Mittwoch, 24. Juni 2020


Ich war vor einiger Zeit eingeladen bei einem Tessiner Bauern. Keiner spricht wirklich Deutsch und ich ja gar kein Italienisch. Aber es geht auch irgendwie so. Google steht hilfreich zur Seite, versagt aber im Detail.
Das Haus ist voller Jagdtrophäen, war doch der verstorbene Vater schon Jäger und der jetzige Bauer auch. An den Wänden überall ausgestopfte Gemsen, Hirschen, Auerhuhn… Hirschgeweihe und Pokale.
Wir sitzen in der Küche. Auch Piz und Pepe dürfen ins Haus und uns Gesellschaft leisten.
Nach einiger Zeit knurpselt es unterm Tisch. Ich denke mir nichts dabei, außer dass Pepe wohl einen Knochen oder eine trockene Nudel unter der Eckbank gefunden hat. Doch der Bauer wird hellhörig und schaut nach.
Und dann sagt er: lepre. Das Wort habe ich schon gelernt, heißt:Hase, aber was macht das für einen Sinn? Den Gestiken folgend werde ich erst bleich und dann rot. Auf dem Treppenabsatz steht ein ausgestopfte Uhu der auf einem ausgestopften Hasen steht und diesem Hasen: fehlt ein Ohr. Darunter schaut die Strohfüllung heraus.
Wie unangenehm! Ich gehe zurück und entschuldige mich. Die Leute nehmen es gelassen und lachen mit den Worten: der sei eh alt. Aber trotzdem. Sehr sehr unangenehm!

Samstag, 13. Juni 2020

Der Pass


 Nach vielen Tagen mit Regen im Bedretto und Neuschnee auf dem Nufenen, zeigt der Wetterbericht einen durchwachsenen und einen trockenen Tag für den Pass an. Danach folgen wohl wieder Tage mit Regen. Also habe ich keine Wahl, wenn ich ihn endlich angehen möchte.

Zwei Tage ist schon riskant, weil zwei brauche ich auf alle Fälle. Da muss aber alles klappen und für den dritten Tag werden Gewitter angezeigt, bei denen ich sicherlich nicht auf den Pass sein möchte. Der Nufenen hat wettertechnisch keinen guten Ruf. Wind sowieso immer und viel wüstes Wetter weil aus unterschiedlichen Richtungen Strömungen zusammen kommen.

Das, zusammen mit der Tatsache, daß Max und Milan zwar schon viel in den Bergen waren, aber noch wenig vor der Kutsche macht mir schon ein mulmiges Gefühl. Knapp 2480 Meter Passhöhe tragen dazu auch ihren Teil bei.

Die vorhergehenden Regentage habe ich aber ausgiebig genutzt um Nufenen und Gotthard mit dem Auto zu erkunden und eventuelle Rastplätze auszukundschaften, wo es auch schon Gras gibt (ab 1800m wirds knapp und ab 2000 ist eigentlich noch gar nichts da). Dafür habe ich aber zwei Kleinballen Heu auf der Kutsche. Dh ein Tag ohne Gras kann überbrückt werden.

Schlussendlich ist mir dann aber egal, dass der Gotthard niedriger ist und mehr Gras hat, mich zieht es einfach auf den Nufenen.

Das Wetter scheint uns zuzulächeln, als ich zusammenpacke. Alles wird trocken verstaut. Und selbst die Sonne lässt sich blicken es als wir los laufen. Noch einmal rede ich mit meinen Ochsen und erkläre ihnen, was vor ihnen liegt und dass ich zwei starke Tiere brauche die nächsten zwei Tage.

Und wie sie ziehen, die zwei.
Sie steigern sich manchmal sogar auf ein schnelleres Sehrlangsam. 600 Höhenmeter, mehr als die Hälfte, ist mein Etappenziel heute mit vororganisierter Wiese. Aber ist es auch Max und Milans Ziel?

Leider ziehen in der Mittagspause Wolken auf und gerade als ich essen will, fängt es an zu regnen und wird kalt. Das kann ich auch nicht ändern durch weiter laufen, denn die Jungs haben ihre Pause verdient nach den ersten 350 Höhenmetern. Leider bessert sich das Wetter nicht besonders, aber beim Laufen ist es warm genug und die kühlen Temperaturen für die Ochsen zum Laufen besser.


Und wie schaffen es tatsächlich auf die Wiese auf knapp über 2000 Höhenmetern. Das ist eine immense Erleichterung. Mehr als die Hälfte geschafft.
Es regnet immer wieder. Mal stärker mal schwächer. Dazu Wind. Da wird es sehr schnell kalt. Um uns herum Altschneefelder.


 Schon an diesem Abend zeigt nur noch ein Wetterbericht gutes Wetter für den nächsten Tag. Der andere hat schon leichten Regen drin. Sorgen machen mir dabei die tiefen Wolken, die uns auf der Straße unsichtbar machen.

Der nächste morgen beginnt ähnlich ungemütlich, wie mich der vorhergehende Abend ins Zelt gejagt hat. Eine kurze Regenpause gibt es aber zum Zelt einpacken.
Mit zwei Paar Hosen, Hemd, Weste, Wolljacke, Regenjacke und Regenmantel bekleidet machen wir uns auf den Weg. Noch sind die Wolken ein Stück über uns. Nach den ersten paar sehr motivierten hundert Meter von Max und Milan verfallen sie in ihr sehr sehr langsam. Sind wohl doch müde von dem vorhergehenden Tag. Solange keine Menschen um uns sind, die uns begaffen und ungefragt Fotos schießen, ist mir das egal. Hauptursache sie laufen. Aber trotz schlechtem Wetter ist mehr los auf der Passstraße als am Tag zuvor. Klick. Klick. Klick. Klick, höre ich nur.


Solange ich laufen kann ist's mir warm, aber an eine Pause ist nicht zu denken. Auch nicht daran, kurz vor dem Pass unser Lager aufzustellen. Da sind wir alle krank, wenn ich uns der Kälte mit dem Wind aussetzte. Also Schritt für Schritt für Schritt, Höhenmeter um Höhenmeter weiter. Milan ist überhaupt nicht motiviert. Max, dessen selbst gewählte Aufgabe ja das bergauf ziehen ist ( Milan zieht dafür die Gerade), läuft aber einigermaßen. Wenn auch nicht so gut wie gestern.

Bald holen uns die Wolken ein und die Sicht nimmt dramatisch ab.
Eigentlich ist das zu gefährlich. So langsam wie wir sind. Trotz Beleuchtung. Als die Sicht unter 50m geht halte ich an einem Parkplatz und warte. Da ist der Wind auch mal für was gut, weil er die Wolken schnell wieder vertreibt (aber natürlich auch schnell wieder bringt). Umkehren? Nach so vielen Höhenmetern und nur der Aussicht auf weitere Regentage? Dann lieber weiter im Vertrauen, dass schon alles gut kommt und Lothar auf uns aufpasst.

Altschneewände säumen die Straße.


Mir erscheinen sie riesig, obwohl mit gesagt wurde, das es dieses Jahr wenig ist. Trotzdem eindrücklich, Max und Milan in einer solchen Umgebung zu sehen. Und irgendwann, in der dicksten Nebelsuppe sind wir dann oben. Stehen vor dem Schild: Passo del Novena 2478m. Max und Milan sind tatsächlich auf fast 2500m!
Unglaublich. Wäre es nicht so saukalt und ungemütlich wäre ich jetzt sentimentaler. Ich muss mich sogar zwingen den Fotoapparat auszupacken. Eigentlich will ich nur raus aus dem Wetter. Denn dieses Wetter hat etwas existenziell bedrohliches. Es geht nicht, einfach abzubrechen und ein Camp aufzubauen. Es geht nicht anzuhalten und die Tiere rasten zu lassen. Es ist kein Spaß hier oben zu sein.

Steil ist das erste Stück nach dem Pass, das weiß ich von abfahren mit dem Auto. Deshalb ziehe ich beide Bremsen so fest an, dass die Ochsen selber gar nichts mehr Bremsen müssen. Das finden sie zwei aber toll! Leider werden die Bremsen dadurch auch ziemlich heiß, weshalb ich ihnen diesen Luxus nur am Anfang gönnen kann. Und so werden wir bald ziemlich schnell und winden uns Kurve um Kurve ins Wallis hinunter. Bis wir sie endlich über uns zurück lassen. Die Wolken. Nicht den Regen.




Wir sind alle ziemlich fertig. Bis auf Pepe, der mir zweimal abhaut um seinen geliebten Murmeltieren nachzustellen und mich zunächst Tugend, dann brüllend an der Straße stehen lässt. Da werde ich ganz schön böse.
Von oben sehe ich die erste Alp und sogar ein Auto am Alpgebäude. Bitte bitte lass es noch da sein, bis wir dort ankommen! Und wir schaffen es! Gerade will das Auto auf die Straße heraus fahren als wie ankommen. Der Bauer gibt uns das OK für ein Bleiben. Besser kann es gar nicht sein nach 5 ½ Stunden durch marschieren. Vor dem Zaun aufbauen brauche tatsächlich ich auch erstmal eine Pause. S
anders dieser Pass als letztes Jahr der Lukmanier. Da hatten wir gutes Wetter und er war auch 500 Höhenmeter tiefer. Aber wir haben es geschafft. Max und Milan haben es geschafft!! Aber ein Spaß war es nicht.
Danke an alle, die auf uns aufgepasst haben.




Sonntag, 7. Juni 2020

Nufenenpass, du bist wirklich frech. Jetzt warte ich schon so lange darauf dass du endlich aufmachst, arbeite mich seid zwei Wochen Stück für Stück zu deiner Schranke vor. Im Moment trennen Ochsen und Schranke noch vier Kilometer. Heute hast du sie geöffnet, aber heißt das, dass ich gehen darf? Nein! Du schleuderst mir schlechtes Wetter entgegen. Schnee, nicht viel, aber täglich, sammelst du auch noch in den nächsten fünf Tagen auf deinem Haupte und lässt mich dadurch ziemlich unschlüssig zurück.

Eigentlich ist es zu gefährlich zu laufen. Nein, sicher ist es zu gefährlich zu laufen. Max und Milan haben keine Winterreifen. Auch sind sie sicher nicht begeistert auch ihr Futter unter Schnee zu suchen. Dazu kommt noch die damit verbundene Rutschgefahr.

Anderseits könnte auch alles gut gehen, der Schnee schmilzt oder kommt erst gar nicht oder nicht so tief wie angekündigt. Die Straßen frei. Doch wenn nicht?

Nur will ich GEHEN! Jetzt habe ich genug im Bedretto rumgedümpelt und auf vier Tage im Zelt bei Regen habe ich hier auch keine Lust. Ich kann im Moment nicht mal im Computer schreiben, da dessen Akku am sterben ist und zuviel Strom braucht, welcher bei Regenwetter nicht unendlich lieferbar ist. Jetzt gerade tippe ich ins Smartphone, aber das ist mühsam.
Gemein von dir mich entweder hier zu behalten oder auf Risiko zu gehen. Aus jedem Scheiss kommt was Gutes, was ist es diesmal??