Donnerstag, 27. September 2018

Und wohin schau ich jetzt?

Zweiter Verlust

Ich kenne genau einen Menschen, der sein Leben so führt wie ich. Mit Ochsen auf der Strasse. Nein, nicht so wie ich. Immer noch konsequenter. Immer ein paar verdammte Schritte konsequenter. Es gibt noch Pferdeleute, kennen tu ich da aber auch nicht viele.

Hab ich über eine Entscheidung weg von dem, was immer so in der Luft hängt, was man tun sollte und unbedingt  braucht, gehadert und gezweifelt, hab ich zu Bo geschaut. Nur um zu sehen wie er lacht und schon viel weiter gegangen ist. Mir schien es immer ohne zu zweifeln.

Es war nicht wichtig bei ihm zu sein, oder mit ihm zu reisen. Es war einfach nur wichtig dass es ihn gab und er mir dadurch in meinem Handeln eine Sicherheit gab. Dieser «junge Spund» mit grad mal 32 Jahren.

Am Sonntag morgen ist er in Frankreich vor seiner Kutsche laufend von einem Autofahrer übersehen worden und überfahren worden. Er starb noch an der Unfallstelle, alle seine Tiere blieben so gut wie unverletzt.
Sein Tod auch irgendwie wieder passend für ihn: wenn er was macht, dann ganz und gar.

14 Jahre seines Lebens, also alle Zeit nach der Schule, hat er auf der Strasse in seiner Kutsche lebend verbracht. 12 davon mit seinem Ochsen Bürök. Später kam dann noch ein Ochse und 2 Kühe dazu. Und zwei Hunde. Immer wieder mit anderen Menschen, aber dann auch immer lange Strecken allein.
12 Jahre war er nur in Ungarn unterwegs, bis er sich im letzten Jahr tatsächlich aufmachte gen Westen. Slowenien, Italien und eben jetzt gerade erst: Frankreich.

Schon irgendwie komisch. In diesem Jahr gibt es einen Zugochsen, der seine Arbeit über alles liebte und einen Ochsenmenschen, der sein Leben über alles liebte dort, woimmer man auch hinkommt.



Auch dir eine gute Reise, mein geliebter Bo.

Doch wohin schau ich jetzt wenn ich zweifel?


So haben wir uns kennengelertn. Ein Ochse, ein Hund und damals noch zwei Ziegen im Anhänger.





Freitag, 25. Mai 2018





Es ist leider nicht die beste Qualität, aber ich bekomm's besser grad nicht hin.

Donnerstag, 17. Mai 2018

Lieber Lothar
An den letzten 5 Tagen deines Lebens sind wir immer früh aufgestanden und langsam an den Platz gelaufen, wo du sterben wirst. Damit du alles kennst. Die Uhrzeit, den Platz, das dort angebunden Sein und die verbundenen Augen. Zumindest diese Faktoren sollten dich nicht in Unruhe versetzten.
An deinem letzten Tag bin ich dann ja ganz früh aufgestanden und hab uns ein Feuer gemacht. Gerade da ist der Mond langsam über dem Berg aufgegangen. Wir haben noch zugeschaut. Dann hab ich dich ans Halfter genommen, ganz ruhig und behutsam, und wir sind ganz ganz langsam nach vorne gegangen. Jeden einzelnen Schritt zusammen im Mondlicht geniessend als unsere letzten Schritte zusammen, als Gefährten. So ruhig war alles, wir hatten ja noch Zeit. Und das Gewahrsein füreinander.

Nachdem ich dich dann am langen Strick an den Baum gebunden habe, kam auch schon der Traktor und dadurch die Präsenz anderer Menschen.
Wir haben den Hänger für dich parat gemacht mit der Plane. Danach hab ich dich gleich ganz fest, doppelt und kurz an den Baum gebunden, damit das in keinem Zusammenhang mit der Ankunft eines Autos steht und dir noch ein paar Bananen gefüttert. Und da kam auch schon der Mensch der dich in den Himmel schicken sollte.
Wir haben nicht viel geredet. Nur ein paar Worte gewechselt und schon hast du das Schussgerät an der Stirn gehabt. Und was machst du? Du zitterst nicht mal, du rührst dich nicht, du hilfst ihm gut zu zielen Einen Moment später fällst du auf die Seite mit aller Mächtigkeit deiner verbliebenen paar hundert Kilo. Da verlier ich die Fassung ob dem was ich dir antue, kann dir nur ein paar Danke auf den Weg geben. Und schon rinnt das Blut vermischt sich mit dem Wasser um keine Verunreinigung zu unterlassen. Um dir noch ein bisschen Würde zrückzugeben löse ich mit all meiner Kraft die Knoten, die deinen Kopf noch nach oben mit dem Baum verbinden. und nehme das Hemd weg, das über deinen Augen liegt.
Es ist vorbei.
Und grad mal 5 Uhr durch.

Das Verladen ist dann ein Funktionieren, obwohl ich eh mehr nur daneben steh. Schau, dass deine Beine an den Frontlader gehängt werden und nicht noch die Dachrinne verletzt wird beim hochheben. Zuschauen. So ein schwerer Körper. Dass man das jetzt alles machen kann mit dir, Lothar?!
Dann liegst du auch schon auf dem Hänger, gut platziert gleich aufs erste Mal. Schief hängt dein Maul. Du wirst eingepackt in die Plane und fest verschnürt. Auch das lässt «du» mit dir machen. Und schon gehts los die Fahrt in den Schlachtbetrieb. Ich zeige mit dem Auto den Weg, fahre mit 20km/h dem Traktor vorran. So langsam wird es hell im Schwarzwald.
Kein Auto unterwegs.

Es ist geschafft.
Ohne Panik.
Ohne Stress.

Später dann, viel später, nachdem erstmal alles erledigt ist gehe ich zum Zelt in der Hoffnung etwas Schlaf nachzuholen. Ein Bussard fliegt tief über meinen Kopf. Sitzt du auf seinem Rücken und geniesst die neue Freihet?
Du scheinst noch so nah.
Nach den letzten immer bewölkten Tagen ist es heute nur schön. Keine Wolke. Ich will gar nicht mehr schlafen.
Die Zeit steht still.
Es gibt nur noch das Licht das durch die frühlingsgrünen Blätter scheint.
Und mich und die Weite. Und dich.
.
Es hätte nicht besser laufen können. Es hätte keinen besseren Abschied geben können.
Eine gute Reise dir, Lothar.

Donnerstag, 3. Mai 2018


Ein anderer Abschied.

Ich werde nicht mit Lothar zum Schlachthof laufen. Der Metzger schlug vor ihn hier am Hof zu schiessen.  Für Lothar ist es so natürlich viel viel stressfreier und besser für die Beine. Er hätte die Strecke nicht mehr geschafft. Schade ist es aber um die gemeinsamen Tage unterwegs. Ich hatte mir so gewünscht  nochmal unser Reise-Zusammensein spüren zu dürfen wenn auch nur für kurze Zeit.

Dafür ziehe ich mich zurück auf eine Wiese. Wieder einmal nur Lothar, Piz, ich, das Zelt und die Natur.
Auch um wegzukommen von allem was die Organisation mit sich brachte. Weg zu kommen vom Denken von Lothar als Ware wieder hin zu Lothar als Tier.

An einem Tag kommen drei Kinder zu Besuch. Es wird ein Lothar-Kinderabschiedsnachmittag sozusagen. Mit Lothar reiten, vielen Karotten, Äpfeln und Bananen, Steicheleinheiten und Dankesworten: «Danke Lothar, dass du mich so oft auf deinem Rücken getragen hast»
Da konnte auch Lothar nicht anders als seine müden Beine zu vergessen und nocheinmal dazusstehen wie ein junger Ochse


Doch ich schaffe es in all den Tagen nicht so bei ihm zu sein wie ich es mir eigentlich wünschen würde. Ich würde gerne unsere gemeinsame Zeit gut abrunden mit einem tiefen Beisammensein.
Doch es geht nicht.
Mit dem Ende unserer gemeinsamen Reise vor 1 1/2 Jahren sind wir schon den ersten Tod gestorben. Seid dem gab es noch viel Wertschätzung, Liebe und Respekt zwischen uns doch diese Innigkeit wie beim unterwegs sein war gewichen. Als Schutz auch, weil der entgültige Tod sich dadurch ja schon leise ankündigt hat. Diese Innigkeit jetzt in seinen letzten Tagen aufleben zu lassen ist wohl eine Illusion. Jegliches Hingehen in diese Richtung tut so weh.

Und dann sind auch noch seine beiden Kuhkolleginnen jeweils 1 1/2 Tage brünftig - versetzt natürlich- und so hat auch er nichts mehr anderes im Kopf als seine Hormone.
So kommen wir nie zusammen mit unserem Abschied!

Dann soll es also so sein. Anders als erhofft.

Ich möchte den morgigen Tag auch als einen Guten sehen.
Denn danach gibt es keine Beinschmerzen und keinen Sommer mehr mit Fliegen und Bremsen die ihn plagen. Und dafür ist es wirklich Zeit.
Ein Freudentag also auch!

Morgen also. Lass ich Lothar weiterziehen. Ohne mich.

Denkt an uns!

Donnerstag, 12. April 2018

Jetzt mal alle Gefühle beiseite und ganz praktisch gedacht.
Was macht man mit 450 kg Fleisch?

Organisieren. Ich brauche einen Metzger möglichst nah vom Winterquartier, also wohl Freiamt, damit ich mit ihm hinlaufen kann. Ich brauche idealerweise jemanden, der sagt er nimmt die Hälfte vom Lothar. Denn dadurch bekäme ich einen Teil der Schlacht- und Weiterverarbeitungskosten wieder rein und es würde  die Menge des mir verbleibenden Fleisches auf überschaubare 225kg reduzieren.
Gibt es noch Gerbereien in Deutschland für das Fell? Und kann mir jemand den Schädel präparieren? Und will ich das alles überhaupt?

Im Februar also, als ich eh zum jährlichen Klauenschneiden im Schwarzwald bin,  fahre ich auch gleich beim ersten Metzger vorbei. Klingeln. Sprechen. Über Lothar, der eine Ware wird..

Interesse am Fleisch von Lothar ist keines Vorhanden. Auch bei drei anderen Metzgern nicht mit denen ich noch spreche. «Zu alt» heisst es überall. Irgendwas mache ich falsch. Mir geht es nicht um einen bestimmten Preis für sein Fleisch sondern um die Wertschätzung der Qualität. Ochsenfleisch welches sich über Kilometer und Kilometer geformt, gebildet, gestärkt hat.
Aber das interessiert nicht. Nur das Alter und das ist eben «zu alt».

Irgendwie würde es auch ohne einen Abnehmer gehen. Dann wird die ganze Aktion halt kostspielig. Ein Kilo Fleisch zu Salami verarbeiten kostet über 3 Euro. Das ganze mal 450...Aber andererseits wofür arbeite ich im Winter? Da kann ich mein Geld auch so einsetzten. Sinnvoll.
Die fertige Wurst, anderes als eine ganze Lothar Hälfte, kann ich nicht verkaufen. Die kann ich nur verschenken.
Aber dann findet sich doch noch jemanden. Mal wieder über den Freund, der mir eh bei so vielem zur Seite steht. Mit Traktor, Wiese und Gesprächen.
Eine Erleichterung.

So bin ich jetzt erst mal zufrieden mit dem Stand der Dinge. Gefühllos lässt es sich gut organisieren. Nur manchmal, wenn ich nicht aufpasse, will eine grosse Welle an Taurigkeit in mir aufsteigen. Doch das lass ich nicht zu und drücke dagegen. Noch ist nicht Zeit dafür.

Und wenn dann alles verarbeitet und gefertigt ist, das Fleisch, das Fell, der Schädel, ja dann geh ich wieder auf Tour. Mit dem Auto und Lothar im Kofferraum. Und besuche auf ein Neues einige Orte unserer vergangenen 6 Jahre. Und so wie Lothar mit der Kutsche Begegnung geschaffen hat, so wird nun noch einmal durch ihn Begegnung stattfinden.

Sonntag, 11. März 2018

Ich habe traurige Neuigkeiten.

Lothar ging es über den Winter nicht gut. Die Kälte hat seinem kranken Bein so zugesetzt, dass er immer wieder schmerzhafte Entzündungsschübe bekommen hat, die ihm das Laufen zur Qual gemacht haben.
Dünn ist er geworden über die letzten Monate. Auch die Lebensfreude und das Interesse an seinem Umfeld sind zeitenweise aus seinen Augen gewichen.

So habe ich beschlossen, dass es diesen Frühling Zeit ist mich zu verabschieden von meinem grossen treuen Freund.

Ich könnte ihm auch noch diesen Sommer geben, wo es sicher wieder weniger schmerzhaft ist wegen der Wärme. Aber die Anzeichen deuten darauf hin, dass es dann vielleicht auf einmal sehr schnell gehen muss. Und das möchte ich nicht. Lieber auf unsere Art und Weise. Langsam, mit Ruhe und Zeit.

Es gibt keinen Friedhof für Ochsen, gar nicht zu sprechen von einem Ort, wo er begraben werden kann und ich mich irgendwann zu ihm geselle. Deshalb werde ich ihn schlachten lassen. Und ihn essen und das übrige Fleisch verschenken an all die Leute, die Teil genommen haben an seinem Lebensweg.
Vielleicht ist es auch mein letzter verzweifelter Versuch mich nocheinmal mit ihm verbunden zu fühlen.

Alles was ich mit Lothar machen werde wird in absoluter Dankbarkeit, mit Respekt und Würde für ihn und mit ihm geschehen.
Aber es wird nichts aan der Tatsache ändern, dass unser gemeinsamer Weg zu Ende ist.

Egal wie mein Weg weiter geht mit Max und Milan, die Verbindung und das Erlebte mit Lothar wird einzigartig bleiben und mich auf ewig mit tiefer Dankbarkeit und Erstaunen erfüllen. Und ich hoffe, dass ich das, was er mich gelehrt hat in den gemeinsamen sechs Jahren, weitertragen kann und ausbauen.

Schön, dass es am Himmel das Sternbild des grossen Wagens gibt. Er wird für mich eine Verbindung sein. Vielleicht gibt es ich darin ja bald einen neuen Stern.