Donnerstag, 3. Oktober 2024

23.9.


Vier Monate ging es stetig auf diesen Tag hin, auch als ich noch nicht genau wusste, wann es sein würde. Es war präsent. Viele Monate mit der Suche nach der richtigen Art und Weise, Auseinandersetzung mit Bürokratie und immer diese Trauer und das Aufsaugen der Momente, der geteilten Zeit, der Gegenwart, der Wärme, der Freude, des Lichts, der Schönheit, des Geruchs. 

Dann ist er da, unausweichlich, der Schlachttag. Wie gut kann man sich wirklich drauf vorbereiten?

Ich war schon ab halb drei in der Nacht wach. Schlaf ging nicht mehr. Um fünf hab ich meinen Kaffee mit den Ochsen getrunken. Ticktack. Um 7 beim Stall alles vorbereitet. Ticktack. Jeder Handgriff ist ein Handgriff näher am Tod meiner Ochsen. Ticktack. Und dann kommt der Satz: «Wir können anfangen».

Ich weiss nicht mehr alles, ehrlich gesagt. Hab in meiner Erinnerung wie schwarze Flecken. Milan, der von mir als zweiter Auserkorene (weil er besser alleine bleiben kann wie Max), binde ich in einer Ecke vom Stall an. Ticktack. Richte ihn so aus, dass er so wenig wie möglich sehen kann. Ticktack. Nehme Max an den Strick. Nicht denken, Eva, ruhig, Eva. Ich führe ihn in den Stand. Und er tritt hinein. Er muss doch merken was los ist!! Aber er tritt hinein. Ticktack. Ruhe ausstrahlen, Normalität. Alles normal machen. Kraulen wie immer. In die Ruhe eintauchen wie immer. Doch ich spüre es schon in mir drin, wie es hoch drückt, der Schmerz. Weg drücken!!

Der Bauer hat sich noch Hilfe geholt. Bespricht mit einen anderen Profi genau die Stelle für den Bolzenschuss. Man schiesst nicht jeden Tag so gross behornte Tiere. Da ist alles etwas anders. Doch Max steht. Ticktack. So lieb steht er. Kurz tritt er einen halben Schritt zurück, hat er jetzt doch was gemerkt? Ruhe bewahren. Alles ganz normal ablaufen lassen. Also ihn wieder nach vorne treten lassen. Und wieder Kraulen. Ticktack. Und dann fällt der Schuss neben mir und mein Max geht vor mir in die Knie mit seiner Masse von 900 kg. Max!! Ich verliere die Fassung.

Und schon wird der Fangstand in den Anhänger gezogen. Ich bleibe bei Milan. Mit Abstand. Bin doch gerade eh zu nix nütze. Fassung gewinnen. Boden gewinnen. Für Milan. Gelingt nicht. Aber der Gute steht eh einfach. Käut wieder. Ich miste den Kuhstall. Routine um mich zu sammeln und weil Milan das so kennt im Ablauf. Die Fassung kehrt zurück. Jetzt gibt es kein zurück mehr. Jetzt gehen wir den Weg zuende. Voll präsent. Das bin ich ihnen schuldig.

Der Bauer kommt zurück mit leerem Hänger. Wäscht ihn. Platziert ihn wieder im Stall. Der Fangstand fährt wieder heraus. Jetzt bin ich ganz bei mir und Milan. In Ruhe. Milan, wir machen das jetzt zusammen. Ich führe dich zum Stand. Da sehe ich Blut an der Bodenfläche. Kurzes innehalten. Nein, Milan, wir sind Profis, wir lassen uns davon nicht ablenken. Das ist die neue Herausforderung für das heutige Training. Nein, wir riechen da nicht dran, sondern wir gehen einfach in den Stand hinein. Und Milan geht hinein. Ruhig und normal. Und ich kraule ihn. Er geniesst es. Und es fällt der Schuss. Jetzt geht Milan vor mir in die Knie.

Der Fangstand wird in den Anhänger gezogen. Kurz hadere ich mit mir, aber ich kann nicht lange überlegen. Entweder ich steige jetzt mit ein, oder nie.

Milan, ich begleite dich. Meine Verantwortung. Du bist mein Tier gewesen. Im Anhänger schliesst sich das Tor hinter dir und mir. Der Bauer setzt den Kehlschnitt, die Plattform senkt sich nach vorne, damit das Blut bergab aus dir hinaus fliesen kann. Es schiesst, es ist wahnsinnig viel. Und mit jedem Liter wirst du entspannter deine Muskulatur lässt nach, deine Augen schliessen sich immer mehr. Mittlerweile bin ich alleine im Anhänger mit dir. Es ist so friedlich. Du liegst in einer natürlich wirkenden Position im Fangstand während das Leben aus dir hinaus fliesst. Mit jedem Liter, mit jedem Tropfen, mehr Entspannung, mehr Frieden. Ich kann bei dir sein und dich streicheln. Du bist gegangen und doch bist du noch warm vor mir. Ich streicheln deinen Kopf, deine Nase, dein Wesen. Ich bedanke mich, ich verneige mich, vor dir, mein Ochse.

Dann steige ich aus und gebe dir das letzte Geleit in den Schlachthof.


Mittwoch, 25. September 2024

 Max & Milan 

* März 2016

† 23. September 2024



Donnerstag, 19. September 2024

Und Tomte?

Ja mein guter Tomte. Du hast mir Freude bereitet diesen Sommer mit deinem Willen zu lernen und dich auf uns einzulassen.

Es war nicht immer einfach für dich. So viel Neues gab es zu lernen, zu tun und zu überwinden. Und dann gab’s ja auch noch die zwei neuen grossbehornten Begleiter in deinem Leben, die dir gerne gezeigt haben, wer hier das Sagen hat. Sie haben dir aber auch gelernt keine Angst zu haben vor dem vielen Neuen. Sondern es anzunehmen. 

Und jetzt? Jetzt bist du wieder bei deiner alten Herde.

Wenn ich in deinen Kopf rein schauen könnte, was würdest du sagen zu deinem besonderen Sommer? Welche Entscheidung würdest du treffen?

Vernunft. 

Das war meine Entscheidungsgrundlage. Du hast eine Fehlstellung vorne rechts, die deinem Bein mehr abverlangt als es sowieso dein zukünftiges Gewicht tun wird. Und du hattest zu lange eine immer wiederkehrende diffuse Schwellung, eine Entzündung am Hinterbein, gerade oberhalb der Klaue wo der Schuh befestigt wird, die dich zwar nicht humpeln liess, aber trotzdem blöd war. Und ich hab nicht rausgefunden, wie ich dir damit helfen kann.

Und so habe ich mich entschlossen dich in dein altes Leben zurück zu lassen. Wo du all das, was du bei uns gelernt hast in reduzierter Form weiter machen kannst und deine geliebte Lucia näher bei dir ist.

Mit ihr wirst du weiter deinen Weg gehen. Ich wünsche dir ganz viel Freude und Glück damit. Es war ganz schön schwierig dir Tschüss zu sagen. Hast du mein Herz doch natürlich von Grund auf erobert.




Donnerstag, 12. September 2024

Vorbereitung auf einen stressfreien Tod

Was bedeutet im Fall von Max und Milan ein stressfreier Tod?

Dass sie alles kennen. Den Ort, die Menschen, die Umstände, den Fangstand. Dass alles für sie eine Normalität hat. Dass sie zu nichts gezwungen werden. Am Schlachttag selber werden sie genug Aufregung haben. Allein dadurch, dass sie merken werden wie es mir geht. Das reicht. Der Rest muss sitzen.

Deshalb hab ich jetzt schon mit dem Training angefangen. Gerade rechtzeitig ist mein Fuss geheilt. Ende Juli hab ich mir einen Knochen gebrochen und den Fuss gequetscht. Aus reiner Blödheit. So grosser Blödheit, dass es gegen meinen Stolz ging es zu schreiben. Nicht ganz. Ich hatte auch so genug wichtigeres, womit ich mich beschäftigen und worüber ich schreiben wollte .

Durch die viele Wochen ohne Arbeit und Bewegung für sie, von ihren alltäglichen Fressrunden abgesehen, hatten Max und Milan natürlich Dampf. Viel Dampf. Glücklicherweise ist so ein Dampf bei alten Ochsen auch schnell wieder weggelaufen und für die zwei mal laufen, die es dafür gebraucht hat, war gerade eine Freundin da. Denn alleine, mit gerade mal annähernd frisch verheiltem Fuss, und zwei übermütigen Ochsen, hab ich mir das dann doch nicht zugetraut.

Nachdem die Zwei dann also wieder schön ruhig waren im Umgang, hab ich mit dem Fangstand-Training begonnen.

Das Betäuben soll ja stressfrei für jedes Tier ablaufen. So ist das Konzept der mobilen Hoftötung. Egal ob trainierter Zugochse oder Mutterkuh, nicht im Schlachthof soll es passieren, sondern an dem Ort, wo das Tier zuhause ist. Deshalb wird so ein Fangstand normalerweise ein paar Tage früher schon in den Stall zur freien Verfügung aller Tiere gestellt und dann dort das Tier angefüttert. So ist es im normalen Tagesablauf des Tieres drin dort hinein zu treten. Zusätzlich wird jedes Eintreten auf den Fangstand vor dem eigentlichen Betäuben mit Video aufgezeichnet und wirklich nur betäubt, wenn das Tier stressfrei die Plattform betreten hat.

Da ich ja mit Max und Milan auf einem Hügel throne, muss ich sie sowohl an den Stall gewöhnen, als auch den Fangstand.

An den Stall gewöhnen ist kein Problem. Gibt es da doch frisches Heu, ein Tiefstrohliegebereich und eine Kratzbürste. Max und Milan haben Freude.

Der Fangstand ist ein Metallgestell auf Rädern, welches den Kopf des Tieres - eigentlich wie in einem Fressfanggitter – zu fixieren weiss. Da das ganze Gestell nachher mit dem betäubten Tier in den Anhänger zum ausbluten gezogen werden muss, ist es auf Rädern gelagert. Und somit oberhalb vom Boden. Das Tier muss also einen Tritt nach oben auf eine metallene Fläche machen. Die erste Hürde. Ein Tritt nach oben und dann das Geräusch von Metall.

Die zweite Hürde ist, dass dieser Fangstand nur dazu konzipiert ist, dass das Tier lebend hinein geht, aber nicht wieder hinaus. Deshalb muss beim lebendigen Hinaustreten das Ganze rückwärts ablaufen. Es muss also rückwärts einen Schritt nach hinten unten gemacht werden. Nicht einfach für ein Tier.

Und damit Max und Milan da nicht mal einen Scheck bekommen und dann vielleicht gar nicht mehr rein wollen, gehe ich alles ganz langsam an. Am ersten Tag sollen sie zum Beispiel nur mit den Vorderbeinen hinein treten, stehen bleiben und dann wieder zurück gehen. Und so Tasten wir uns ganz langsam, Schritt für Schritt jeden Tag ein bisschen weiter in den Stand hinein. Bis sie dann komplett drin stehen.

In solchen neuen Situationen sind meine Ochsen leider unbestechlich. Ich kann sie nicht locken oder loben mit etwas zu fressen. Das einzige was immer zieht ist: Klarheit im Kopf über das, was ich erreichen möchte, Ruhe, Zeit und Kraulen.

Wenn ich mit meinen Ochsen arbeite, va an etwas Neuem, dann begebe ich mich mit meiner Energie und Aufmerksamkeit raus aus dem Kopf. Wenn ich mich irgendwo zuordnen kann, dann bin ich einerseits im Bauch und andererseits um mich herum und beim Tier. Ruhig und wach, aber eben nicht wach im Kopf. Das ist ein wichtiger Unterschied. Es scheint mir, als dockt sich meine Energie an ihre Energie. In guten Momenten ist die Energie um meine Tiere und um mich herum eins. Und ruhig.

Aber es ist schon eine Herausforderung für mich. Jedes mal. Ich trainiere meine Ochsen schliesslich auf den Tod hin. Den ich festgesetzt habe. Nicht sie. Und sie hingegen arbeiten so gut mit. Und stellen sich mir mit all ihrem Wesen zur Verfügung. Im Vertrauen. Ich könnte eigentlich kotzen.


Für den Rest unserer gemeinsamen Zeit werde ich jetzt jeden Tag entweder mit ihnen laufen gehen, oder Fangstand-Training machen.

Der Termin steht jetzt fest. Wer ihn wissen will, soll mir schreiben.


Donnerstag, 5. September 2024

Lichtspiele

 Jeden Abend, wenn die Sonne hinter unserem Hügel untergeht, lässt sie Max und Milan leuchten. 












Montag, 26. August 2024

Neuer Platz

Ich lehne an Max, spüre seine Wärme im Rücken. Manchmal zuckt seine Haut um Fliegen zu vertreiben. Manchmal biegt er seinen Kopf zu mir, damit ich die Fliegen weg scheuche. Ich schaue auf ganz andere Landschaft wie die letzten Monate. Nichts mehr mit Bergen. Jetzt sind wir nach Madiswil im Kanton Bern umgezogen. Hügel, Wald, Wiesen und Ackerbau wechseln sich hier ab. Ein anderes Licht, ein anderes Gefühl aus der Erde.

Wir sind noch einmal weiter gezogen mit Sack und Pack. Wenn auch mit dem Viehtransporter. Für Max und Milan wird es der letzte Umzug gewesen sein.

Es ist ein schöner Ort um uns von einander zu verabschieden. Wir thronen auf einem Hügel und wer nicht gesagt bekommt, wo wir sind, wird uns schwierig finden. Hier haben wir unsere Ruhe. Wir hingegen haben Aussicht und schweben irgendwie über allem.

Ich werde gefragt, was ich denn jetzt tun werde hier den ganzen Tag? 

Ich hab eigentlich nur eine Sache vor: die Anwesenheit, das schöne Wesen meiner Ochsen jeden Tag zu geniessen. Zeit zusammen verbringen. Jede Minute, jede Sekunde. Draussen. In Freude. In Ruhe. Und in Dankbarkeit.



Samstag, 10. August 2024

Nächste Frage, nächste Antwort

Dann nehme ich mir mal die nächste Frage aus meinen Blogbeitrag vom 11.7. vor:

Wie ist die ruhigste, sanfteste, wertschätzendste Art und Weise sich von einem 900kg schweren Lebenswegbegleiter zu trennen mit dem man so viel erlebt hat? Und ist diese dann auch umsetzbar und va legal?

Von der mir stimmigsten Variante habe ich ja damals auch geschrieben. Die ist schon mal sicherlich nicht legal. 

Eine naheliegende Alternative wäre Schlachthof. Dann müssten sie das Schicksal von sicherlich mehr als 99% aller anderen Nutztiere teilen. Ein Schlachthof ist schon praktisch. Da passiert alles in einer Hand, an einem Ort.

Ginge es vielleicht auf eine auf Max und Milan abgestimmten Weise?

Diese wäre zum Beispiel, dass ich sie nicht hin transportiere und gleich vor Ort auslade (wo sie dann eh schon vom Transport gestresst wären), sondern am Tag vorher hinfahre, übernachte auf einer schönen Wiese, und von dort aus dann zu Fuss zum Schlachthof laufe. An einem Tag, der nur für sie frei gehalten wird, mit viel Zeit. Vielleicht ginge das...

Ich schaue mir also einen Schlachthof an, der mir das bieten kann. Der Mensch, der ihn betreibt, ist wirklich nett und versucht auf meine Wünsche und Vorstellungen einzugehen. Aber auch er ist an die Regeln gebunden, dass heisst er darf zB nicht beide Tiere gleichzeitig betäuben. Es muss einer von beiden draussen bleiben und darf erst fünf bis zehn Minuten später in den Schlachtraum rein, wo vorher sein Kollege gestorben ist. Wie soll ich den denn dann noch da rein bekommen?

Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich dem netten Mann fast in seinen Schlachtraum gekotzt hätte, bei der Vorstellung Max und Milan hinein zu führen. Es ist alles tiptop sauber, daran liegt es nicht. Es reicht die Vorstellung und der Geruch nach kaltem Tod.

Ich habe mich mittlerweile schon viel mit befreundeten LandwirtInnen unterhalten, die ja aufgrund ihres Berufes öfter in der Situation sind, ihre Tiere in den Schlachthof bringen zu müssen. Wenn man direkt vermarktet kommt man da kaum drum herum Und fast ausschliesslich höre ich, dass es für die Tiere kein Problem ist (Zeit und Ruhe vorausgesetzt!!!) den Schlachtraum zu betreten.

Wie kann es dann sein, dass meine Ochsen, wenn ich auf Reisen an einem Schlachthof vorbei laufe, sofort schneller werden? Sowohl Lothar, als auch Max und Milan?

Mit diesen Infos, also meiner Erfahrung und im Gegensatz dazu die Erfahrung der LandwirtInnen, frage ich mich einmal mehr, ob ich nicht das Schlüsselglied bin in allem. Ob es an meiner Einstellung, an meinen Vorstellungen und Ängsten liegt, wie meine Tiere reagieren.

Und damit scheidet das Thema Schlachthof aus, weil ich weiss, dass ICH nicht die innere Ruhe hinbekommen werde. Dass ich es an diesem Tag nicht schaffen werde Max und Milan das Bild eines guten Raumes zu vermitteln, der jetzt einfach betreten werden muss. Als Teil eines Kreislaufs des Lebens. Mit Ruhe und Gelassenheit und Bestimmtheit.

Und Vorspielen kann man einem Tier sowas sowieso nicht.

Nächste Alternative: Hoftötung. In der Schweiz seid 2020 erlaubt mit einer Genehmigung vom Veterinäramt (und wahrscheinlich noch anderen Ämtern) und speziellem, verbauten Fixierstand (usw.) Ein netter Yakbauer, den ich zu dem Thema befrage, bietet mir sogar an, es bei ihm zu machen.

Aber auch da stolpere ich über Bürokratie: 100 Tage muss das Tier vorher auf seinem Betrieb gestanden sein, damit er eine Hoftötung machen darf. Und so viel Gras hat er nicht, dass er meine drei so lange durchfüttern könnte.

Als nächstes kommt eine neue Idee: mobile Hoftötung. Da bin ich erst spät drauf gekommen, weil ich dachte, dass es das in der Schweiz nicht gibt. Aber falsch gedacht. Ich finde einen Anbieter, der mit seinem mobilen Stand und grossem Anhänger (in den das betäubte Tier zum Ausbluten hinein gezogen und im Anschluss zum Schlachthof transportiert wird) zu mir kommen würde. Kostenpunkt: vier mal so teurer. Aber das haben Max und Milan sich verdient. Und muss mir deshalb egal sein.

Aber auch das darf man nicht einfach so machen. Auch dafür muss der Landwirt, auf dessen Flächen meine Ochsen getötet werden sollen (und sie auch mindestens 100 Tage vorher waren) zusammen mit dem Anbieter, eine Sondergenehmigung einholen (Kostenpunkt angeblich -nicht von mir überprüft-: 1200 Franken).

Und ein Schlachthof muss mit uns zusammen arbeiten. Denn bei der Hoftötung wird das Tier nur betäubt und blutet aus, alles weitere darf nur in einem Schlachthof erfolgen. Mit einem zeitlichen Limit. Zwischen der Betäubung und dem Zeitpunkt, an dem das Tier im Schlachthof fertig ausgeweidet ist, dürfen nicht mehr als 90 Minuten liegen.

Kein Problem, denke ich mir, hier gibt’s ja einige Metzgereien in der Umgebung, die noch Schlachten. Also fahre ich sie ab. Und merke schnell: falsch gedacht! Denn diese kleinen Betriebe sind nicht dafür ausgerüstet so grosse schwere Tiere zu verarbeiten. Es scheitert an Raumhöhe (der Hals darf den Boden nicht berühren) und zu geringer Krankapazität um den Körper aufheben zu können. Das können nur grosse Schlachthöfe. Aber diese Schlachthöfe (es gibt zwei, einen Richtung Norden, einen Richtung Süden) sind zeitlich am Limit. Dh läuft alles reibungslos, ist alles gut. Läuft irgend etwas nicht nach Plan oder gibt es Stau auf der Autobahn, wird die Zeit überschritten und das Fleisch muss weg geschmissen werden. Was für eine Aussicht!

Aber mit diesen Voraussetzungen müsste ich doch von der 100 Tage Regel befreit werden, um meine Tiere näher an einem grossen Schlachthof töten lassen zu können!! Denke ich. Aber auch das habe ich falsch gedacht. Das Veterinäramt, welches ich dafür kontaktieren muss, sagt mir nur, sie finden es zeitlich zumutbar und wenn der eine Anbieter sagt, es sei grenzwärtig, dann müsse ich mir halt einen Anbieter suchen der schneller arbeitet. 

Da war ich tatsächlich sprachlos.

Soll das jetzt auch nicht funktionieren? 

Einen anderen Menschen, der die mobile Hoftötung anbietet finde ich noch. Auch er wäre bereit zu kommen, und alles zu versuchen. Eventuell ohne Erfolg.

Aber er bietet mir eine Alternative an. Er lädt uns zu sich auf den Betrieb ein um dort die 100 Tage zu verbringen.

Ich schaue mir den Betrieb an und es passt. Was mir sehr gefällt ist, dass ich Vorort die Möglichkeit habe, wie damals mit Lothar- den Schlachttag zu trainieren. Also ein paar Tage vorher schon mit ihnen jeden Morgen in den Stand laufen, sie dort eine Weile stehen lassen, eventuell mit verbundenen Augen. Und dann wieder zurück laufen auf unsere Wiese. Sie werden den Geruch des Bauern kennen - im Positiven!!-, der ihnen dann an einem Morgen den Bolzenschussapparat an die Stirn heben wird (er hat die Ausbildung und Genehmigung)

So wird alles ruhig ablaufen können. In einer ihnen bekannten Umgebung. Mit ihnen bekannten Menschen.

Das ist die ruhigste, sanfteste, wertschätzendste Art und Weise die Welt zu verlassen, die ich für Max und Milan gefunden habe.


Mittwoch, 7. August 2024

Was ist los?

Ja, das Anspannen von Tomte ist nur ein schönes kurzes Intermezzo. Drei Tage in Folge habe ich ihn eingespannt. Am vierten Tag stehe ich um 5 auf, weil ich mit ihm etwas bergauf laufen möchte mit der leeren Kutsche und dafür muss es kühl sein. Denn ein 900kg schwerer Ochse ist zwar verdammt stark, nur er weiss das nicht. Das hat den Vorteil, dass er denkt der Mensch ist stärker, andererseits denkt er am Anfang auch eine leere Kutsche ist schwer, wenn es bergauf geht. Da muss man das Tier also langsam heran führen. In kurzen Abschnitten und mit ausschliesslich Erfolgserlebnissen. Das baut das nötige Selbstvertrauen auf.

Und dafür muss es kühl sein. Bei Hitze hat kein Ochse Hirn zum arbeiten und eine Kutsche fühlt sich gleich zehnmal so schwer an wie bei kühlen Temperaturen. Zu schnell bleibt ein Ochse dann einfach stehen und könnte sich verweigern und auf ein solches Verhalten darf man ihn erst gar nicht bringen.

Also fünf Uhr aufstehen (unter dem Reisen ist es ja sonst noch schlimmer: drei Uhr aufstehen, fünf Uhr los laufen).

 Diesen Morgen steht Tomte bei meinem Frühstückskaffee vor mir und ich sehe, dass sein Vorderbein oberhalb vom Kronrand, dort wo eigentlich eine alte Wunde war, offen ist. Ein komisches Blut rinnt heraus, ein bisschen wie Kunstblut. Dickflüssig, aber zu hell und auch erstaunlich viel. Also nix mit Training. Ich versorge die Wunde und gehe wieder schlafen.

Zum Mittag essen steht Tomte wieder vor mir. Und ich traue meinen Augen nicht. Die Verletzung vom Morgen blutet wieder und dazu am « Knie», also dem Karpalgelenk, eine ähnliche Stelle. Zuerst dachte ich ein Schnitt, aber beim sauber machen finde ich wieder eine rundliche Stelle. Auch diese Stelle blutet ungewöhnlich viel und komisch.

Daraufhin suche ich die Wiese ab, suche etwas, was innerhalb eines Tages zweimal ein Bein verletzen könnte. Ich finde eigentlich nichts, mache aber vorsichtshalber das nächste Wiesenstück auf, damit Tomte mehr Ruhe hat als rangniedriges Tier.

Und der Bauer mulcht mir das alte Stück, weil dort Pestwurz stand, welches ich mit der Sense abgeschnitten habe und dessen harte Stängel, aber nur mit ganz viel Fantasie, diese Wunden hervor gerufen haben könnte.

Am nächsten Tag geht es Tomte nicht gut. Er frisst nicht, er liegt zu viel, und oft in der Bauchwehstellung. Er hat Durchfall, welcher grässlich stinkt. Aber kein Fieber. Auch der Fremdkörpertest fällt negativ aus. Also ???

Giftpflanzen? Ich schaue den ganzen Tag im Internet. Zuerst nur wegen der Pestwurz auf der Wiese, das einzige was auf der vorhergehenden Wiese nicht auch stand. Aber es ist nicht giftig.

Schlussendlich finde ich eine Pflanze, die ich Tomte auf der vorhergehenden Wiese, also ein paar Tage früher, sogar habe essen sehen, die mir aber nicht als Giftpflanze bekannt war: den Steinklee. Und da passt irgendwie sehr viel: va dessen blutverdünnende Wirkung. Dass «Bagatellverletzungen» schnell einmal schlimm aussehen. Deshalb haben seine zwei Wunden am Vortag so komisch geblutet! Und auch Magen Darm Probleme können hervor gerufen werden.

Leider finde ich nirgendwo, was man bei einer Vergiftung mit Steinklee tun kann. Allgemein bei Vergiftungen gibt es für Rinder auch Kohle, aber wir sind ja schon fünf Tage weg von dem Ort, wo er welchen gefressen hat, also bringt das ja gar nichts mehr.

Und bis ich all die Infos zusammen habe und die Schlüsse daraus ziehe, fängt es an Tomte wieder besser zu gehen. Sein Appetit kehrt zurück. Sein Durchfall stinkt weniger stark und wird fester.

Ich glaube, wir haben nochmal Glück gehabt. Ein Tag später ist er wieder ganz der Alte.

Max und Milan hatten keine solchen Symptome. Haben sie die Pflanze gemieden, oder sind nicht so empfindlich? Ich weiss es nicht. 


Gelber Steinklee 



Montag, 29. Juli 2024

Schönes kurzes Intermezzo

 

Tomtes Fuss ist wieder gesund! Nach sieben Wochen Zwangspause, zweimal Antibiotika, viel schmieren mit Zugsalbe und zweimaligen Austreten von Eiter, ist der Hinterfuss jetzt komplett abgeschwollen, verheilt und endlich wieder genauso warm wie sein anderes Bein. Und somit ist Tomte wieder einsatzbereit.

Als nächstes hätte ich zwei Projekte für ihn, die ich gerne angehen möchte. Entweder ihn reiten oder einspännig an der Kutsche anlernen. Aber erstmal schaue ich, ob das bis jetzt Gelernte noch sitzt: Schuhe anziehen, Geschirr anziehen und ihn laufen lassen mit etwas Gewicht zum ziehen (im jetzigen Fall mit meiner Mutter an den Zugsträngen hängend).

Es zeigt sich: er hat gar nichts verlernt! Gar nichts! Es scheint sich eher in seinem Kopf nochmals gefestigt zu haben über die Zwangspause hinweg. Beim ersten bergauf ziehen mit Gewicht will er noch ausweichen, doch dann schaltet er im Kopf um und ist nur noch fleissiger, konzentrierter Zugochse. Das ist wirklich eine Augenweide zu sehen. Er scheint einfach wieder Freude daran zu haben, dass ich etwas mit ihm mache.

Da Lucia am Wochenende kommt und dann vielleicht erstmal nicht mehr, entschliesse ich mich spontan, ihn für das einspännig Fahren vorzubereiten. Denn dabei kann sie helfen.

Was für Vorbereitungen braucht es? Die Kutsche muss mit einer Einspännerdeichsel ausgerüstet werden, der Schere, und die muss Tomte kennen lernen. Er muss ungestresst schön in ihr stehen können, allein deshalb, weil das Geschirr und die Zugstränge für diesen Deichseltyp anders eingestellt werden müssen. Mit ihm drin stehend, damit die Masse stimmen.

Das erstmalige hinein treten lassen in eine Schere und dann stehen bleiben im richtigem Moment ist wirklich Geduldssache.

Also ist die erste Trainingseinheit eigentlich nur: stehen bleiben in Ruhe. Nicht schon das Aufheben der Deichsel, nicht schon das Anpassen des Geschirrs. Einfach nur ruhig stehen. Das habe ich ganz klar im Kopf. Und wie es manchmal so ist im Training mit Tieren: je einfacher und klarer du selbst in deinen Gedanken bist über das was du tun willst, desto besser und schneller funktioniert es. Es ist eigentlich der erste Trainingsschritt für DAS TIER, dass der/die TrainerIn klar und ruhig in ihren Gedanken ist.

Und Tomte in seiner neuen Freude, dass sich wieder mit ihm beschäftigt wird, macht auf Anhieb das stehen bleiben richtig. Also zB durch den Zaun führen, Strick an Boden fallen lassen, ihm das Signal zum stehen geben und dann allein zurück gehen und den Zaun wieder schliessen ohne dass er sich in der Zwischenzeit bewegen darf. Oder in die Schere mit den Vorderbeinen rein treten und dann erstmal stehen bleiben. In etwas Neuem, an einem unbekannten Ort. Das klingt nach wenig, bedeutet aber viel. Das stehen bleiben war vor und während dem Reisen nie seine Stärke. Aber jetzt geht es. Er bekommt so viel Lob. Das ist wirklich Höchstleistung für seine Konzentration!!

In den nächsten zwei Tagen kann ich dann die Deichsel an ihm dran befestigen und das Geschirr einstellen. Und einfach das ruhige Stehen üben mit allem drum und dran befestigt. Damit als aller Erstes der Akt des Stehens in seinem Kopf mit der neuen Deichsel verbunden wird und nicht das Laufen.



Als dann am Samstag Lucia da ist zum helfen klappt erstmal nichts mehr so gut wie die Tage vorher. Liegt es daran, dass Tomte durch die Anwesenheit seiner wirklich geliebten Lucia abgelenkt ist, oder liegt es daran, dass ich durch die Anwesenheit einer weiteren Person nicht mehr so fokussiert bin? Auf jeden Fall braucht es wirklich viel Zeit, bis er überhaupt angespannt ist. Doch dann steht er drin und darf wieder erstmal nur stehen. Und dann wird aus einem ersten Schritt als Zugtier mit Kutsche, wieder warten, und schrittweise immer weiter, ein flüssiges ruhiges Ziehen….Durch die Baustelle neben unserer Wiese hindurch und auf kleinen Strässchen weiter. Tomte hat wirklich einen guten Willen und Talent. So beschleunigt er, wenn es etwas bergauf geht und verlangsamt, wenn es etwas bergab geht. Von sich aus !! Genau so wie ein gut ausgebildetes Zugtier es tun würde. Er ist so ein Streber, dass ich es sogar wage ganz am Schluss noch eine 360 Grad Kehrtwendung mit ihm zu machen, die er einfach nur perfekt meistert. Und das ist schwierig, weil er seinen Körper durch die Deichsel nicht so in einer engen Kurve drehen kann, wie er es natürlicherweise tun würde.

So ein Training macht Spass!!









Mittwoch, 17. Juli 2024

Entscheidung

  

Dann nehme ich mir mal eine der Fragen von letzter Woche vor:

Wann ist ein guter Zeitpunkt sich endgültig zu trennen? 

Ich merke, dass ich bei diesen Fragen für jede meiner Tierarten andere Antworten habe.

Meine Hühnchen zB sind ja schon alt wenn ich sie bekomme und hatten schon ein Leben in einem Legehennenbetrieb. Also eingesperrt und jeden Tag ein Ei legen. Bei mir dürfen sie jetzt an ihrem Lebensabend tagsüber ein komplett freies Leben geniessen und mir mein eigenes Essen weg fressen (bevorzugt alles was Kohlenhydrate, Eiweiss oder Fett enthält. Gestern früh haben sie es geschafft 100g Butter zu stibitzen, als ich nicht da war. Aber ich schweife ab…). 

Wenn der Fuchs kommt, kommt er  halt. Es ist schade, aber total in Ordnung für mich. Wenn er sie nicht erwischt, liegen sie irgendwann Tod in ihrer Kiste. Dafür hatten sie noch einige Monate bis Jahre ein wirklich schönes freies Leben. Auch über den Punkt hinaus, wo sie Eier legen. Aber bei der Entscheidung, ob sie sterben oder nicht bin ich nicht aktiv beteiligt (ausser es ist eine stark verletzt). 

Bei meinen Hunden ist es schon etwas anders. Piz darf gerade schrullig neben mir alt werden. Sie hat Hüftprobleme und ist phasenweise schon sehr sehr eigenartig, fast wie ein anderer Hund. Ich gestalte mein Leben jetzt so, dass sie noch alles mit machen kann und habe ihr einen Tracker gekauft, statt aus ihr in ihren alten Tagen noch einen Leinenhund zu machen. Ich werde ihr Schmerzmittel geben, wenn ihre Arthrose irgendwann zu stark wird. Ich werde sie nicht ständig beim Tierarzt vorführen und hoffe, dass sie selber von sich aus sterben kann. Wenn nicht, werde ich sie einschläfern lassen. Das wird dann meine Entscheidung sein und kann an den Moment angepasst werden. Und ihr dann ein schönes Grab machen.

Bei zwei 900kg schweren Tieren wie Max und Milan geht diese Vorgehensweise nicht. Auch das auf sich zukommen lassen ist schwieriger. Ich darf sie nicht irgendwo verbuddeln wenn sie sterben. Ich kann sie nicht irgendwo noch schnell hin transportieren wo ich ihnen auch einen guten Tod bieten könnte. Und sie schnell schnell einschläfern geht auch nicht. Also in der Theorie schon, aber in der Praxis geht bei so grossen schweren Tieren zu oft  etwas schief. Und dann wird die Situation unschön. Deshalb kommt es für mich auch nicht in Frage. 

Mal ganz davon abgesehen, dass ihr Körper dann von einem stinkenden Lkw abgeholt und zu Tiermehl verarbeitet wird. So etwas haben sie nicht verdient. 

« Lass sie doch Kremieren, das habe ich mit meinem Hund auch so gemacht» höre ich manchmal. 

Doch wie viel Energie wird verbraucht, um ein so schweres grosses Tier in Asche zu verwandeln? Das ist das einzige, was ich mich zu diesem Thema frage, mal ganz davon abgesehen, wie und ob ich das tote, grosse , schwere Tier überhaupt würdig dort hin bekomme. 

Mit all diesen Sachen habe ich mich schon bei Lothars Tod beschäftigt. Und in den letzten Jahren habe ich keine andere, stimmigere Lösung gefunden, als sie in Ehre und Dankbarkeit selber aufzuessen (auch wenn mir dies schwer fällt). Getötet in einem ruhigen Rahmen und nicht im Schlachthof.

Und ihr Fleisch zu verschenken. An all die Menschen, die uns entlang unseres Weges begleitet und geholfen haben, wo mit und durch die Ochsen ein schöner Kontakt entstanden ist. Ob es jetzt die Bäuerinnen und Bauern sind, auf deren Wiesen wir bleiben durften, oder Menschen, mit denen ich spezielle Momente geteilt  habe. So schliesst sich für mich ein Kreis. Energie wird nicht verloren, sondern wird wieder umgewandelt in einem schönen neuen Kontakt, ein Zusammensein und wohl auch in die ein oder andere Träne, bei einem erneuten wiedersehen. Und in Dankbarkeit beim essen. So krass wie das jetzt klingt. 



Und der richtige Zeitpunkt?

Da komme jetzt ich ins Spiel, viel stärker als bei den Hühnern und Hunden. Den richtigen Zeitpunkt muss ICH bestimmen. Und es kann nicht aus dem Moment heraus passieren und gleich umgesetzt werden. Das ist eine grosse Verantwortung und das Gefühl eventuell eine falsche Entscheidung zu treffen allgegenwärtig. 

Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Das «zu früh» in Ruhe oder das «zu spät» in Stress. 

Die Erfahrung zeigt , dass es Max und Milan im Herbst mit einsetzender Kälte wieder nicht gut gehen wird. Ab dem Moment wo der Boden gefroren sein wird, wird Milan nicht mehr laufen können. Und Max bei jedem kalten nassen Tag Probleme mit dem Rücken haben. 

Die vernünftigste Entscheidung ist also die, sie im Herbst Schlachten zu lassen. Vor den Schmerzen und wenn ich noch Zeit und Ruhe habe diesen schweren Weg mit ihnen zu teilen. 

Natürlich gibt es eine ganz ganz ganz kleine Chance, dass es ihnen wider erwarten nicht so ergehen wird. Man sieht ihnen ja gerade auch kaum was an, jetzt, wo es warm und trocken ist. Da liesse sich das Problem auch schön weg schieben. Ich hätte auch sehr Freude, sie wieder bei mir in Prato zu haben vor meiner Küchentür. 

Doch was passiert, wenn sie dann vom einen auf den anderen Tag doch zu grosse Schmerzen haben (was sehr wahrscheinlich ist)? Dann bin ich in einer 7 Tage Woche mit Arbeit gefangen, wo mich niemand vertreten kann. Dann muss ich von jetzt auf plötzlich alles organisieren ohne Zeit zu haben und dadurch auch ohne Ruhe.  Wie überträgt sich das wohl auf diese feinfühligen Wesen? Und wahrscheinlich haben sie dann eine Entzündungen im Körper, die dazu führt, dass das Fleisch nicht mehr gegessen werden kann. Dann würden sie in der Tierkadaververwertung landen. 

Nein, diese Vorstellung finde ich gruselig. Sowohl für sie, als auch für mich. Würde ich irgendwie die Möglichkeit sehen, sie nochmal gut durch den Winter zu bekommen, würde ich das tun. Ich hätte sogar schon Wiesen für den nächsten Sommer wo sie grasen könnten.

 Aber das Risiko ist zu gross, und ich muss meine Verantwortung für zwei so schwere Tiere ernst nehmen. Dh es gibt es für mich nur eine  Lösung, nämlich sie beide zusammen, am selben Tag Schlachten zu lassen.  Max und Mila waren seid ihrem ersten Atemzug zusammen, haben ihr leben intensiv zusammen verbracht. Und jetzt lasse ich sie auch zusammen gehen.  Im Herbst. 


Donnerstag, 11. Juli 2024

Fragen und Geschichten

Der Abbruch, das Ende meiner Reise mit Max und Milan erzählt seine ganz eigene Geschichte

Es erzählt die Geschichte von einer kommenden Trennung , es erzählt die Geschichte vom Tod.

Und dadurch stellen sich Fragen:

Wann ist ein guter Zeitpunkt sich endgültig zu trennen? Gibt es den überhaupt? Ab wann ist ein Leben nicht mehr lebenswert?

Schaue ich weg und ignoriere den Tod bis er vor der Tür steht, oder beschäftige mich jetzt schon mit der Bürokratie, damit ich weiss, was überhaupt möglich ist?

Wie ist die ruhigste, sanfteste, wertschätzendste Art und Weise sich von einem 900kg schweren Lebenswegbegleiter zu trennen mit dem man so viel erlebt hat? Und ist diese dann auch umsetzbar und va legal?

Gibt es in diesem Thema überhaupt ein "richtig", oder beinhaltet es nicht von Haus aus ein "falsch"?





Ich wüsste, wie ich es tun würde, gäbe es andere Gesetze:

Mein Traum

Dann gäbe es an einem wunderschönen Ort ein Grab. Da liegt schon Lothar drin und wartet. Da liegen Hühnchen und warten. Da werden sich Max und Milan bald dazu gesellen und Piz. Auch Pepe irgendwann und was das Leben noch so für tolle Begleiter für mich in der Hinterhand hat. Und irgendwann… irgendwann komme ich da auch rein. Oben drauf und mit der Zeit fallen all unsere Knochen ineinander zusammen. Ob das wohl Musik macht?

Könnte ich wählen, wäre dies die Wahl.


Dienstag, 2. Juli 2024

Im Klauenstand

 Gestern habe ich dann doch noch einen Klauenstand organisiert. Jetzt nach drei Wochen Pause scheint der Schnitt an Tomtes Ballen zwar gut zu verheilen, trotzdem ist er aber immer noch leicht geschwollen oberhalb der Klaue. Und das hat auch eine zweite Gabe Antibiotika nicht verändert.

Nur passt Tomte noch in einen normalen Klauenstand für Kühe, frage ich mich im Vorfeld…

Ja:



Rein gegangen ist er super! Und immerhin hat er noch ganze drei Zentimeter Spielraum nach oben! Doch als ich sein Hinterbein versuche anzuheben wird schnell klar, dass sie zu hoch angesetzt sind, um sie noch richtig und sicher nach hinten weg biegen zu können. Leicht anheben geht noch du gerade. Dh dass er mitarbeiten muss, in dem er das Bein ruhig hält, weil es in diesem Zustand viel Spiel hat sich zu bewegen (und dadurch auch sich zu verletzen, wenn er versucht sich zu befreien). Nach etwas Unruhe lässt er es netterweise geschehen. Die Klaue selber finde ich gesund vor und kann sie endlich auch kürzen (die Schuhe wurden schon bedenklich eng). Der Schnitt ist wirklich schön verheilt. Aber ich finde eine Stelle im Übergang vom Ballen zur Haut, wo ich etwas Eiter heraus drücken kann. Der Kanal wo er her kommt kommt aber von oben und nicht von unten. Wenn ich - und er natürlich auch- Glück haben, hat sich oberhalb der Klaue etwas abgekapselt (so fühlt es sich von aussen auch an) was sich jetzt seinen Weg nach draussen sucht. Dann sollte es aber in den nächsten Tagen jetzt, da es offen und gereinigt ist und durch erneutes Auftragen der Bitumol Zugsalbe besser werden.

Danach nehme ich Milan in den Stand, wenn ich schon mal einen habe. So kann ich genauer alle Klauen mit Zeit anschauen, ohne dass er dagegen etwas einwänden könnte und/oder ich Rückenschmerzen bekomme. Milan war schon öfter in einem Klauenstand und geht brav rein. Auch er hat nur noch 3cm Spielraum nach oben. Die Hinterbeine gehen einfacher zu machen, zum einen weil er still hält, zum anderen weil er nicht so hochbeinig ist wie Tomte. Doch beim linken Vorderbein macht er komisch, er scheint mir Schmerzen zu haben. Nicht von der Klaue her, sondern aus den Gelenken. Beim rechten Vorderbein ist das noch verstärkt und ich breche ab. Tatsächlich tut ihm die Schulter oder das Karpalgelenk in Folge des nur kurzen nach aussen Biegens durch die Vorrichtung zum Bearbeiten der Vorderbeine des Klauenstandes so weh, dass er das Bein nicht mehr abstellen möchte und erstmal lahm geht.

Da ist sie also wieder, die alte Geschichte von Milan. Welche sich im ersten (glücklicherweise nur kurz Andauernden) Lahmen letzten Sommer unterhalb vom Klausenpass erstmals zeigte und dann in Winter auf unebenen gefrorenen Boden verstärkt auftrat. Wenn ich selber Klauenpflege mache, dann biege ich das Bein nie so stark nach aussen, wie es der Stand macht. Deshalb ist es nicht aufgefallen.

Willkommen im Club der Rentner, Milan, mein Lieber. Also auch du…Eigentlich war es mir klar, aber jetzt ist es nochmal für jedes Auge sichtbar.

Aus manchen Rückmeldungen zum Blog erkenne ich, dass manche Menschen noch denken, wir machen nur Pause bis es Max wieder besser geht. Aber so ist es nicht. Max und Milan sind jetzt im Ruhestand. Wir haben es noch ein letztes mal probiert, erfolglos (mit diesem Frühjahr und Tomte als Hilfe) doch jetzt ist fertig. Und wir verbringen den Sommer auf den Wiesen in Airolo und geniessen unser zusammensein. Und freuen uns über Besuch!

Aber zurück zum Klauenstand. Max, als letzter im Bunde, braucht den Stand eigentlich am Wenigsten, weil er am bravsten Füsse gibt. Daher kennt er ihn aber auch schlecht. Und geht mir prompt nicht rein. Ganz schön lange muss ich mit dem Sturschädel diskutieren bis er drinnen ist. Nur um zu merken, dass er viel zu lange ist und ich die Tür hinten gar nicht geschlossen kriege. Also nehme ich ihn wieder raus und mache die Klauenpflege händisch. Zu Trainingszwecken führe ich ihn danach aber gleich nochmal rein ( mit exakt der selben Diskussion wie vorher) und lasse ihn diesmal 10 Minuten drin stehen. Dann darf auch er wieder zu den andern.

Noch ein interessantes Detail dieses Tages. Max ist ja der, der Tomte am meisten herum jagt und ärgert. Jeden Tag zeigt er ihm mehrmals, dass ER der Chef hier ist. Doch als ich Max aus der Herde heraus führe um ihn zum Klauenstand zu führen, springt «Langbein»-Tomte einfach über den Zaun, weil er nicht von seinem Chef getrennt sein möchte. Tja.


Donnerstag, 27. Juni 2024

Doppelt sichergestellt


Die Wiese, auf der ich die Entscheidung treffen muss abzubrechen oder nicht ist ein Ort, den ich sehr gerne besuche. Schon zweimal waren wir hier. Jedesmal, wenn wir über den Lukmanier ziehen, dürfen wir hier unter der Burg von Semione unser Camp aufgeschlagen. Eine Burg klingt ja erstmal sehr touristisch, aber die Wiese ist so gelegen, dass niemand zufällig an uns vorbei kommen kann. Ich aber hingegen habe meinen privaten Zugang zur Burg. Sehr luxuriös. Und der Ort hat eine schöne Wildheit. Eine Felswand, oder eher zwei, bilden eine natürliche Barriere. Unterhalb fällt das Gelände ab mit vielen Steinen, alten Kastanienbäumen, einen zerfallenen Steinstall und vielen Büschen und Brombeeren. Eine ideale Ochsenwiese. 

Diesmal kommt Tomte leider mit einem Schnitt im Ballen von einer Fresstour zurück. Ich kann nicht sagen, ob von einem spitzen Stein kommt, oder ob irgendwo ein Metall herum lag. Da es aber nur das «tote» Ballenmaterial getroffen hat und der Schnitt wegen der darunter liegenden Klaue nie den Boden berührt, denke ich mir nicht viel dabei. 

Doch ich werde eines besseren belehrt. Mir war nicht bewusst, dass sich der Ballen bei jedem Schritt elastisch mit zu bewegen scheint. Und somit wird der Schnitt erstmal grösser statt kleiner und reisst irgendwann bis in den lebendigen Teil des Fusses ein und entzündet sich. Glücklicherweise fällt mir das auf, denn anzeigen durch Humpeln tut Tomte nicht. 

Zum Glück gibt’s Antibiotikum. Den Vorderfuss eines Ochsen kann ich gut zweimal am Tag in einen Eimer stellen und baden, aber mit den Hinterfüssen geht das nicht so gut. 

Begeistert ist Tomte aber nicht, als ich ihn zwei Spritzen in den Hintern gebe. Schwere Tiere brauchen immer so viel Milliliter Antibiotika, dass es mir selber dabei ganz anders wird. Meine Mutter, die gerade auf Besuch ist, hilft, indem sie Tomte mit seiner neuen Leibspeise: Mango und Banane, ablenkt. 

Da der Riss einer ständigen Bewegung ausgesetzt ist, wird es ein langwieriger Heilunsprozess, bis ich wieder mit Tomte arbeiten kann, bzw ihm Schuhe anziehen kann. 4 Wochen wird Tomte jetzt mindestens nur herum stehen dürfen. 

Hätte ich nicht abgebrochen und wäre stattdessen weiter gezogen, hätte ich jetzt ein riesiges Problem bekommen. Denn eine, bzw mehrere Wiesen mit Futter für drei Ochsen für eine so lange Zeit organisiert zu bekommen, wäre wohl sehr sehr schwierig geworden. 

Es scheint mir, als hätte das Leben doppelt sichergestellt, dass ich diesen Sommer nicht reisen kann. Nur weshalb?


Donnerstag, 6. Juni 2024

Entschuldigung Max

Entschuldigung Max, ich hab dir unrecht getan. Von wegen Eifersucht und so. Eifersüchtig bist du auch auf Tomte, das steht ausser Frage, aber das ist nicht der alleinige Grund, dass du ihn so geärgert hast.

Jetzt wo wir weiter ziehen in der Form, wie du es gewöhnt bist, also mit deinem Kumpel Milan an der Seite (und Tomte hinten dran) wird es endlich ruhig um uns im Reisen. Und da fällt es mir über die Tage erst auf. Zu spät. Du kannst gar nicht mehr schnell laufen!

Milan passt sich dir an, Tomte hat das nicht gemacht und dich in eine Schnelligkeit gezwungen, die dir nicht mehr gut getan hat.

Wie oft hast du mir schon weiss gemacht, dass du müde bist, oder es dir zu warm ist, oder du einfach keine Lust hast und bist deshalb in deiner mir wohl bekannten «Protestgeschwindigkeit» gelaufen. Da war aber immer alles in Ordnung mit dir. Bist halt auch nur ein Lebewesen, was nicht immer Lust hat auf Arbeit.

Aber jetzt, jetzt!, ist es anders. Die Temperaturen sind kühl, es gibt noch keine Fliegen, die Strasse geht eben, du bist ausgeruht und trotzdem läufst du langsam.

Beim genauen Beobachten fällt mir auf, dass du mit den Hinterbeinen manchmal Schlangenlinien läufst, dass nach einer von Shivering ausgelösten Beinbewegung, die auch immer mehr zu nimmt, das Hinterbein nicht mehr richtig unter den Körper kommt und du dadurch in der Hüfte instabil wirst. Wie sollst du da noch schnell laufen können?

Als mir das wie Schuppen von den Augen fällt und mir klar wird, dass ich einfach zu viel Aufmerksamkeit beim neuen Ochsen und zu wenig bei dir war, ist die Entscheidung schnell gefällt, wenn auch schmerzlich:

Wir brechen ab. Du hast in deinem Leben genug eine Kutsche gezogen. Jetzt ist es vorbei.

Für den übernächsten Tag ist der Transport schon organisiert. Die Wiesen in Airolo haben für diesen Sommer eh noch kein Tier gefunden, welches noch Kapazitäten hätte sie abzuweiden. Dann machen wir das jetzt einfach.

Danke, dass du mir so viele Jahre die Kutsche durch die ganze Schweiz gezogen hast! Du warst mit ihr und mir und der ganzen Herde zweimal auf dem Gotthard, San Bernardino, Grimsel und Lukmanier. Und jeweils einmal auf der Furka, dem Susten, Klausen, Jaun, Col des Mosses, Col du Pillon, Wolfgang, Albula und Flüela. Du warst sogar auf dem höchsten mit dem Auto befahrbaren schweizer Pass, dem Nufenen mit seinen 2439m! Das alles geleistet mit deiner Muskelkraft!!! 














Sonntag, 26. Mai 2024

Allein unterwegs mit drei Ochsen, zwei Hunden und zwei Hühnern

Oder auch: Tourstart anders als gedacht

Die Hühner haben sich vorbildlich verhalten. Wie immer eigentlich. Die Hunde auch. Aber die Ochsen … oh je.

Vier Tage unterwegs und jetzt brauche ich erstmal ein paar Tage Pause 😅.

Eigentlich war es bisher immer so, dass der Start vielleicht etwas rumpelig war, aber von Tag zu Tag sich mehr alles gefunden hat. Die Herde, das Unterwegssein, der Ablauf. Diesmal hat es gut angefangen und wurde von Tag zu Tag schwieriger. So wie ich es vor hatte, wird es erstmal nicht klappen.

Die ersten zwei Tagesetappen habe ich sehr kurz gewählt. Zum einen wegen der sich erst im Aufbau befindenden Muskulatur von Tomte und zum anderen wegen mir und meiner Aufmerksamkeit, die sich ja jetzt auf drei Tiere über 800kg verteilen muss.

Der erste Tag unterwegs lief eigentlich super. Tomte und Max haben zusammen fast die ganze Strecke gezogen. Selbst ein nicht geplantes Stück aufwärts (wegen einer gesperrten Strasse) hat Tomte gut mit gearbeitet.

Doch Max nervt Tomte so oft er nur kann mit seinen Hörnern. Tomte hingegen wirft sich in diesen Momenten mit der Schulter gegen Max und versucht ihn weg zu drücken. Da wünsche ich mir doch sehr ein Doppeljoch, in dem zwei Ochsen fix über das Joch am Kopf miteinander verbunden sind und so einen Blödsinn erst gar nicht herausfinden können.

Aber eigentlich sollte dieses Verhalten über die Tage besser werden, weil ihnen dann ja die in Arbeit umgesetzte Energie für Blödsinn fehlt. So war es zumindest bei Max und Milan am Anfang gewesen, die sich auch ständig mit dem Hörnern geärgert haben.

Doch bei diesen zwei nicht. Es wird sogar schlimmer. Max ärgert Tomte, Tomte geht in die einzige Richtung die er kann, nämlich nach vorne, was Max wiederum ärgert, weil er dann schneller laufen muss. Und das muss er wiederum Tomte spüren lassen in dem er ihm nochmal droht, was Tomte noch mehr nach vorne gehen lässt. Ein Teufelskreislauf. Es gipfelt darin, dass Max Geschirr an einer Stelle reist, und Tomte fürs erste den Platz hinter der Kutsche zugewiesen bekommt. Ich hätte seine jugendliche Kraft gerne von Anfang an vorne gehabt.

Über die Tage wird Tomte insgesamt nervöser. Das fällt mir anfangs gar nicht auf. Scheints sind Max und Milan noch nicht genug Herde, um ihm Sicherheit zu geben. Und das wiederum gipfelt darin, dass er mir an einem Abend über den Zaun mit Strom drin springt, einfach aus dem Impuls heraus, weil er sich zu weit von mir weg fühlt. Mit dem Blödsinn hört er erst auf, als ich ihn direkt neben mir einzäune. Mit wenig Gras, aber nah bei mir. Erst dann bleibt er drin und wir kommen alle zur Ruhe.

Tomte fällt es schwer, sich in die Reise einzufinden. Die vielen Ortswechsel, das viele Neue scheinen ihn unsicher zu machen. Und weder ich, noch Max und Milan geben ihm schon die Sicherheit, die er braucht. Va Max nicht, der ihn ständig mit den Hörnern ärgert.

Max scheint erst jetzt zu realisieren, was Tomte bedeutet. In Airolo hatte ich noch den Eindruck, er freut sich darüber, dass er schön liegen bleiben kann, während ich endlich an jemand anderen herumzuppel. Doch von Tag zu Tag kommt mehr Eifersucht in ihm hoch und das lässt er den Jungen spüren.

Und das alles braucht immense Kräfte von meinerseits. Wenn Tomte auch noch über die Zäune springt, wann kann ich dann durchatmen?

Also umdenken. Tomte läuft jetzt erstmal nur hinten. Und bekommt das Wiesenstück direkt bei mir für sich reserviert. Darf sich Schritt für Schritt an das Reisen gewöhnen. Und mit Max und Milan mache ich einfach auch langsam. Und mit mir.

Denn eigentlich macht Tomte es ja so unglaublich gut für die kurze Zeit bei mir. Einspannen, Verkehr, Schuhe anziehen. Alles klappt.

Heute war der Physio da und hat Max Rücken wieder gefittet. Am Shivering kann er auch nichts ändern, aber er bestätigt nocheinmal dessen Schmerzfreiheit (das weiss ich eigentlich, aber es schaut einfach immer wieder so erbärmlich aus, wenn er aus Ruhe heraus anläuft). Wenn es auch ärgerlich fürs Tier ist. Milans Schultern geht es gut.

Also, nicht zu viele Schritte auf einmal. Nicht zuviel erwarten. Wir wollen alle einen schönen Sommer haben.






Freitag, 17. Mai 2024

Regenwoche

Während Tomte, Max und Milan ihre wohlverdienten Tage ohne Arbeit haben, geniesse ich auch meine letzten «freien» Tage hier auf der Wiese.

Es gibt aber auch noch genug zu tun. Klauenpflege bei allen, wobei ich Tomte aber nur die Vorderbeine mache. Er hat bisher noch nie eine Pediküre bekommen und da werde ich nicht gleich mit der Flex an die Hinterbeine (hab ja keinen Klauenstand, sondern nehme die Füsse in die eine Hand und bearbeite sie mit der Flex in der anderen). Nachdem ich vor seiner Nase Max und Milans Klauen gekürzt habe, lässt der gutmütige Tomte tatsächlich seine vorderen Klauen auch bearbeiten. Nur beim ersten einschalten zuckt er einmal zusammen. Respekt.

Ein anderes Programm ist dem Bauern, der mich hier seine Wiesen abfressen lässt Schafsnetze im steilen Gelände zu bauen. Ich freue mich, dass ich was zurück geben kann.

Und dann gibt’s noch so viel Kleinkram zu erledigen, der nach wenig klingt und viel Zeit in Anspruch nimmt.

Daneben hab ich jetzt aber auch ein bisschen Urlaub, bevor es dann losgeht und geniesse es nochmal auszuschlafen und Mittagsschlaf zu machen und den vielen Regen noch stationär auszuwarten im Zelt.

Ich denke, Anfang nächster Woche sind wir soweit. Noch ein paar mal alleine anspannen, vielleicht schafft es der Physio auch noch zu uns, wenn es dann mal trocken ist. Er braucht trockene Tiere und Stall hab ich ja nicht. Dann gibt es seinen Losreise-checkup für die Ochsen!

Wir gehen wohl erstmal das Tessin wieder runter, unsere wohlbekannte Strecke, solange die Pässe noch zu sind. Diesen Frühling gibt es mal wieder richtig viel Schnee in den Bergen und auf den Pässen. Der muss erstmal grösstenteils weichen für drei so schöne Ochsen.

Den nächsten Beitrag gibt’s dann schon auf Tour. Ausser es kommt nochmal was dazwischen. Wiese hätten wir noch genug hier, aber Reiselust auch. Es wird Zeit!


Sonntag, 12. Mai 2024

Tomte im Training

Knapp zwei Wochen brauche ich, damit ich Tomtes Hinterbeine nach vorne und nach hinten nehmen kann und er die Schuhe sich anziehen lässt. Alles ganz langsam, damit er nicht lernt, dass er treten könnte.


 Damit weiss ich welche Schuhe ihm passen und kann Franz von hufpfleger-schweiz.ch jeweils einen Schuh zuschicken, damit er sie genau so nachmachen kann. Da Max dieses Jahr vorne eine Nummer grösser bekommt, also Milans Grösse, schicke ich auch einen von Milans Schuhen weg. Das hat den Nachteil, dass ich mit Milan und Max erstmal nichts machen kann, was sich auf Schotter oder Asphalt abspielt. Sie fallen also als Lehrmeister aus.

Doch da Tomte ja so menschenbezogen ist, kann ich ja auch mit ihm alleine anfangen zu arbeiten. Das viele Füsse geben und die anderen kleinen Übungen der letzten Tage haben ja auch zwischen uns schon ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Also baue ich ihm ein Ortscheid und lasse ihn zum ersten Mal ein paar Holzstücke hinter sich herziehen. Macht er gut fürs erste mal. Er ist schon nervös. Va das Geräusch hinter ihm beunruhigt ihn. Aber wie schliessen dass erste Zugtraining sehr positiv ab.



Am nächsten Tag hole ich einen alten Reifen, der mir geeigneter erscheint. Zum einen läuft er ruhiger und gleichmässiger hinter dem Tier und nutzt sich nicht so schnell ab.

Schon beim Abladen des Reifens neben ihm fängt er an aus Nase und Mund zu schleimen. Ein Zeichen für Nervosität. Und diesem kleinen Details schenke ich zuwenig Aufmerksamkeit. Ich Idiotin spanne ihn sogar noch davor. Die ersten Schritte gehen gut, es ist ein bisschen schwerer als das Holz, läuft aber stetig und sauber mit. Doch dann erschreckt Tomte sich so, dass er mit allen vieren in der Luft ist. Und dann kommt eines zum anderen. Die Seile berühren sein Bein (was ihn eigentlich nicht stört), das Geschirr klappert beim Sprung und dieser böse Reifen ist immer noch da. Und so befreit er sich wild von allem und rennt weg. Darauf war ich nicht vorbereitet.

Nach einigen Metern steht er sich selber auf den Führstrick und bleibt stehen. Ich führe ihn zurück, aber er will nicht mal in die Nähe gehen von dem «Teufelsreifen». Er ist total durch. Sein Vertrauen mir gegenüber ist erstmal aufgebraucht. Ganz langsam schaffe ich es, ihm wieder die Zugstränge einzuhängen und ihn ein paar Meter ziehen zu lassen. Dann höre ich sofort auf. Gehe mit ihm zurück zu seinem Baum und binde ihn an. Er ist total gestresst, will nicht mal ein Brot essen.

So ein Scheiss. Eine Unaufmerksamkeit und alles, was wir uns bis hierhin erarbeitet haben ist weg.

Eigentlich hatte ich für Nachmittag ein anderes Programm. Ich sage alles ab, jetzt muss ich Vorort sein. Ihn striegeln, einfache Dinge machen lassen in denen er sich sicher fühlt. Beine geben zB. Und immer wieder nach einiger Zeit fressen wieder ans Halfter nehmen. Und wieder striegeln. In Kontakt bleiben einfach. Am Abend lasse ich ihn wieder kurz ziehen, aber nicht den bösen Reifen, sondern wieder sein Holz. Er ist nervöser als noch am Vortag. Aber er macht mit und mehr als nur geradeaus gehen wir nicht. Keine Bögen, nur nichts, was ihn wieder in Unruhe versetzen könnte. Auf Nummer sicher gehen.

Am nächsten Tag kommt Lucia. Es ist Wochenende. Das ist gut. Sie ist die Person, die für ihn wichtig ist, die ihm Sicherheit gibt. Und zu zweit lassen wir ihn ziehen. Das ziehen ist gar nicht dass Problem eigentlich. Auch nicht die Seile, die seine Hinterbeine berühren. Für ihn ist das aufregendste jetzt der Moment, wo die Zugstränge eingehängt werden. Da ist es gut, wenn wir zu zweit sind. Und so laufen wir das Wochenende mit dem Holz angehängt immer weitere Strecken und auch wieder Bögen. Aber wie oft denke ich mir: «Hättest du nur besser aufgepasst!» . Ein solcher Vertrauensverlust braucht Zeit. Wir müssen uns ganz neu greifen. Aber auch dank Lucia ist er wieder ruhig geworden. Und aus jedem Scheiss kommt was Gutes. Jetzt denkt er mehr nach und begreift und lernt mehr mit den Kopf, was er vorher einfach so gemacht hat, weil er gerne bei Menschen ist. Ich weiss nicht, ob ich mich da verständlich ausdrücken kann.



An Montag kommt - schon lange geplant - meine Schwester um mir beim Training zu helfen. Ich hatte eigentlich geplant in dieser Woche Tomte an die Kutsche anzuspannen, doch davon sind wir jetzt weiter entfernt als zuvor. 3-4 Wochen denke ich mir noch. Auch kann ich ihn nicht von meinen alten Ochsen lernen lassen, weil die ja gerade keine Schuhe haben. Also muss ein anderes Programm her. Und Laura muss ja auch erstmal Tomte kennen lernen und er sie. Aber es gibt ja noch genug anderes, was Tomte lernen muss. Er kennt ja auch noch keinen Verkehr und keine Ortschaft. Also laufen wir mit ihm nach Madrano. Ein Dorf, wo es nicht viel Verkehr gibt, dafür enge Strassen durch aneinandergebaute Häuser. Für Tomte bedeutet das ganz andere Gerüche, keine Natur, andere Geräuschverhältnisse zwischen den Häusern. Keine freie Sicht usw. Aber er macht es gut. Die ersten Autos von hinten und vorne sind schon etwas aufregend und er wird schnell. Mehr aber nicht.




Am nächsten Tag machen wir eine längere Tour, gehen bis nach Airolo rein. Auf wenig befahrenen Strassen laufen wir bis zum Bahnhof. Tomte macht es super!! Er lernt im Schnellprogramm. Auf dem Rückweg kommt von hinten schnell und nah ein Lastwagen, das lässt ihn kurz sehr schnell werden, doch sofort wird er wieder langsam. Die Strecken, die einfach sind, lasse ich meine Schwester Tomte führen, damit sie sich aneinander gewöhnen. Und natürlich findet Tomte auch sie sofort toll. Und schleckt sie immer wieder.



Gerade nach der Erfahrung mit dem Reifen bin ich in jedem Moment, jeder Situation total am abwägen: « Kann ich das noch von ihm verlangen? Ist es zuviel?». Noch so einen Patzer darf ich mir nicht erlauben.

Aber Tomte geht aus jeder neuen Erfahrung gestärkt heraus. Und nach einer langen Fresspause darf er dann immer noch etwas sein Holz ziehen. Mittlerweile problemlos.

Für den nächsten Tag gehen wir mit Holz hinten dran zu einem anderen Dorf. Diesmal 4 km den Berg hoch mit wenig Verkehr. Alles läuft gut. Acht Kilometer läuft er also an diesem Tag. Soviel ist er wahrscheinlich in seinem Leben noch nicht am Stück gelaufen. Danach ist er so müde, dass er sich sofort hinlegt.




Er zieht mittlerweile so ruhig das Holz und läuft so gut im Verkehr, dass es eigentlich Zeit wäre ihn hinten an der Kutsche angebunden laufen zu lassen. Aber immer noch fehlen die Schuhe. Also was können wir noch trainieren, wozu ich Hilfe brauche? Ich möchte die Zeit so intensiv wie möglich nutzen, der nächste Besuch, also Hilfe, kommt erst in ein paar Wochen.

Also wage ich es und wir laufen eine Runde auf unserer grossen Wiese (dann braucht Max keine Schuhe), wobei Max von mir, Tomte von Laura geführt wird und beide am Halsriemen miteinander verbunden sind. Aber weit auseinander, damit Max nicht mit den Hörner nach Tomte schlagen kann. Das klappt so erstaunlich gut, dass ich mich traue einen Riesenschritt weiter zu gehen. Ich entleere die Kutsche zur Hälfte und spanne Max an. Daneben wird Tomte am Halsriemen an der Deichsel angebunden, aber ohne Zugstränge. Dh er kann die Länge des Seils entweder nach vorne, zur einen Seite oder nach hinten ausweichen. Er kann aber nicht weg, weil Max ja die ganze Kutsche unter Kontrolle hat und er stur seine Arbeit tun wird. So ist der Plan. Deshalb habe ich auch Max gewählt. Der ist viel zu faul um schneller zu gehen als unbedingt nötig, selbst wenn der andere Ochse auf der Seite anderes vorhat. Auch steht er verlässlich still egal wo ich ihn stehen lasse (solange es kein frisches Gras zu nah gibt). Ich hab eher bedenken, dass er ständig mit dem Hörnern nach Tomte hauen wird, aber dafür bin ich ja da. Genau um das zu unterbinden. Ich führe wieder Max, Laura Tomte.

Natürlich ist jetzt wieder alles neu für ihn. Aber er hat so viel Selbstsicherheit in den den letzten Tagen sich erarbeitet dass es erstaunlich gut geht. Natürlich geht er erstmal viel zu schnell und wird vom Halsriemen zurück gehalten, dann lässt er sich zurück fallen, aber da ist ja die Kutsche. Es läuft also noch etwas holprig. Zwei Runden laufen wir auf der Wiese. Dann werden beide Ochsen seitlich an der stehenden Kutsche angebunden und können darüber nachdenken, was gerade passiert ist.

Das ist in meinem Training ein ganz wichtiger Punkt. Ich habe festgestellt, dass man bei Ochsen sich ganz viel Zeit und Energie ersparen kann, in dem man sie einmal oder zweimal etwas gut machen lässt und dann anbindet und darüber nachdenken lässt. Das wirkt besser wie mehrfache Wiederholungen der selben Sache. 

Und genau so ist es dann. Nach zwanzig Minuten Pause spannen wir wieder an und alles läuft ruhig. Es wird nicht mehr gross nach vorne oder hinten gezogen. Tomte läuft ruhig neben Max. Was für ein Erfolg.

Die Anwesenheit von Max, seine Ruhe, bringt Tomte total viel. Er orientiert sich am Alten erfahrenen Ochsen.

Schon am nächsten Tag hänge ich die Zugstränge ein (mit etwas Zeitaufwand, weil er diesen Moment immer noch nicht so gut findet) und wir laufen unsere Runde auf der Wiese. Das klappt sogar besser als ohne Zugstränge, weil er nicht mehr so weit nach vorne kommt. Am Schluss hänge ich Milan hinten an der Kutsche an und ich traue mich einmalig auch ein bisschen auf Teer zu gehen. Nicht weit, weil wir immer noch keine Schuhe haben. Selbst eine enge Drehung zum Wenden bekommen wir jetzt hin. Auch deshalb, weil Max Tomte einfach mit zieht.



Am Nachmittag gibt's schon wieder was Neues! (Für Tomte gibt es jeden Tag etwas neues in dieser intensiven Trainingswoche). Er bekommt den Packsattel drauf und wir laufen wieder nach Airolo. Diesmal zum einkaufen. Am Bahnhof warten ich mit ihm auf Laura, die ins Geschäft geht. Ganz entspannt. Ein Motorradfahrer kommt, macht ein Foto, fährt wieder. Der Postbus muss hinter uns durch. Alles ein Teil des Training, alles kein Problem mehr. Wir werden noch auf was zu trinken eingeladen, als Dank für ein Foto. Eigentlich habe ich schon abgesagt, doch dann legt sich Tomte einfach auf den Bürgersteig vor das Restaurant. Sehr zur Freude aller Gäste. Und käut wieder. Neben ihm fahren Motorräder, Fahrradfahrer und Autos durch. Das ist ihm egal. Er macht Pause und wir dadurch auch.



Am nächsten Tag kommen in der früh die Schuhe an, doch Laura muss am Nachmittag zurück nach Hause. Letzte Chance für wichtiges Training. Ich setze alles auf eine Karte. Jetzt müssen wir alles einmal ausprobieren, damit ich weiss, wo Tomte steht und was ich noch trainieren muss (ohne ihn in Gefahr zu bringen, weil Laura noch als helfende Hand da ist). Also spanne ich an. Max und Milan vorne mit mir. Tomte hinten an der Kutsche angebunden. Mit Laura an seiner Seite. Und laufen nach Airolo rein. Am Bahnhof, den kennt er ja mittlerweile gut, wird umgespannt. Tomte nach vorne. Milan nach hinten. Und los geht’s. Was ich nicht bedacht habe ist, dass es gleich bergauf geht und Tomte ja noch nicht zieht. Und Max nicht ganz einsieht, die fast leere Kutsche alleine die Steigung hoch zu ziehen. Das ist doch Teamarbeit, denkt er sicher. Es war aber auch schon richtig warm. So musste ich Max immer wieder auffordern weiter zu laufen, und das mit natürlich vielen Zuschauern. Erst nach 100m merkt Max, dass die Kutsche nicht wirklich ein Problem ist und zieht gut. Da schaut uns aber schon niemand mehr zu. Tomte läuft super neben der Kutsche, wenn man davon absieht, dass er nicht zieht. Das schwierigste für mich ist, rechtzeitig zu merken, wenn Max Tomte ärgern will. Weil der sich dann zurück fallen lässt, sogar stehen bleibt, Max aber weiter geht und somit die Kutsche einen Bogen fährt.



Im nachhinein klingt es als absoluter Wahnsinn, so viele neue Schritte in so kurzer Zeit zu machen. Und Tomte so schnell sogar in der Stadt ziehen zu lassen. Aber er hat mir mit all den vorhergehenden Schritten gezeigt, dass er bereit ist und die Ochsengrundlehre (« mir ist zu stressig mich zu stressen») verinnerlicht hat. Und mit Max an seiner Seite, der so verlässlich ist und auch anhält, wenn Tomte eigentlich weiter gehen würde und die Kutsche dadurch sicher im Verkehr hält, war all das möglich. Und dank Laura, die immer bereit war einzugreifen, hätte irgend etwas nicht funktioniert.

Nur musste sie dann weg.

Ich wusste, wenn ich nicht gleich am nächsten Tag alleine einspanne, traue ich mich nicht mehr und bin wieder auf Hilfe angewiesen. Ist ja schon ne Nummer allein mit dreien. Also bin ich heute los. Im Verkehr zuerst mit Tomte hinten und dann auf ruhigem Schotterweg Tomte vorne. Und heute hat er sogar gezogen !!! Max hat das gleich schamlos ausgenutzt und sich mitziehen lassen. Wir waren drei Stunden unterwegs. Es lief fantastisch! Natürlich geht nicht alles rund, es gibt schon noch Feinheiten, an denen wir arbeiten müssen. Aber ich spreche schon von Feinheiten!!



Drei Wochen und ein Tag ist Tomte heute bei mir und wir haben es geschafft! Er gibt seine Füsse, zieht Schuhe an, zieht die Kutsche und lässt sich von Verkehr nur noch sehr sehr wenig beeindrucken (bzw gar nicht, solange er vorne neben Max läuft! Ein Wahnsinn! Was für eine Leistung von diesem jungen Ochsen!

Eigentlich könnten wir jetzt los. Alles andere lässt sich auch noch on Tour lernen. Teils sogar besser. Aber nach 11 Tagen intensivstem Training (vom ersten Mal überhaupt was ziehen bis heute) brauchen alle Parteien jetzt ein paar Tage frei. Und die gebe ich uns auch. Haben wir alle verdient!


Donnerstag, 2. Mai 2024

Zugtiere, die alt werden

Was macht man mit Zugtieren (oder zB auch Arbeitshunden) wenn sie älter werden? 

Das ist schon eine berechtigte Frage. 

Möglichkeit 1: Erlösen. 

Möglichkeit 2: Altersplatz bei sich oder ausgelagert bieten. Ein Ort, wo das Tier seine Grundbedürfnisse gedeckt hat.

Möglichkeit 3: weiter integriert lassen in seinem gewohnten Leben, mit reduziertem Aufgabenbereich. 

Zu Möglichkeit 1: von Erlösung an diesem Punkt zu sprechen, ist das falsche Wort. Das Wort wird sehr schnell benutzt um die Entscheidung für sich selbst zu erleichtern und zu rechtfertigen. Ein Zugtier, welches Anzeichen von Alter zeigt ist weit davon entfernt «erlöst» werden zu müssen. 

Ich würde es daher eher als «Platz schaffen, Probleme beseitigen» bezeichnen (ein Tier welches alt wird braucht mehr Aufmerksamkeit, Unterstützung, evtl Medikamente usw). Und kommt für mich nicht in Frage an diesem Punkt. Nicht für Max (mit seinem Tick der Muskulatur), nicht für Milan (der im Winter bei Kälte Beschwerden hatte und jetzt seid zwei Monaten schmerzfrei ist) und nicht für Piz, die einfach mittlerweile auch 12,5 Jahre alt ist und ihre Gebrechen hat. 

Zu Möglichkeit 2: Ab dem Moment, wo ich Verantwortung für ein Tier übernehme, übernehme ich es von Anfang bis Ende. Darüber habe viel nachgedacht diesen Winter. Ich habe auch schon herum telefoniert um einen Gnadenhofplatz für die beiden zu finden. Für mich hätte es den Vorteil gehabt, dass ich auf Pferde umsteigen kann. Denn Pferde und Ochsen passen von der Geschwindigkeit her nicht zusammen. Dh ich hätte Max und Milan nicht hinten angebunden mitnehmen können.

Aber es kommt für mich auch nicht in Frage. Im ersten Gedanken, v.a. von aussen betrachtet, erscheint Möglichkeit 2 als logischer und auch schöner Schritt. Nicht mehr arbeiten müssen, Füsse hochlegen usw ist ja auch das, was sich jeder Mensch erstmal fürs Alter wünscht. Doch wie gerne gehen Menschen dann wirklich ins Altersheim, wo es doch eigentlich auch ein Hotelaufenthalt all inklusive, ist?

Für mich wäre es eben ein Abschieben nach so vielen Jahren erbrachter toller Leistung und schönem Zusammensein als Herde. Auch ein Abschieben, weil an einem anderen Ort zwar die Grundbedürfnisse gedeckt wären, aber eben auch nur diese. Fressen und schlafen. Doch Max und Milan kennen so viel mehr als dieses. 

Also bleibt mir nur die dritte Möglichkeit: ich biete ihnen reduziert ihr altes Leben an. Mit junger Unterstützung und einfach angepasst an ihre körperliche Situation. Dh zB weniger Kilometer, mehr Tage ohne weiter ziehen zwischen drin. Je nachdem, wie sie es mir zeigen. Das bringt noch den enormen Vorteil, dass sie mehr Muskulatur und Bewegung haben werden und genau das das ist, was es braucht, um gut älter werden zu können.

Nummer 3 ist  also die einzige Möglichkeit, die in unserem Fall irgendwie logisch ist. 

Dann, wenn Max und Milan wirklich alt sind und nicht nur erste Anzeichen haben (die ich mit 42 übrigens auch schon habe), dann erst kommt für mich die Möglichkeit 2 in Betracht. Nämlich auf die Art und Weise, dass ich für uns alle einen Platz über den Sommer suche, wo wir zusammen sein können ohne unterwegs zu sein. 

Ich weiss, dass ich mich mit dieser Haltung angreifbar mache. Auch damit, dass ich immer ehrlich über den Gesundheitszustand meiner Tiere berichte. Eigentlich könnte ich es auch einfach nicht schreiben, dann wüsste es niemand. Aber mein Blog geht darum, dass ich ehrlich über uns schreibe. Über unser Leben als Herde. Und das Alt werden ist leider auch ein Teil davon. Es ist nicht alles Sonnenschein.