Freitag, 25. Mai 2018





Es ist leider nicht die beste Qualität, aber ich bekomm's besser grad nicht hin.

Donnerstag, 17. Mai 2018

Lieber Lothar
An den letzten 5 Tagen deines Lebens sind wir immer früh aufgestanden und langsam an den Platz gelaufen, wo du sterben wirst. Damit du alles kennst. Die Uhrzeit, den Platz, das dort angebunden Sein und die verbundenen Augen. Zumindest diese Faktoren sollten dich nicht in Unruhe versetzten.
An deinem letzten Tag bin ich dann ja ganz früh aufgestanden und hab uns ein Feuer gemacht. Gerade da ist der Mond langsam über dem Berg aufgegangen. Wir haben noch zugeschaut. Dann hab ich dich ans Halfter genommen, ganz ruhig und behutsam, und wir sind ganz ganz langsam nach vorne gegangen. Jeden einzelnen Schritt zusammen im Mondlicht geniessend als unsere letzten Schritte zusammen, als Gefährten. So ruhig war alles, wir hatten ja noch Zeit. Und das Gewahrsein füreinander.

Nachdem ich dich dann am langen Strick an den Baum gebunden habe, kam auch schon der Traktor und dadurch die Präsenz anderer Menschen.
Wir haben den Hänger für dich parat gemacht mit der Plane. Danach hab ich dich gleich ganz fest, doppelt und kurz an den Baum gebunden, damit das in keinem Zusammenhang mit der Ankunft eines Autos steht und dir noch ein paar Bananen gefüttert. Und da kam auch schon der Mensch der dich in den Himmel schicken sollte.
Wir haben nicht viel geredet. Nur ein paar Worte gewechselt und schon hast du das Schussgerät an der Stirn gehabt. Und was machst du? Du zitterst nicht mal, du rührst dich nicht, du hilfst ihm gut zu zielen Einen Moment später fällst du auf die Seite mit aller Mächtigkeit deiner verbliebenen paar hundert Kilo. Da verlier ich die Fassung ob dem was ich dir antue, kann dir nur ein paar Danke auf den Weg geben. Und schon rinnt das Blut vermischt sich mit dem Wasser um keine Verunreinigung zu unterlassen. Um dir noch ein bisschen Würde zrückzugeben löse ich mit all meiner Kraft die Knoten, die deinen Kopf noch nach oben mit dem Baum verbinden. und nehme das Hemd weg, das über deinen Augen liegt.
Es ist vorbei.
Und grad mal 5 Uhr durch.

Das Verladen ist dann ein Funktionieren, obwohl ich eh mehr nur daneben steh. Schau, dass deine Beine an den Frontlader gehängt werden und nicht noch die Dachrinne verletzt wird beim hochheben. Zuschauen. So ein schwerer Körper. Dass man das jetzt alles machen kann mit dir, Lothar?!
Dann liegst du auch schon auf dem Hänger, gut platziert gleich aufs erste Mal. Schief hängt dein Maul. Du wirst eingepackt in die Plane und fest verschnürt. Auch das lässt «du» mit dir machen. Und schon gehts los die Fahrt in den Schlachtbetrieb. Ich zeige mit dem Auto den Weg, fahre mit 20km/h dem Traktor vorran. So langsam wird es hell im Schwarzwald.
Kein Auto unterwegs.

Es ist geschafft.
Ohne Panik.
Ohne Stress.

Später dann, viel später, nachdem erstmal alles erledigt ist gehe ich zum Zelt in der Hoffnung etwas Schlaf nachzuholen. Ein Bussard fliegt tief über meinen Kopf. Sitzt du auf seinem Rücken und geniesst die neue Freihet?
Du scheinst noch so nah.
Nach den letzten immer bewölkten Tagen ist es heute nur schön. Keine Wolke. Ich will gar nicht mehr schlafen.
Die Zeit steht still.
Es gibt nur noch das Licht das durch die frühlingsgrünen Blätter scheint.
Und mich und die Weite. Und dich.
.
Es hätte nicht besser laufen können. Es hätte keinen besseren Abschied geben können.
Eine gute Reise dir, Lothar.

Donnerstag, 3. Mai 2018


Ein anderer Abschied.

Ich werde nicht mit Lothar zum Schlachthof laufen. Der Metzger schlug vor ihn hier am Hof zu schiessen.  Für Lothar ist es so natürlich viel viel stressfreier und besser für die Beine. Er hätte die Strecke nicht mehr geschafft. Schade ist es aber um die gemeinsamen Tage unterwegs. Ich hatte mir so gewünscht  nochmal unser Reise-Zusammensein spüren zu dürfen wenn auch nur für kurze Zeit.

Dafür ziehe ich mich zurück auf eine Wiese. Wieder einmal nur Lothar, Piz, ich, das Zelt und die Natur.
Auch um wegzukommen von allem was die Organisation mit sich brachte. Weg zu kommen vom Denken von Lothar als Ware wieder hin zu Lothar als Tier.

An einem Tag kommen drei Kinder zu Besuch. Es wird ein Lothar-Kinderabschiedsnachmittag sozusagen. Mit Lothar reiten, vielen Karotten, Äpfeln und Bananen, Steicheleinheiten und Dankesworten: «Danke Lothar, dass du mich so oft auf deinem Rücken getragen hast»
Da konnte auch Lothar nicht anders als seine müden Beine zu vergessen und nocheinmal dazusstehen wie ein junger Ochse


Doch ich schaffe es in all den Tagen nicht so bei ihm zu sein wie ich es mir eigentlich wünschen würde. Ich würde gerne unsere gemeinsame Zeit gut abrunden mit einem tiefen Beisammensein.
Doch es geht nicht.
Mit dem Ende unserer gemeinsamen Reise vor 1 1/2 Jahren sind wir schon den ersten Tod gestorben. Seid dem gab es noch viel Wertschätzung, Liebe und Respekt zwischen uns doch diese Innigkeit wie beim unterwegs sein war gewichen. Als Schutz auch, weil der entgültige Tod sich dadurch ja schon leise ankündigt hat. Diese Innigkeit jetzt in seinen letzten Tagen aufleben zu lassen ist wohl eine Illusion. Jegliches Hingehen in diese Richtung tut so weh.

Und dann sind auch noch seine beiden Kuhkolleginnen jeweils 1 1/2 Tage brünftig - versetzt natürlich- und so hat auch er nichts mehr anderes im Kopf als seine Hormone.
So kommen wir nie zusammen mit unserem Abschied!

Dann soll es also so sein. Anders als erhofft.

Ich möchte den morgigen Tag auch als einen Guten sehen.
Denn danach gibt es keine Beinschmerzen und keinen Sommer mehr mit Fliegen und Bremsen die ihn plagen. Und dafür ist es wirklich Zeit.
Ein Freudentag also auch!

Morgen also. Lass ich Lothar weiterziehen. Ohne mich.

Denkt an uns!