Dienstag, 25. Mai 2021

Es kommt wie es kommt, wie es kommt

 

Mit unserem „persönlichen“ Park und Naturschutzgebiet, in welchem die Ochsen den Rasenmäher spielen dürfen, habe ich so Glück! 
Und viel Zeit.

Zeit den unzähligen Vögeln zuzuhören, die sich auf dieser „Insel“ gern aufhalten, wo doch ausserhalb die stark landwirtschaftlich genutzte Ebene des Südtessin liegt. Ich lerne sogar die Zwergohreule kennen, da sie mir die ganze Nacht ihren einzigen Ton, wie aus einer Blockflöte, monoton ins Ohr pfeift. Davon gibt es nur 30-40 Brutpaare in der ganzen Schweiz.

Und ich habe viel Zeit mich mit dem Besitzer zu unterhalten und mit ihm die ein oder andere Zigarette zu rauchen. In einem Gespräch kommen wir auf Max‘ Probleme zu sprechen und dass er eigentlich einen Pferdechiropraktiker bräuchte. Daraufhin verweist er auf seinen Nachbarn mit den - sage und schreibe - 120 Rössern. Und auch mir erscheint diese Anzahl vielversprechend, was das Wissen um einen Chiropraktiker betrifft.

Als ich den Stallbesitzer anrufe und erfahre, dass zu ihm eigentlich schon längst einer aus Bern hätte kommen sollen, kann ich mein Glück kaum fassen und rufe jenen SOFORT an, um zu fragen, ob er wirklich kommt und wann und auch zu uns?

Der Chiropraktiker meint zuerst, ich erlaube mir einen Scherz mit ihm, mit meiner Bitte meinen Ochsen einzurenken und verweist darauf, dass er nur mit Elefanten arbeite. Aber dieses Missverständnis ist schnell geklärt und ich mache innerlich gefühlte 20 Luftsprünge, als er sich Bereit erklärt, sich auch Max anzuschauen. Unter Vorbehalt erstmal, da er eigentlich nur mit Sportpferden arbeitet und noch nie eine Kuh unter den Händen hatte. Und er kommt in einer Woche!

Was haben wir wieder für ein Glück. Da stolpern wir förmlich über einen für uns so wichtigen Menschen, nachdem ich in den letzten Jahren so viele erfolglose Telefonate geführt habe. Einfach so!

Die Woche vergeht eigentlich schnell, ich frage mich manchmal schon, was ich so den ganzen Tag mache, aber zu tun gibts immer irgendetwas. 

Ich bin schon aufgeregt, hängt doch ALLES von gesunden Zugtieren ab.

Auch mein ganzes Seelenheil.

Der Chiropraktiker ist sehr nett, freut sich über die Ochsen und ist selber kurios, ob er bei ihnen was ausrichten kann. Max merkt sofort, dass etwas Gutes mit ihm geschieht und hebt schon beim ersten Abtasten des Rückens seinen Schwanz (ein Zeichen des Wohlgefallens). Und lässt sich seine Hüfte problemlos einrenken. Kurz danach ist Max‘ stark verspannte Hüftmuskulatur schon weich. Nach diesem Erfolg hätte ich am liebsten, dass er gleich den ganzen Ochsen durcharbeitet, wenn ich ihn schon mal da habe. Doch muss ich mich erstmal damit zufrieden geben. Und das bin ich natürlich auch! Schon so bald zu merken, dass Besserung eintritt ist ein großer Stein, der von meinem Herzen rollt.

Jetzt muss Max ein paar Tage stehen und dann werde ich mich Richtung San Bernardino aufmachen. Und schauen, wie Max sich macht. Ich hoffe so so sehr, dass er wieder Freude an den Bergen haben wird!!!!

Montag, 17. Mai 2021

Fußweh trifft auf Hüftweh

 

Gezwungenermaßen lehre ich Max und Milan, sich von hinten fahren zu lassen. Freiwillig hätte ich das nicht gemacht, weil ich finde, dass meine Position an der Seite von den Ochsen und somit vorne ist. Zufuss. Wie sie auch. Zum einen bleibe ich da wach, auf der Kutsche selber werde ich gerne schläfrig, erarbeite mir alles Distanzen selber und kann noch mein Gewicht als zusätzlichen Luxus auf der Kutsche verstauen.

Seid letztem Herbst habe ich aber Probleme mit meiner rechten Ferse. Schon als wir über den Gotthard gezogen sind, habe ich mich gewundert, wieso ich so früh immer müde werde. Bis mir aufgefallen ist, dass nicht mein Körper müde wird, sondern nur der Fuss.

Über den Winter wurde es stärker, bis ich anfing Dehnübungen gegen Fersensporn zu machen. Dadurch habe ich es ziemlich gut in den Griff bekommen. Solange ich die Übungen regelmäßig zweimal am Tag machte hatte ich meine Ruhe.

Jetzt mit Beginn der Tour und der damit verbundenen stärkeren Beanspruchung des Beines ist alles wieder da und noch verstärkt.

Die Freude an Touren in die Berge ist dieses Frühjahr gar nicht vorhanden. Auch bin ich mehr im Camp als die Sommer davor. Meist unbewusst, bin einfach gern„zuHause“, aber wenn ich genauer darüber nachdenke, dann ist es der Fuss. Nur in Ruhe geht es ihm nämlich richtig gut. Ansonsten habe ich meist nach höchstens einer Stunde starken Druckschmerz in der Ferse, wenn ich den Fuß belaste, wehe Fersenknochen, entzündete Sehnenansätze und Knacken im Gelenk.

Doch wenn ich keine Lust mehr habe zu laufen, wird ja auch mein Zugang versperrt zu dem Weg, der mir soviel Glück und Frieden bringt. Was soll nun das schon wieder. 

Ich werde mal wieder gezwungen noch langsamer zu machen. Umso dankbarer bin ich, dass ich gerade so viele Möglichkeiten zum Verweilen mit den Ochsen habe. Zumindest bin ich da nicht im Weiterziehzwang.

Zu was mich das Leben damit auffordern will, weiss ich noch nicht und sperre mich auch noch dagegen. Ich hoffe sehr, dass ich mit mehr Dehnübungen, Einlagen und Salben, den Sommer genauso zu Fuss erlaufen werde, wie die letzten auch. Und für den Fall, dass es zu weh tut, müssen Max und Milan halt lernen, mich doch mit zu ziehen.

Doch nicht nur ich schwächle dieses Frühjahr, auch Max scheint Probleme mit einem Bein zu haben. Wenn er müde ist, schleift er mit der Klauenspitze über den Boden. Und auch er hat dieses Jahr gar kein Interesse an unseren Touren in die Berge ohne Kutsche. Da sind wir uns leider einig. Letztes Jahr hatte er so Freude daran. Genauso wie ich. Das Problem scheint mir aber nicht im Bein zu liegen, sondern eher aus der Hüfte zu kommen. Diese ist auch sehr verspannt, auch sein Schwanzansatz. Er hat sich ja eigentlich schon immer sein eines Bein nach aussen aus der Hüfte heraus gedehnt, ganz von selber. Vielleicht als Folge seines Senkrückens. Seid diesem Winter macht er es aus beiden heraus. Die einzige Chiropraktikerin, die sich ins Tessin aufmacht, ist aber noch im Mutterschutz. Das habe ich schon im Januar herausgefunden, als ich beiden Ochsen ihre jährliche chiropraktische Wellnesskur gönnen wollte.

Die drei Regentage vor zwei Wochen habe ich genutzt, mich in ein englischsprachiges e-book über Chiropraktik am Pferd einzuarbeiten.. Das ist sehr interessant und ich lerne dadurch, Max‘ Verspannungen besser spüren zu können. An das eigentliche Einrenken traue ich mich aber nicht heran. Aber ein paar Dehnübungen übernehme ich aus dem Buch und andere aus dem Internet. Sie sind Max zwar erstmal fremd, doch dann lernt er sie zu schätzen. Und wird auch so immer weniger verspannt. Laufen wir im Flachen, auch längere Strecken, merke ich schon nichts mehr. Aber so ein bisschen bleibt ein mulmiges Gefühl für künftige Steigungen.


abendliche Trinkrunde an den Ticino


Dienstag, 11. Mai 2021

Meine allerliebsten Hühnchen!

 

Es ist Zeit, dass Max und Milan lernen von hinten gefahren zu werden. Mit so viel Möglichkeit zum Verweilen im Südtessin, gehe ich das jetzt an, wenn auch gezwungenermaßen. Und ein Mensch hier aus der Gegend freut sich, uns beim ersten Versuch behilflich zu sein. Denn das erlaubt mir noch vorne bei den Ochsen zu laufen, während schon jemand hinten auf dem Bock sitzt und die Signale über die Leinen zusammen mit meinen Stimm- und Körpersignalen gibt.

Da wieder viel Regen und eventuell Gewitter angesagt sind in den nächsten Tagen und ich auf der Wiese, besser Park genannt, noch länger bleiben kann, werde ich an diesem Tag auch noch mein Camp um einige hundert Meter versetzen, damit ich unter dem alten Baumbestand heraus komme. Ich sehe nicht gern mein Zelt kaputt wegen eines hinunter gefallenen toten Astes. Also packe ich bis auf Zelt, Ofen und Hühner schon alles ein, damit ich die Kutsche nach der Trainingsfahrt gleich am neuen Platz parkieren kann. Den Rest will ich später nachholen, also auch die Hühner. Ihr Platz auf der Kutsche wird nämlich gebraucht, dass meine Hilfe dort sitzen und die Leinen halten kann. Also habe ich da schon Decken hingelegt, damit es sich bequemer sitzt.

Während ich Milan als ersten an die Deichsel anbinde und die Zugstränge befestige, sind mir die Hühner ständig im Weg. Eine sitzt auf der Deichsel, die andere ist schon auf der Kutsche. Und als ich Milan fertig an der Kutsche „montiert“ habe, schaue ich zurück und mir zieht sich mein Herz zusammen. Denn die Hühner sind auf ihrem Platz auf der Kutsche, wo eben sonst ihre Box steht und haben sich auf die bereiteten Decken schön eng beieinander so eingekuschelt, wie sie es eigentlich im Stroh ihrer Box während der Reise machen.

Sie wollten sicher stellen, dass sie mitkommen, wenn wir jetzt los ziehen. Sie haben die Dinge lieber selber in die Hand genommen, anstatt sich von mir - in ihren Augen - vergessen zu lassen.

Ein paar Tage lang war dieses Huhn krank. Dabei hat es herausgefunden, dass meine Beine eine warme Sitzstange sind.

Samstag, 8. Mai 2021

Vor mir fliesst der Fluss Ticino mächtig dahin. Er bringt mir so viele Grüsse vorbei. Grüsse vom Lukmanier und dem Bleniotal, wo wir vor zwei Jahren zum ersten Mal mit der Kutsche Tessiner Boden betreten haben. Grüsse aus Prato Leventina, unserem Winterquartier. Grüsse vom Gotthard, Nufenen und vom Bedrettotal, wo wir letztes Jahr unseren schönen Frühling verbracht haben. Aus all den Gegenden des Tessins, wo wir bis jetzt waren, ist ein Teil davon soeben vor mir. Und macht mich wehmütig und dankbar. 

 Ich bin so eine Idiotin. Meinen ersten Eindruck von der Gegend kann ich errötend in die Ecke stellen. Die Leute hier sind nur eines: NETT. Es ist gar kein Problem eine Wiese zu finden. Ich bin mittlerweile wieder so in meinem glücklich-zu-Reisen-alles-ist-gut-Feeling, dass ich mir überhaupt keine Gedanken oder Sorgen über eine Wiese mache. Nicht einmal in der dicht besiedelten Gegend um Bellinzona herum. Da mussten wir schon Strecke machen, denn wo keine Bauern sind, kann ich auch nicht fragen, aber es ging auch wieder alles reibungslos: kaum in der wieder von Landwirtschaft genutzten Ebene angekommen, hatten wir sofort eine Wiese. Für mehr oder weniger egal wie lange. Ich werde umsorgt, wie kaum in einer anderen Gegend. Auf der Wiese, die ich mir im letzten Blog Artikel noch organisiert habe, bin ich schlussendlich mehr als eine Woche geblieben, weil es immer mehr und mehr Wiese dazu gab. Und so habe ich die Menschen dort kennen und schätzen gelernt. Pro Tag haben mich um die drei Menschen gefragt, ob ich irgendetwas brauche. Oder haben mir einfach was vorbei gebracht.
Ich weiss nicht, was mich am Anfang so nervös hat werden lassen. Ich mein, ich weiss es schon, aber ich verstehe nicht, dass  ich mich davon habe so beieinflussen lassen. Um so dankbarer bin ich den Menschen von Iragna, weil sie mich durch ihre Nettigkeit sofort in mein Vertrauen ins Leben und meine Tour mit den Ochsen zurück gebracht haben.