Samstag, 31. Juli 2021

Jeden einzelnen Tag

 Jeden einzelnen Tag meines Lebens freue ich mich, dass meine Ochsen Teil meines Lebens sind. Ich werde ihnen nie überdrüssig. 

Im Gegenteil. 

Eigentlich muss ich es sogar so ausdrücken: jeden einzelnen Tag meines Lebens ist es ein Segen und eine Ehre, Teil ihres Lebens sein zu dürfen.

Alle Jahre wieder


Vom Unterengadin laufen wir bei sehr schönen Wetter ins Oberengadin. Zuerst schiebe ich es nur auf den Inntalradweg, aber schlussendlich sind sie überall: Menschen! Auf Fahrrädern, E-Bikes, zu Fuß. Die gefühlte halbe Schweiz scheint gerade Urlaub in Sankt Moritz und Umgebung zu machen. Und alle haben sie es dabei: ihr Smartphone. Und wo viele Menschen aufeinander treffen, oder im Urlaub sind, da wird nicht mehr gefragt: „darf ich?“, sondern auf den Auslöser gedrückt. Wieder und wieder. Und der Mensch daneben auch und der daneben auch und der daneben auch. Foto Foto Foto Foto Foto Foto Foto Foto Foto Foto Foto Foto Foto Foto

Weder sehe ich ein Lächeln, noch Freude über die Ochsen (was mir wiederum viel zurück geben würde), noch bekomme ich ein “Hallo“. Ich sehe die Menschen nur konzentriert auf ihren Bildschirm starren. Mensch um Mensch um Mensch um Mensch um Mensch.

Und nach so vielen Jahren unterwegs überrennt mich das immer noch. Dringt in mich ein und saugt mich leer.

Und meine ganzen Mantras, die ich mir vorbete helfen nichts. „Die machen ja eh nur Fotos von den Ochsen und kein Foto von dir!“...„In dem Moment der Überraschung vergessen sie allen Anstand!“...„Sie meinen es überhaupt nicht böse!“..."Freu dich doch einfach über das Interesse!"...„Das ist ein Lob für Max und Milan!“ Irgendwann greift nichts mehr und ich will niemand mehr sehen und hören. Bin nur komplett überfahren. Diesmal ist es wieder so schlimm, dass ich mich für zwei Tage auf einer Wiese verkrieche, wo der Bauer so nett ist, mich wieder auftanken zu lassen. So wunder wunderschön es hier auch ist, wirklich raus aus meinem Camp bewege ich mich nicht. Denn draußen sind sie wieder, die Menschen.

Manchmal frage ich mich, wie betrogen sich das Leben selbst erst fühlen muss. Da gibt es die Gelegenheit für Freude, Staunen und Lachen, für positive Energie, für Öffnung, aber was machen die Menschen daraus?

Es ist eine Illusion zu meinen, dass ein Foto machen gleich zu setzen ist mit etwas wirklich sehen und zu erleben.

Montag, 19. Juli 2021

Unterengadin

Der Flüelapass bringt uns ins Engadin runter. Kaum bin ich unten angekommen, merke ich, dass es sich hier anders anfühlt. Mit jedem Schritt den ich mehr in das erste Dorf setzte, werde ich freudiger. Die ersten Engadiner Häuser begrüßen mich in all ihrer Pracht. Mit den dicken Mauern und den in den Putz geritzten reichen Verzierungen. Dazu die großen runden Holztore. Ich komme kaum raus aus dem schauen. Die Leute begrüßen mich alle herzlich, freudig und offen. Wo bin ich hier denn gelandet? Um noch alle Klischees zu erfüllen haben die ersten vier Bauern, die ich auf ihren Traktoren sehe (es wird gerade geheut) mellierte Rauschebärte. Und alle lachen.

Doch nicht nur die Menschen begrüßen uns ins Susch, auch die Fliegen und Bremsen erwarten uns ins stürzen sich auf Max und Milan. Da fliegen sie Hörner nur so in der Gegend herum und so bleibt mir keine Wahl, als eh gleich Wiese zu suchen. Bin ich froh, dass wir dieses Jahr bisher bis auf ein paar Tage im Juni von diesen Plagegeistern verschont geblieben sind. Das ist der Segen der hohen Lage, aber auch der Segen des relativ kühlen Sommers.

Doch schon bald schlägt das Wetter um, glücklicherweise, und für ein paar Tage haben wir das Vergnügen in den Wolken und im Sprühregen zu laufen, zu zelten, zu leben. Das ist auch so eine spezielle Stimmung und vor allem ein spezieller Geruch. Da werde ich ganz süß wehmütig im Herzen. Und erinnere mich an sie intensiven Campingurlaube als Kind.

Und seitdem vergeht kein Tag ohne Staunen und innerlichem Gejauchtze vor all der Schönheit, die mir hier begegnet. Ob es die Dörfer sind, in den jedes Haus ein eigenes Kunstwerk ist. Ob es die Berge sind, die auf über 3000m gehen und nur aus blankem Fels bestehen. Ob es die unglaublich netten Menschen sind, deren Augen so leuchten. Ob es der der Geruch ist. Oder alles zusammen, die Häuser mit ihren Menschen in einer Landschaft, die noch terrasiert ist, vor einer gigantischen Alpenkulisse.














Samstag, 10. Juli 2021

Die Ochsen als Herzöffner

Wieso die Ochsen die Menschen dazu bringen in einem Bruchteil einer Sekunde ihre Wesen, ihr Herz, zu öffnen, weiß ich nicht. Ob es an ihren Augen liegt, oder ihrem Wesen. Ob es daran liegt, dass die meisten Menschen noch keinen Ochsen vor der Kutsche gesehen haben, oder der Art, wie sie ihre Arbeit verrichten, langsam aber stoisch. Ich weiß es nicht.

Doch ich sehe Mauern einstürzen, Augen weich werden innert kürzester Zeit. Und selbst der grummligste Bauer bekommt bei ihrem Anblick einen weichen Gesichtsausdruck.

Es ist jedes Mal wie ein Wunder.

In einem Bruchteil einer Sekunde passiert etwas, was kaum möglich ist. Keine Muster greifen mehr, keine Mauern bleiben bestehen. Die Ochsen stehen einem Menschen gegenüber der offen ist und leuchtet.

Wir kraftvoll dieses Aufeinandertreffen ist, hat sich mir gerade wieder in Davos gezeigt.

Davos hat sich im Sommer zu einem Urlaubsort für Menschen mit orthodox jüdischem Hintergrund entwickelt. Ich habe sie über die Jahre schon oft in der Stadt angetroffen, ohne Ochsen, in ihren traditionellen Gewändern und dem charakteristischen Haarschnitt. Sie bleiben unter sich in Gruppen. Mehr oder weniger die restliche Menschheit um sich herum ignorierend. Nie, aber auch nie, wird mir in die Augen geschaut. Ob es daran liegt, dass ich eine Frau bin, oder nicht zu ihrem Glauben gehöre, weiß ich nicht. Selbst wenn ich mit der Pferdekutsche an ihnen vorbei fahre, werde ich nicht angeschaut, die Rösser aber auch nicht. Vielleicht noch von den Kindern.

Gestern bin ich nun zum ersten Mal mit Ochsen durch Davos gelaufen und die haben es mal wieder geschafft Barrieren zu überwinden. Ich habe Erstaunen erlebt, Freude und mir, MIR, wurde in die Augen geschaut. Wo sonst Blockaden waren, war jetzt Offenheit. Kontakt wird aufgenommen über Körpersprache, Blicke und Gespräch.

Die Kraft der Ausstrahlung meiner Ochsen hat mich jetzt auch nach so vielen Jahren tatsächlich nochmal fast vom Hocker gehauen.


Montag, 5. Juli 2021

 So lange habe ich nichts mehr geschrieben. Wir sind jetzt schon zwei Wochen in Davos. Durch meine vier Winter dort kenne ich die Gegend und die Bauern. Ich nutze die Zeit und die Möglichkeiten zum Bleiben für eine Pause für die Ochsen, den Menschen wieder zu begegnen und mit den Hunden die Berge zu erkunden. 

Unsere vielen Touren bringen uns mehrmals auf über 2600m, wo es um diese Jahreszeit zwar noch keine Kühe, aber umsomehr Murmeltiere und Gemsen gibt.








Besuch bekommen wir auch immer wieder auf unserer Wiese oberhalb von Davos. Vor allem Mia freut sich an den Ochsen und bekocht mich auf meinen Ofen, während ich den Jungs in alten angrenzenden Stall die Klauen schneide. Sowohl am der Innenausstattung, als auch am Türrahmen lässt sich erkennen, dass die Tiere früher um einiges kleiner waren. 




Und wir gehen aus Spaß an der Freude mit der Pferdekutsche in die Seitentäler von Davos. In einer ungewohnt schnellen Geschwindigkeit!