei Tage später die Bilder gemacht.



Das Ergebnis: keine Rehe, wie der Tierarzt aufgrund der extrem sensiblen Klauen vermutete, sondern Schale am Klauenbein. Eine Schale sind durch Knochenhautreizungen hervorgerufene Knochenzubildungen, über die dann z.B. Sehnen schaben können und so die Schmerzen entstehen.
Und wenn ich alles richtig verstanden habe, dann ist seine «gesunde» Klaue mehr betroffen, als seine Rollklaue.




Jetzt weiss ich also wo es ist und was es ist und kann da gezielt versuchen zu behandeln.
Der Tierarzt hat erstmal Entzündungshemmer zum spritzen gegeben und dagelassen. Lothi und Spritzen. Keine ungefährliche Angelegenheit. Ich habs mit Überrumpeln probiert, was beim Tierarzt einmal funktioniert hat. Aber eben nur das eine Mal. Bei mir war er dann schon schlauer. Ich bin dann dazu übergegangen es ihm ganz klar zu zeigen und ihn in die Schulter zu spritzen, nicht in Hintern. Da sind die Hinterbeine zu nah....
Dauerhaft ist das keine Lösung, doch hat es aus der akuten Phase rausgeholfen. Und jetzt kann ich weiterdocktern: mit Traumeel, Teufelskralle, Glucosamin und Schwefel.....mal schauen. Mittlerweile ist meine Kutsche ausgemistet und alles was ich nicht oft brauche hat den Weg zu meiner Mutter angetreten. Um Lothar zu entlasten Auch meine geliebte Werkzeugkiste.... Dafür hab ich jetzt eine neue Kiste drauf: mit Tabletten, Pulvern, Tinkturen...

Jetzt, nachdem nochmal zwei Wochen vergangen sind, springt er tatsächlich wieder über die Wiese. Nicht mehr so galant (naja galant konnte man Lothar noch nie nennen) wie früher, aber er springt wieder. Und deshalb wage ich es auch weiterzuziehen. Rumstehen ist ja nichts für so ein Bein und mehr als 5 km am Tag packen Max und Milan ja eh nicht.

So unbedarft wie im Frühjahr, wo ich wirklich dachte, bis zum nächsten Winter haben wir wieder unsere Ruh... so bin ich nicht mehr. Und manchmal packt und überkommt es mich, dass es für Lothar vielleicht doch bald vorbei ist. Wenn ich das Gefühl habe, es wird grenzwertig.
Und dann kralle ich mich an unsere Reise und möchte sie festhalten. Ist es doch das einzige was ich tun möchte. Bis mir fast übel wird.

Scheints habe ich aus den letzten Jahren wieder keine Lehre gezogen. Muss wieder lernen: Dass ich auch da loslassen muss. Nicht greiffen darf. Und offen bleibe. Und vertrauensvoll.

Sonntag, 7. August 2016

Drei Ochsen, ein Hund, eine Frau. Eine Reise

Jetzt hab ich lang nichts mehr von mir hören lassen. Entschuldigung.

 


Drei Ochsen, ein Hund, eine Frau sind auf reisen. Ganz neu. Ganz aufregend. Ganz langsam. Vielversprechnend.
Es ist Anfang August, doch eigentlich fühlt es sich an wie Frühling, denn schliesslich liegt der Start erst ein paar Tage zurück. Verwunderlich, wie gross die Äpfel dieses Frühjahr an den Bäumen schon hängen. Zu Lothars Freude.
Jetzt grast ein grosser schwarzweisser Ochse in einem Zaun und daneben zwei kleine graue Ochsen. Nur ein paar Tage lang, bis sicher ist, dass Lothar die beiden auch auf kleinem Areal akzeptiert.
Jetzt werden in der früh drei Ochsen vorbereitet und 12 Beine gehoben und konrtrolliert. Es sind 8 Schuhe anzuziehen. Und es wird viel mehr Wasser geschleppt. Rechts an Lothars Seite angebunden an der Deichsel geht ein kleiner grauer Ochse und dahinter noch einer. Doch die vielen Eindrücke beim Laufen neben der Kutsche sind für die kleinen unerfahrenen Köpfe noch so erschöpfend, dass sie sich, wenn ihre Gedankenkraft aufgebraucht ist, ziehen lassen und deshalb werden noch nach einer einstündigen Pause Plätze gewechselt. Von vorn nach hinten, von hinten nach vonre oder ganz nach hinten, hinter die Kutsche. Da muss dann wieder neu gedacht werden und es wird wieder selber gelaufen.
Auch die Aufmerksamkeitskraft der Frau wird hart auf die Probe gestellt. So viel Überblick muss gehalten werden. Was macht der grosse Ochse, laufen die Kleinen, lassen sie sich ziehen, könnten sie vor was speziell Angst haben?
Da entschwindet der Hund mal schnell aus dem Aufmerksamkeitskreis und geht seine eigenen Wege. Gott sei Dank ist sie erfahren genug.
Es geht weiter!!!