Samstag, 24. August 2019


es herbstelt




Und auf einmal ist spürbar, dass nicht mehr Sommer ist, als hätte es einen Schalter umgelegt. Abends ists schon mal richtig kalt und so steigt die Freude am Feuer. Auch am Morgen. Selbst mein Halstuch findet den Weg von der Kutsche auch mal um meinen Hals. In der Früh ist alles erstmal nass vom vielen Tau und meine Zimmermannshose wird eigentlich schon kaum mehr von selber trocken auf der Leine. Und ists um sechs Uhr früh überhaupt schon richtig hell?
Das ändert wieder vieles am Reisen. Der Rhythmus wird ein anderer. Es ist kein Druck von aussen mehr da, dass wir früh starten müssen. Wir können wieder den ganzen Tag ausnutzen und erst am Nachmittag Wiese suchen. Die Sonne zwingt uns nicht mehr in Schatten, nein ich fange sogar an sie zu suchen um mich durchwärmen und trocknen zu lassen. Mal schauen, ob es für uns einen trockenen warmen Herbst geben wird. Im Moment sagt der Wetterbericht was anderes.
Die Ochsen sind gekühlt und bremsenplagegeisterlos sehr entspannt - gar überstellig. Wo haben sie denn ihr gutes Benehmen gelassen? War das nur von der Sommerwärme gedeckelt, oder waren wir einfach zu viel stationiert in den letzten Wochen? Ein solches Temperament macht es sehr verrführerisch sie die Berge hoch zu schicken. Vielleicht sind sie auch einfach stärker geworden über den Sommer und haben sich an unser Reisepensum gewohnt. Denn nach 5 Stunden laufen sind nicht mehr so körperlich ausgelaugt wie früher (wir hatten es aber auch luxeriös flach die letzten zwei Wochen, so flach wie noch nie in der Schweiz, zuerst in der Linthebene, dann am Walensee entlang und im Rheintal).

Wenn es so herbstelt, dann bekommt das Reisen automatisch ein Gefühl von Endlichkeit. Und auch was melancholisches.
Da wird einerseits automatisch jeder Tag intensiver gelebt um noch alles in sich aufzusaugen, jeder Minute unter freiem Himmel mehr genossen. Andererseits wächst auch die Freude auf vier Wände und eine Heizung wenn es viel regnet und einem das Moos aus den Ohren zu wachsen droht.

Dieses Jahr habe ich ja zum allerersten Mal seid Beginn meiner Ochsenreisen den Luxus keinerlei Winterquartier suchen zu müssen. Max und Milan dürfen mit mir den Winter im Tessin verbringen. Das bedeutet für mich mehr als ein Monat mehr Reisen zu dürfen. Sonst habe ich ab Mitte September intensiv angefangen zu suchen und bin mehr oder weniger gar nicht mehr aus einer Region herausgekommen. Jetzt müssen wir zum ersten Mal schauen, dass wir zu einem gewissen Zeitpunkt irgendwo ankommen. Das ist was völlig anderes. Aber nur wenn ich falsch denke. Denn ich kann die Ochsen und Kutsche ja auch immer verladen. Das müsste ich auch, sollte ein früher Wintereinbruch meinen Pass früh schliessen lassen. Ohne Pass kommt man nicht ins Tessin. Mittlerweile hoffe ich tatsächlich, dass dies nicht passiert.
Denn dieser Herausforderung würde ich mich dieses Jahr gerne noch mit Max und Milan stellen. Ich hoffe, die zwei denken genauso.

Freitag, 16. August 2019


Eine Behandlung hat nicht gereicht zum Weiterlaufen. Aber nach der zweiten Behandlung war Milan so entspannt wie schon lange nicht mehr. Und nachdem die ersten zwei kleinen Probetouren einigermassen verlaufen sind, mache ich mich nach fast zwei Wochen Pause mit einem schon etwas mulmigem Gefühl wieder auf den Weg. Am ersten Tag habe ich mir die erste Wiese sogar nach nur mal 5km vororganisiert und auf der ganzen Strecke gibt es nur einen Berg zum runterlaufen. Dadurch war es ziemlich unproblematisch. Am zweiten Reisetag geht es gar ausschliesslich ganz flach, also Milans Lieblingsterrain. Und da packt er auch gleich wieder seine Rennschuhe aus und zieht die Kutsche samt dem bald schon müden Max Kilometer um Kilometer forsch voran. Das ist die einzige Situation in der er kein Mass mit seinem Körper kennt, wenn die Temperaturen auch noch stimmen. An dem Abend ist er fix und fertig. An diesem Tag bekommen wir Besuch von einer Freundin und dafür, dass Max und Milan auch ihr Zeug ziehen, positioniert sie sich wenn nötig an die Bremse und kann sie dadurch so fein einstellen, dass die Jungs gar nichts mehr Bremsen müssen. Ich finde das einen so schönen Deal denn so haben beide Parteien Urlaub! Und auch für mich. Ein Lager lässt sich schon um einiges schneller auf und abbauen, wenn vier Hände am Anpacken sind. Deswegen bin ich jetzt schon ein gutes Stück weitergelaufen, kann aber noch nicht hundertprozentig sagen, dass Milan wieder ganz in Ordnung ist, weil er nie wieder in einer ähnlichen Situation war.

Es gibt ein ganz lustiges Video von uns. Viel Spass damit. Ich muss immer lachen. Darauf lässt sich auch sehen, wie Milan (der Linke) forsch zieht und Max sich mitschleifen lässt.

Sonntag, 4. August 2019

Leben ich lege mich in deine Hände.
Offen und verwundbar.
Ich gebe mich dir hin und lasse dich machen was du braucht, um die Welt so zu gestalten wie du es für richtig erachtest. Um sie für alle fühlenden Wesen einen freudigen, glücklichen, ehrlichen, offenen Platz zu machen. Wenn auch nur für einen Moment. Oder viele.
Benutze mich, leite mich, lehre mich.

Mit jeder Zelle gebe ich mich dir hin. Möchte mich dir in jeder Sekunde meines Lebens hingeben.
Und alles loslassen. Auch jedes Verlangen loslassen. Und das Wollen.

Lass mich das bitte nicht vergessen, wenn es mal wieder nicht so läuft wie ich es mir vorgedacht habe. Was verstehe ich denn schon! Ich kleiner Mensch in diesem ganzen grossen Gefüge!

Lass mich bitte auch in den Zeiten, wo ich das nicht schaffe, gerade dann, deine Hände, deinen Halt, deine Nähe spüren.


Donnerstag, 1. August 2019

Der nächste Tag beginnt gut. Ich bekomme eine SMS mit dem Angebot einer Physiotherapeutin am Mittag zu kommen! Was für eine Erleichterung.
Also packe ich unser Lager wieder zusammen und ziehe noch vor dem Termin mit Sack und Pack auf die gestern organisierte Wiese. Besser Milan muss danach nicht mehr eingespannt werden. Um dorthin zu gelangen müssen wir einen Bogen laufen und haben am Schluss ein kleines Stück bergab. Über Nacht ist leider kein Wunder passiert: Milan geht wieder nach vorne weg und will die Kutsche nicht halten. Schwer ist er zu handeln in dieser Situation. Und Max nutzt das gleich schamlos aus.
Aber schlussendlich steht die Kutsche am neuen Platz.
Eine Weile später kommt dann unsere Hilfe in Form einer jungen Frau. Ich bin froh, dass sie nicht gleich wieder ins Auto steigt, nachdem sie Milans Hörner gesehen hat.
Als erstes tastet sie Milan ab. Bei einem Pferd wären die Schmerzen beim bergab Laufen in der Schulter zu suchen, meint sie, da sei bei Milan aber alles locker. Er hingegen hat einen stark verspannten Lendenwirbelbereich. Also werden die Muskeln mit Hilfe von Elektropads entspannt.
So sicher bin ich mir ja nicht, wie Milan das mitmachen wird. Also füttere ich ihm immer wieder Fallobst, aber im Verlauf scheint mir, dass sei eher zu meiner Beruhigung als zu seiner, denn eigentlich macht er sehr gut mit. Es tut ihm gut, er hebt die Schwanzwurzel und bewegt sein Hinterteil kaum vom Fleck. Nur die Vorderbeine und der Kopf orientieren sich an meinen Äpfeln. Selbst bei stärkster Stromstärke, was wohl schon kribbeln soll, hebt er hin.
Nachdem diese Muskeln weich sind, wird Milan noch mit einem Laser akupunktiert. Es ist das erste Mal, dass ich das bei einem Tier erlebe. Das Gerät ist um einiges grösser als beim Menschen! Bei den Punkten an den Hinterbeingelenken und der Niere macht er erstmal ein bisschen dumm, dann gibt er sich hin und schliesst die Augen. Das scheinen die Richtigen zu sein.
Es ist schön über die Zeit der Behandlung zu verfolgen, wie sich Therapeutin und Patient zusammenarbeiten. Und Milan schlägt kein einziges Mal mit den Hörnern! Von Lothar bin ich einfach anders Verhalten gegenüber TierärztInnen und TherapeutInnen gewöhnt.
Je mehr ich sehe wie sich mein Ochse entspannt, desto mehr entspanne ich mich auch und sitze mehr, als dass ich herum stehe.
Nach einer abschliessenden Massage und Überprüfung der Muskeln ist alles getan, was sie tun kann. Und somit auch für mich und Milan. Jetzt soll er sich 48h Ausruhen und dann sehen wir weiter.
Bitte schickt noch alle guten Gedanken, die ihr übrig habt an Milan und einen gesunden Bewegungsapparat, damit wir bald wieder auf Tour sein können!