Dienstag, 30. Juli 2019

Gestrandet für Milan


Wirklich vom Fleck bewegen wir uns in den letzten Wochen nicht. Gerade haben wir die heisse Woche so schön südlich des Zürichsees verbracht. Auf einer unbezahlbar liegenden Wiese, dürfte man dort bauen. Wir waren über allem erhaben, dem See und dem darunter liegenden verbauten Uferstreifen. Einschlafen über dem See und aufwachen über dem See. Ein Luxus. Da habe ich nicht nein gesagt bei dem Angebot die heissen Tage zu verweilen.
Meine Karten der Schweiz habe ich mehrmals vor mir ausgebreitet und mich nach mehrmaligem hin und her tatsächlich für die Richtung Walensee, Rheintal und dann Davos entschieden. Ob es das dann wird ist ja egal. So haben wir auf jeden Fall wieder eine Ausrichtung.

Kaum den zweiten Tag unterwegs stimmt wieder was mit Milan nicht. An dem Tag müssen wir sehr viel bergab und irgendwann geht er tendenziell mehr nach vorne, aus dem Hintergeschirr heraus, statt zu bremsen. Das ist definitiv keine gute Richtung wenn es steil bergab geht. Zuerst denke ich mir nicht viel dabei, doch es wird stärker und er mag auch nicht mehr nach rechts abbiegen. Dann kräuselt er seine Oberlippe, also stimmt irgendwas gar nicht: er hat Schmerzen. Nichts dergleichen zeigt er wenn es bergauf geht oder gerade läuft. Da zieht er und arbeitet wie gewohnt. Doch kaum geht es wieder bergab wird er schnell, halte ich ihn zurück wirft er seine Hörner um sich herum und kräuselt die Nase. So geht es nicht weiter. Da es ohne Alternative weiter bergab geht wird es gefährlich. Trotz Bremse. Manchmal ist es wirklich brenzlig, da habe ich Angst dass er mir durchgeht. Aber wir kommen irgendwie HEIL unten an und ich suche SOFORT eine Wiese für uns. So können wir nicht mehr weiter.

Also sind wir erstmal wieder gestrandet.
Aus Erfahrung mit Lothar im ersten Reisejahr kenne ich das nur zu gut. Und irgendwie waren die Zeiten im Nachhinein immer wichtig. Also versuche ich mich nicht zu verspannen sonder im Gegenteil gespannt in die nächsten Tage zu blicken, was die nicht alles für uns parat haben.  Auch wenn ein krankes Zugtier nie ein gutes Gefühl ist!

Es gibt zwei Dinge zu erledigen: als erstes brauchen wir eine Wiese, wo wir auch ein paar Tage bleiben können, möglichst mit altem Gras, der Favorit für Max und Milan und ihrem Verdauungssystem.
Und dann brauchen wir eine Fachperson für den Bewegungsapparat von Pferden (für Kühe gibts das eher weniger). Die einzige Möglichkeit die ich sehe, woher es kommen könnte, liegt in seiner Wirbelsäule. Da mag er nämlich seid einer Woche an einer Stelle nicht mehr gebürstet werden. Und wenn bei mir ein Wirbel nicht richtig sitzt, dann strahlt das auch aus in unterschiedlichste Körperregionen. Er hat keinerlei Druck und Scheuerstellen vom Geschirr und da er, wenn es eben und bergauf geht, keine Beschwerden hat (er könnte ja Max den Zug überlassen, tut er aber nicht) kann es auch kaum von den Klauen und Beinen her kommen. Keiner Region an seinem Körper ist heiss oder geschwollen.
Also suche ich gezielt eineN PferdepysiotherapeutIn, ChiropraktikerIn oder OstheopatIn.

In solchen Momenten liebe ich mein Smartphone mit Internetzugang. (Es hilft nicht wirklich, dass gerade jetzt mein Akku sich zu verabschieden scheint und fast dauer geladen werden muss damit ich was machen kann) Erstaunlicherweise gibt es doch ein paar solcher Fachpersonen im 50km Umkreis. Doch überall Fehlanzeige: absolute Urlaubszeit in der Schweiz um den ersten August. Niemand ist zu Hause! Ab einer grösseren Distanz kann ich kaum hoffen, dass die Leute Milan irgendwie noch in ihren vollen Terminkalender packen können.

Zwischen telefonieren, auf ABs sprechen und auf Antwort warten, schaue ich mir die Gegend an und finde gleich oberhalb meiner jetzigen Wiese ein bis jetzt noch nie gemähtes Stück. Diese gehört nicht meinem Bauern, aber ich bekomme die Telefonnummer und habe so viel Glück! Sie gehört einem Bauern der selber früher viel mit Pferden gearbeitet hat und es immer noch gerne täte, hätte er die Zeit. Es ist für ihn gar keine Frage: natürlich dürfen wir auf die Wiese und erstmal bleiben!

Ach Leben, du sorgst so gut für uns!

Mehr als Absagen wegen Urlaub, trotz wirklich viel Wohlwollen der auschliesslich weiblichen Therapeutinnen, bekomme ich an unserem ersten gestrandeten Tag nichts zu hören, aber mit dieser Wiese bin ich schon sehr beschenkt und ein Stück weiter. Milan geht es so auf der Wiese stehen erstmal gut, auch am Halfter läuft er leichtes Gefälle ohne Anzeichen von Schmerzen.
Soweit so gut. Mehr kann ich noch nicht berichten.
Ausser dass es hier wieder soo schön ist. Wenn schon stranden, dann doch hier.

Dienstag, 23. Juli 2019

Ich wurde sehr freundlich dazu aufgefordert, doch ein paar mehr Fotos auf meinen Blog zu stellen. Und da ich diese Woche irgendwie eh nicht weiss, was ich schreiben soll, hole ich das jetzt und hier nach.
Leider lässt mich meine Kamera immer mehr im Stich, weshalb ich nur noch selten Fotos mache. Aber ein paar gibts schon, da hatte die Frau schon recht.









 

Sehr sehr schön die Texas Longhorn, v.a. in ihrer Farbenvielfalt. Aber wir sind schöner!

Montag, 15. Juli 2019

Eingelaufen


Für die ersten Wochen in der Schweiz habe ich mich ja aufs - für die Schweiz eher flache - Unterland festgelegt, um uns zusammen warm zu laufen. Und herauszufinden, wie die Jungs unter unterschiedlichsten Bedingungen reagieren und wie belastbar sie schon sind.
Da ich mittlerweile doch schon erstaunlich viele Leute im Norden der Schweiz kenne, habe ich einfach die Route nach ihnen grob orintiert. Und je nach Witterung sind wir zu den verschiedenen Anlaufstellen über die Hügel gelaufen oder haben uns eher an die Täler gehalten. Denn bis auf 1000 Meter geht es auch schon nördlich des Zürisees hoch und solche Steigungen sind bei 30 Grad nicht anzustreben.
So liefen wir erstmal ziemlich hoch und runter an der deutschen Grenze entlang Richtung Osten bis nach Kirchberg SG, um dann runter in Richtung Zürisee abzudrehen.
Mit den Steigungen konnten Max und Milan anfangs nicht so viel anfangen. Wieder mal ging viel Energie nur dadurch verloren, dass sie untereinander ausdiskutieren mussten, wer und ob überhaupt die Steigung angegangen wird. Schön, war es Anfang Juni noch recht kühl, so konnte ich sie auf einige «Berge» hoch schicken. Das spielte sich aber alles noch unter 700m ab. Also super zum trainieren. Den einen Hügel hoch und auf der anderen Seite wieder runter und dann wieder hoch.
Das Ausdiskutieren hat sich jetzt -toitoitoi- gelegt. Ich muss ihnen am Anfang vom Berg ihre Zeit lassen, dass sie sich ihm stellen, dh am Anfang gehts ewig langsam. Doch dann zieht -mein ehemals so fauler - Max an und gibt «Tempo» (falls man dieses Wort bei Ochsen überhaupt benutzen darf) und Motivation vor. Milan zieht mit, aber weniger motiviert (mit Ausnahmen. Er kann sich auch ins Geschirr legen!).
Unseren ersten «Pass», auf immerhin knapp 1000 Meter, hab ich mich letzte Woche aber trotzdem nur getraut zu laufen, da ein kühler Tag war. Er lag mir im Vorfeld nämlich ziemlich im Magen! Ich werde nie Lothars Zeit der Verweigerung am Berg vergessen. Diese Erlebnisse haben sich mir in jede Zelle eingebrannt.
Für uns hiess der «Pass», dass wir zum ersten Mal 200 Höhenmeter am Stück laufen müssen.
Aber Max und Milan haben ihn gezogen ohne zu murren!
Also habe ich sie am nächsten Tag gleich noch einen hoch geschickt. Nochmal 200 Höhenmeter, aber diesmal steiler (das war nicht geplant, aber kaum der Karte zu entnehmen). Da hat Max wieder den Zug angegeben und es bis oben geschafft (mit zweimal 5 Minuten Pausen in einer Kurve mit Platz).
Das praktische bei Max ist, dass man ihm sofort ansieht, ob er sich gut fühlt oder nicht. Wenn er erschöpft ist, oder es ihm zu heiss wird (STEPPENrind Max ist ein Sensiebelchen mit Hitze), werden seine Augen klein. Und am Ende dieser Steigung, anders wie am Vortag, war es dann auch so weit. Da hab ich dann, obwohl wir erst zwei Stunden an diesem Tag gelaufen waren, einfach eine Wiese gesucht. Eine lange Pause hätte auch gereicht, aber da es da gerade eh so wunder wunder schön mit Blick in die Alpen war und auch noch super nette Bauern am Wegesrand standen, habe ich ersteres gemacht.
In solchen Momenten bin ich immer so glücklich Zeit zu haben. Sind wir erst zwei Stunden gelaufen? Ist es irgendwo besonders schön? Habe ich den Eindruck eins meiner Tiere  ist nicht 100% fit? Wir halten! Total egal. Auch wenn wir  keine Kilometer schaffen, die schafft man mit Ochsen eh nicht.
Und wenn es auch jeweils «nur» 200 Höhenmeter am Stück waren, so zeigt mir die Kraft und Motivation schon, dass sich in den letzten Wochen was getan hat.

Jetzt laufen wir erstmal noch auf die Südseite vom Zürisee zu meiner letzten Anlaufstelle. Und dort werde ich dann Karten um Karten welzen und überlegen, in welche Richtung wir uns als nächstes orientieren. Ob ich mich schon in die Berge wage, oder lieber noch im Unter und Mittelland bleibe?
Das ist dann nochmal ein Schritt tiefer in das Reisen, wenn es keine Anlaufpunkte mehr gibt.
Und dadurch nochmal ein Loslassen.

Montag, 8. Juli 2019

Eins auf die Fresse


Ein Feiertag bei schönem Wetter.
Es ist relativ viel los auf den sonst so verlassenen Waldwegen. Also ein Tag zum übermenscheln für mich, da ständig Fotos gemacht werden. Ich liebe verregnete Sonn- und Feiertage (eine sehr selbstsüchtige Angelegenheit).
Nun laufe ich gerade in einen Wald, als mir wie aus heiterem Himmel auffällt, dass ich schon seid längerem kein Horn mehr von einem meiner Jungs abbekommen habe. In der anfänglichen Trainingsphase in diesem Frühjahr kam es schon immer mal wieder vor, dass ich schmerzhafte Zusammenstösse mit einem der vier mittlerweile riesigen Hörner hatte. Nie aus Böswilligkeit, meist einfach aus Übermut oder einfacher Unsensibilität. Und immer nur Beulen, oder nicht mal das.
Aber eben in den letzten Tagen, sogar Wochen: nichts. Auch das eine grosse Errungenschaft.

Keine 15 Minuten später: ein junger Hund springt um uns herum, Pepe freut sich und will auch spielen, also muss Piz an die Leine an meine linke Seite, weil sie sonst immer blöd macht aus lauter Eifersucht. Aber Piz findet das nicht toll und zieht, Pepe und der junge Hund sind zunächst dicht vor uns und laufen dann stürmisch auf einen Mann zu, der gerade ein Foto machen möchte. Eigentlich will ich, dass die Ochsen stehen, damit ich die Hunde unter Kontrolle bekommen kann, doch irgendwie drängen sie nach vorne und ich stehe plötzlich zwischen ihnen und zack hab ich Milans rechtes Horn im Gesicht, mit ziemlicher Wucht auf meine Unterlippe.
So wirklich weiss ich die nächsten Momente nicht mehr, weiss nur noch dass ich weiter laufe,  meine Hunde wieder vor mir, die Menschen und der junge Hund weg sind und ich auf der folgenden Wegstrecke alle paar Meter Blut spucke.
Da wären ein paar Eiswürfel gut gewesen, aber da die auf meiner Kutsche nicht zu finden sind, laufe ich weiter. Spüre wie meine Lippe anschwillt.
Grolle in mich rein und hoffe nur, dass mich demnächst niemand anspricht.

Aber ich hab schon noch Glück gehabt. Alle Zähne drin und die Schwellung könnte noch einschränkender sein. Zumindest kann ich einige Stunden später, wenn auch ganz ganz vorsichtig und langsam, schon mein Mitagessen essen.