Freitag, 31. Mai 2019

Mein Becher besorgt mir eine Wiese


Stark habe ich abgespeckt mit meinem Gepäck um den Jungs einen so einfach wie möglichen Start zu ermöglichen. (Aber auch nicht stark, wie ich noch im Winter dachte, haben mir die zwei Jungs doch gezeigt, was für Energien sie haben)
Trotzdem reise ich jetzt mit nur einem Set Besteck, ohne Teller (die Pfanne tuts auch), aber zwei Bechern. Einen für mich, und einen für einen Gast (oder mehrere, dann müssen sie sich den halt teilen).
Und dieser eine Gästebecher hat aus unerfindlichen Gründen auf meiner Wiese in Sulzburg beschlossen dort zu bleiben. Zuerst dachte ich noch, er würde sich zwischen den Kisten auf der Kutsche verstecken, doch nach ein paar Tagen bekam ich eine SMS mit der Nachricht, ein Becher sei gefunden worden und ob ich noch in der Nähe sei. Da ich aber nun schon zu weit weg bin, hielt ich den Becher der Anfahrt nicht wert und schrieb zurück, dass er auch dort auf mich warten könne oder eineN neue BesitzerIn finden da ich eben schon im Raum Lörrach sei.
Wieder ein Paar Tage später, ich beginne gerade mich auf die Suche nach einer Wiese zu machen, bekomme ich eine SMS, die Arbeitskollegin der Finderin hätte ihr Pferd in Brombach in der Nähe von Lörrach stehen und könne ihn mir vielleicht vorbeibringen und mir eventuell sogar dazu noch eine Wiese organisieren.
Ich staunte nicht schlecht, denn ich hatte Brombach gerade um ca genau 200m hinter mir gelassen. Deshalb rief ich die Finderin gleich an und erzählte ihr davon, weniger aus Interesse an meinem Becher, als an einer Wiese. Auf die Frage, wo ich denn genau in Brombach sei, nannte ich die Strasse und....so stellte sich heraus: genau in dieser Strasse stand auch das Pferd der Arbeitkollegin, ca 50 Höhenmeter über dem Punkt, wo ich gerade stand und telefonierte.
Ich hatte die Abzweigung gesehen, den Hof beim Vorbeilaufen aber als zu abgelegen empfunden um nach einem eventuellen «Nein» für eine Wiese wieder alles zurücklaufen zu müssen.
Und so bekam ich wie auf dem Serviertablett geliefert, eine wunderschöne Wiese, weil ich im richtigen Moment mal mein Telefon gehört und meinen Becher vergessen hatte.
Vielen Dank dafür, Becher.


Freitag, 24. Mai 2019

Dritter Reisetag


Wir umlaufen Freiburg im Breisgau auf kleinen Strässchen. Spargel wird hier angebaut, Mais und langsam auch Wein. Der Spargel ist bereit gestochen zu werden und so sehe ich immer wieder Gruppen  rumänischer oder bulgarischer WanderarbeiterInnen bei der Arbeit auf dem Feld.
Charakteristisch hier für die kleinen Strässchen sind die immer wieder vorkommenden Gitter, die quer verlaufen um Wasser abzuleiten. Milan hatte letztes Jahr grosse Angst vor ihnen, egal wie breit sie waren. Schwer hat er es gelernt, dass sie nichts fürchterliches sind, doch gegen Ende des Sommers lief er souverän darüber. Glücklich bin ich in den ersten Tagen zu sehen, dass er zumindest das über den Winter nicht verlernt hat.
Doch als wir eben wieder an einem Trupp SpargelstecherInnen vorbei laufen, teilt vor uns ein Gitter die Strasse, welches einen Meter breit ist und darunter einen halben Meter tief. Da steht auch Max stock steiff und geht keinen Schritt mehr weiter. Gott sei Dank ist es ein kleines Strässchen, welches nur für den landwirtschaftlichen Verkehr genutzt wird, denn jetzt geht gar nichts mehr mit den Ochsen. Ich rede ihnen gut zu, gebe ihnen Zeit, lass sie riechen. Ich ziehe und ziehe und treibe und treibe, aber nichts kann sie davon überzeugen einen Schritt auf das Gitter zu setzten. Die SpargelstecherInnen bekommen das langsam mit und kommen näher. Na Zuschauer haben mir eigentlich gerade noch gefehlt!
Meine nächste Idee ist Milan auszuspannen, da er ohne Kutsche eher darüber laufen sollte, und Max dann die Kutsche alleine darüber ziehen zu lassen, wenn er sieht dass Milan es gewagt hat.
Aber auch das fruchtet gar nicht, zu suspekt ist das Gitter. So froh bin ich, dass immer noch kein Auto kommt! Doch wer stattdessen kommt, sind die SpargelstecherInnen. Sie fackeln nicht lange, einige schieben sofort die Kutsche von hinten an um Max drüber zu schieben, ein anderer tritt resolut hinter Milan und versucht ihn nach vorne zu schieben. In mir zieht sich alles zusammen. So nett und mutig die Geste des Anpackens, bewundert ein Teil meines Gehirns, doch vor meinem inneren Auge sehe ich die Situation eskalieren, weil die Ochsen nun Druck von vorne durch das Gitter und Druck von hinten durch unbekannte Menschen haben. Ich sag nur: «Nein, nein, bitte nicht», mehr kann ich nicht erklären, weil eh niemand deutsch spricht.
Dann schweift mein Blick über die Kutsche und ich sehe meine blaue Sitzdecke. Schnell hole ich sie und lege sie über das Gitter. Mit nur ein bisschen gut Zureden tritt Milan darauf und auf die andere Seite. Max folgt nur wenig später und so kann ich Milan wieder an seinen Platz an der Deichsel amschirren und durchatmen. Geschafft.
Die GastarbeiterInnen lachen und winken und machen sich wieder auf zurück zur Arbeit.

Zwei Stunden später laufen wir auf unsere Wiese zu als wieder so ein breites Gitter über die Strasse liegt. Mittlerweile sind Max und Milan so müde, dass sie es erst registrieren, als Milan sogar schon mit einem Fuss drauf steht. Leider können sie sich immer noch nicht überwinden, sondern gehen wieder zurück. Auch mit der blauen Decke laufen sie nicht im Gespann, sondern nur einzeln darüber. Das geht jetzt aber schnell, wissen wir doch alle was wir zu tun haben um die Situation zu bestehen. Aber ich kann mir vorstellen, hätten wir an diesem Tag zum dritten mal ein Gitter getroffen, wären beide einfach drüber gelaufen. 

Montag, 20. Mai 2019

Wieder unterwegs!


Am 15. Mai 2019, fast auf den Tag genau 6 Jahre nachdem ich mit Lothar und Piz aus Szalafö gestartet bin, habe ich den Absprung geschafft und bin wieder auf Reisen.

Und jetzt die gute Nachricht: wir leben noch! Und haben keine Verkehrsunfälle verursacht!

Nicht lachen, denn so wirklich versprechen konnte ich es nicht. Ich wusste, dass es in den ersten Tage blöde Situationen geben wird und konnte nur hoffen, dass uns in genau diesen Momenten kein Auto entgegen kommen wird.

5 Reisetage haben wir jetzt hinter uns und ich bin so stolz! Vor allem auf die Jungs, aber auch auf meinen Hunde und mich.
Schwierige Situationen gab es viele, aber entweder sie wurden mit Bravour gemeistert, oder es kam uns eben gerade KEIN Auto entgegen.
Natürlich habe ich für die ersten Tage, v.a. für die schwierigen Gefällestrecken, Waldwege gewählt und nicht die Autostrassen. Und ich bin ausschliesslich Wege gelaufen die ich kannte und somit im Vorraus die Gefahren absehen konnte. Nicht dass hier ein falsches Bild entsteht...
Aber man kann nicht alles Gefahrensituationen im Vorfeld trainieren, dafür sind sie zu vielseitig.

Doch ich wusste, dass mit jedem Tag mehr auf der Strasse, mit jeder durchlebten Situation, mit jedem gezogenen Kilometern mehr, Max und Milan erfahrener, vertrauensvoller auf mich und eben auch müder und somit zu faul werden sich vor etwas zu fürchten. Und Gott sei Dank war es auch so.

Und so bin auch ich mit jedem Tag ruhiger und freudiger geworden.

Im Magen lag mir ja v.a. die erste Etappe, vom Schillingerberg 200 Höhenmeter nach unten. Mit voller Kutsche. Wo auch noch an der ersten steilen Strecke eine Rinderherde wartete.
Und am zweiten Tag unsere erste Ortschaft, aber auf Nebenstrassen und am dritten Tag Gottenheim auf der Haupstrasse. Mit viel überholendem Autoverkehr links und Radfahrern rechts.
Doch ich hätte mir gar keine Sorgen machen brauchen, alles ist gut gegangen!

Am ersten Tag hatten wir auch unsere erste Gefahrensituation, als, natürlich gerade als es schön bergab ging, eine Windböe die Plane meiner Kutsche erfasst, im ganzen hochhob und daneben nieder legte. Das ist mir in all den Jahren noch nicht passiert.
Zuerst ist Max in die Luft gesprungen und dann nach 2m vorne, kurz danach Milan und das wars auch schon gewesen. In solchen Situationen bin ich immer froh keine Rösser zu haben.

Und ich liebe meine im letzten Jahr neu installierte Kurbelbremse! Lothar musste ja alles selber bremsen, doch von Max und Milan kann ich das noch nicht erwarten. Durch sie kann ich je nach Situation hilfreich eingreiffen. Geht es steiler bergab und wir sind im Strassenverkehr, bremse ich so stark zu, dass die Jungs gar nichts mehr bremsen müssen, sind wir ohne Verkehr, lasse ich sie einen Teil mitbremsen, weil sie es ja könne müssen und geht es nur leicht bergab lass ich sie es selber machen. So haben wir uns eigentlich gut eingearbeitet.

Mit jedem Tag muss ich in weniger Situationen die Ochsen vorsorglich streng am Halfter nehmen, weil ich weiss, dass sie auch hier entspannt weiter laufen werden. Am fünften Tag konnte ich ihnen in der früh die Schuhe anziehen und ihr Geschirr anlegen ohne sie im Vorfeld aufgehalftert und angebunden zu haben.
Wir haben LKWs, schreiende Kinder, breite Gitter und Metallplatten quer über die Strasse, viel Verkehr, Ortschaften, Baustellen, Wendemanöver und fliegende Planen erlebt.
Nach all dem kann ich zum ersten mal mit wirklicher Sicherheit sagen: Schweiz wir kommen!

Samstag, 11. Mai 2019

Frau Ungeduldig

Frau Ungeduldig, könnte man mich in den letzten Wochen fast konstant nennen.
Denn das bin ich und darüber hinaus setzte ich mich unter Druck, bekomme kalte Füsse. Es ist halt doch eine andere Nummer allein mit zwei - auch noch jungen - Ochsen loszuziehen. Und zwei Hunden, wovon einer das Reisen auch erst lernen muss.
Und die Ochsen sind nicht Lothar, auf den ich mich so verlassen konnte.
Dabei vergesse ich gerne, dass Lothar erst durch das Reisen so verlässlich wurde. Vor dem Start 2013 konnte ich genauso wenig sagen, dass es klappen wird. So wie jetzt. Lothar konnte zwar einige Sachen besser wie Max und Milan heute, doch einige auch weniger gut.

Aber diese Unsicherheit ob alles klappen wird, ist schon zermürbend. Meine Freundin sagte neulich: «Eva, was ist denn mit dir los! Sonst bist du vor dem Losreisen immer fast geschwebt vor Freude und jetzt?»
Aber sie hat mich halt auch nur erlebt nach zwei Reisejahren, wo ich einfach wusste, wie Lothar in allen Situationen reagiert und mich so uneingeschränkt freuen konnte.
Helfen tut mir meine innere Anspannung gar nicht. Im Gegenteil. Max und Milan brauchen noch meine Ruhe um selber ruhig zu sein.

Nachdem es vor ein paar Tagen noch geschneit hat, habe ich das schlechte Wetter zum weiteren Training genutzt, und für eine Probetour und bin nicht losgereist. Das haben die zwei auch noch gebraucht. Nächste Woche hingegen soll es langsam wärmer werden und dann ziehe ich los.

Eigentlich ist es dem Leben gegenüber nicht fair, dass ich angespannt bin, denn äusserlich klappt eigentlich alles. Da fühle ich mich so, als lächelt das Leben konstant auf mich herunter. Allein die Einreisegenehmigung für die Schweiz ist so ein tolles, für mich so wichtiges Wunder.
Und dann bekomme ich auch noch ein neues Zelt zum halben Preis als Unterstützung für meine Reise. Ich brauche halt doch einfach ein 100% verlässliches Zelt und die sind normalerweise gigantisch teuer.
Und Max und Milan machen so viele Sachen soo gut für ihr Alter.

Also versuche ich mich einfach selber nicht so ernst zu nehmen in meinem Rumgebrodel. Und nicht so wichtig.
Und versuche einfach in das Leben zu vertrauen, dass alles klappen wird.
Eigentlich, tief in mir drin, wenn ich da mal zuhöre, ist das auch mein Gefühl.
Und in meiner Probetour letzte Woche konnte ich ich wieder einen Hauch der Freude atmen, die ich sonst immer gespürt habe.

Freitag, 3. Mai 2019

Max trifft seine Entscheidung

Es ist Winter.
Max und Milan kommen wieder ins selbe Winterquartier wie die letzten zwei Jahre. Sie kennen den Platz und die anderen zwei mittlerweile erwachsenen Rinder, Lotte und Britta. Nur Lothar, der unumstrittene Chef und ruhige Herdenmittelpunkt, fehlt dieses mal. .

Anfang November lasse ich Max und Milan also zu den beiden Damen auf die Wiese. Es dauert keine 5 Minuten und Max und Lotte gehen auf einander los. Nicht nur ein bisschen Rangelei, sondern mit richtigem Ernst versuchen sie einander in und durch den Zaun zu schmeissen. Da trete ich dazwischen und mache doch wieder die ganz grosse Wiese auf. Sollen sie es draussen austragen mit viel Platz.
Draussen geht es weiter. Max gegen Lotte, dann wird Milan von der viel mächtigeren Britta den Hang hinunter gedrückt. Gut, denke ich mir, Britta du musst jetzt als Älteste und Kräftigste Lothars Funktion der Herdenleitung übernehmen.
Alle Zäune bleiben erstaunlicherweise heil. Es wird viel gekämpft und dann in Grüppchen geruht. Es ist nicht ruhig, aber es funktioniert.

Nur kommt ja auch der Winter und irgendwann dürfen die Kühe nicht mehr auf der Weide sein, sonst gäbe es nächstes Jahr kein Gras sondern nur von Klauen umgepflügten Acker. So kommen die vier Herrschaften in den Offenstall mit angrenzendem Paddock. Immer noch luxeriös viel Platz für vier Rinder, doch jetzt nicht für diese Streithähne, wenn es um Futter geht.
Es wird wieder gerangelt, geschubbst und mit den Hörner gepieckst. Mal sind Lotte und Britta die Chefs und bekommen die «guten» Fressplätze, dann wieder umgekehrt. Genauso mit den favorisierten Liegeplätzen. Eimal schieben Max und Milan Britta und Lotte durch den Zaun und so finden die beiden Damen den Weg  zum Stall Nachbarn. Britta hat Verletzungen davongetragen.
Bei Lotte sieht man auch immer wieder Kratzer von den Hörnern auf der Haut.
Für solche Rangkämpfe ist das Areal nicht gedacht, zu schmal der Fressgang, zu wenig Ausweichmöglichkeiten.
Und so findet sich keine Ruhe. In den ersten zwei Monaten denken wir noch irgendwann MUSS sich doch die Rangfolge geklärt haben. Aber sie wird nicht gekärt.
Im Februar dann, nachdem Lotte wieder verletzt war, reicht es, und Max und Milan kommen auf ein gesondertes Areal draussen, aber mit einer angrenzender Seite zu Lotte und Britta.
Max und Milan werden völlig verrückt als sie merken, dass sie nicht mehr zu den Rindern dürfen. Sie kämpfen wild untereinander. Reissen auch einmal den Zaun ein.
Und dann wird es richtig blöd als Britta auf einmal noch stierig wird. Daraufhin reissen Max und Milan nochmal den Zaun ein und trennen Lotte brutal von Britta. Bei dem Versuch die beiden Gruppen wieder zu trennen kommt es zu einigen unschönen Momenten.
Max ist nicht mehr normal im Kopf. Er macht komplett auf Bulle. Wenn er jemanden sieht, scharrt er in der Erde mit den Vorderfüssen, dann mit den Hörnern. Da fliegen Erdbrocken durch die Gegend. Dann schabt er seinen Hals auf der Erde und lässt ein ganz wildes Bullenbrüllen los. Ausgerichtet auf den Menschen! Seine Augen sind auch nicht mehr normal. Sie sind nur mehr weit aufgerissen und man sieht viel weiss.
Am schlimmsten ist das um die Zeit der Brünftigkeit des anderen Rindes. Dazwischen beruhigt sich die Lage immer wieder, aber entspannt würde ich es nicht nennen.

Und das höre ich alles durchs Telefon, während ich in der Schweiz arbeite. Wo ich nichts anderes tun kann als zuhören und beten dass nichts passiert. Schlimm genug die Situation so wie sie ist. Noch schlimmer, der Gedanke es passiert einem Menschen was. An erster Stelle macht mich verrückt, dass nicht ich die sein kann, die sich in Gefahr begibt, wenn es mal sein muss.
Und dann habe ich noch eine Regel: greifft mein Ochse einen Menschen böswillig an, muss er sterben. Denn hat er es einmal gemacht, kann er es immer wieder tun.
Meine Reise steht dadurch auch wieder auf dem Spiel. Ich hatte vor 8 Jahren schon mal so eine Situation mit meinem ersten - falsch kastrierten - Ochsen, der mich nach 1 1/2 Jahren Training  von jetzt auf plötzlich auf die Hörner nahm. Ich weiss noch genau wie sich das anfühlt.
Solle es jetzt wieder so sein?

Noch sind es vier Wochen, die ich nicht weg kann aus der Schweiz.
Ich spüre die Angst in mir, dass was passiert, spüre was die Angst mit mir macht, dass sie mich klein macht und mich innerlich aussaugt. Tagtäglich.
So geht das nicht! Das ist kein Weg für mich! Ich muss in mir was ändern.

In meiner Not fange ich an vor dem Schlafengehen, oder auch mal dazwischen, wenn ich Zeit habe und alles ruhig ist, mich auf Max zu konzentrieren und in den Raum vor mir Worte ganz klar auszusprechen. Mehr oder weniger so:
«Max, ich möchte diesen Sommer mit dir und Milan losreisen. Das geht nur mit einem verlässlichen und ruhigen Zugochsen. Du hast die Wahl. Kommst du runter, bist nett und ruhig, darfst du mit. Bist du weiter der Bulle, dann darfst du «nach Hause gehen». Es ist deine Entscheidung! »
Und tatsächlich verändert sich in mir was mit der Zeit. Ich kann etwas tun und fühle mich wieder stärker, nicht mehr so verletzlich und schwach. Habe auch wieder mehr Vertrauen.
Und höre immer weniger über Max›s Fehlverhalten.
Ich merke, dass viel von unserem ersten Zusammentreffen abhängt. Wird der erste Kontakt gut, wird es gut und er wird durchs tägliche Training wieder runterkommen. Macht er da auf krassen Bulle...ja dann.
Es ist ein sehr eindrückliches Bild, wenn ein Tier mit so riesigen Hörnern vor dir den Bullen spielt. Ich kann nicht einschätzen, ob ich mich dann überhaupt auf ihn zutraue.

Als ich dann am 8. April endlich wieder selber vor ihm stehen kann, macht er es mir leicht. Augen weit aufgerissen lässt er sich aufhalftern (das ging im März zu einer tierärztlichen Untersuchung schon nicht mehr von einer anderen Person), kraulen und ein paar Meter führen. Das reicht mir für den ersten Abend.
Die nächsten Tage im Training sind schon spannend, weil Max und Milan einfach so viel Energie haben und aus einem Winter kommen, wo sie tagtäglich Rangkämpfen ausgesetzt waren. Das merke ich total in ihren Köpfen.
Doch Max ist nicht gefährlich. Macht er sein Bullenbrüllen, ist es nicht mehr aggressiv, klingt sogar manchmal wie ein Kälbchen wenn er mich sieht. Natürlich bekomme ich hin und wieder ein Horn ab, doch dann ist es aus Übermut, nie aus Böswilligkeit.
Und ganz langsam werden die Augen wieder kleiner und schauen wieder so aus wie von Zugochsen.
Jetzt, nach knapp vier Wochen Training ist er wieder ganz der Alte. Selbst, wenn wir mit der Kutsche an Rindern vorbei gehen, zeigt er nur die übliche Aufregung für andere Rinder, aber keinen Bullen.
Dass Britta wieder brünftig ist merke ich nur mehr an seiner Körperspannung beim Putzen, weniger Konzentration auf mich im Training und mehr Bullenbrüllen auf dem Paddock. Aber das ist es auch schon.

Er hat seine Entscheidung getroffen. Und ich bin sehr froh über seine Wahl.
Es ist so viel auf dem Spiel gestanden.

Mittwoch, 1. Mai 2019

Lothar es tut mir leid. Ich habe heute das Titelbild geändert und damit auch den Text.
Zwei Ochsen, zwei Hunde, ein Mensch. Eine Reise.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dich dadurch rausgeschmissen zu haben aus unserem Projekt.
Doch das hab nicht. Du bist noch da. Heute war Quinn zu Besuch, der dich so liebt, und ist zum ersten mal mit Max und Milan mit Kutsche gefahren. Auf einmal sagte er: «Und der Lothar schwebt jetzt über uns drüber.»
Du bist noch dabei. In anderer Funktion. Als Aufpasser, Beschützer, fürs Herz. Nur im Blogtitel konnte ich das nicht würdigen. Bitte entschuldige.