Sonntag, 14. August 2022

Kinder auf der Kutsche: Mehrstimmige Begleitung


Mit Lothar hatte ich manchmal Begleitung für ein paar Tage von Freundinnen mit ihren Kindern. Lothar hatte aber kürzere Hörner und hat verlässlicher gebremst. Deshalb war es mir bis letztes Jahr zu heikel Kinderbesuch zum Mitreisen zu haben.

Dieses Jahr sind meine Ochsen aber so verlässlich auch im Bremsen und Anhalten, dass nur noch die Gefahr mit den Hörnern bleibt. Und an dieser Gefahr kann ich nichts ändern. Deshalb habe ich mich gefreut, als mich eine Freundin anrief um zu fragen, ob sie mit ihren drei Kindern uns für eine Weile begleiten könnte.

Umpacken, das war das erste, was wir tun mussten, um überhaupt zusammen reisen zu können. Meine Kutsche ist gerade randvoll. Wegen der Trockenheit nehme ich jede Möglichkeit an Kleinballen Heu zu kommen war und diese verdrängen immer alles andere auf der Kutsche. Und vier Menschen bringen nochmal einiges an Kleidung, Schlafzeug und Essen mit. Also haben wir alles, was ich nicht unbedingt brauche in ihr Auto gepackt. Ich trenne mich deshalb von einem Ballen Heu, Brennholz, Akkordeon, Ersatzkummet, Ersatzschuhe usw und dafür wandert ihr Gepäck auf die Kutsche. Die armen Hühner müssen nach hinten auf die Plane weichen, bekommen aber in ihrer exponierten Lage einen Sonnenschirm. Und so gibt es vorne drei Sitzplätze für drei Kinder. 




Ist ja schon spannend. Wir wissen ja alle nicht, ob es funktionieren wird. Ob es allen gefällt, ob wir einen gemeinsamen Rhythmus finden, wie der Ablauf wird. Das größte Geschenk macht uns ein Gewitter in der Nacht bevor sie kommen. Denn dieses lässt die Temperaturen von 38 Grad auf 28 sinken. Hab mir um Vorfeld viele Gedanken gemacht wegen der Temperaturen. Ich kann von Kindern nicht erwarten um drei Uhr aufzustehen und um fünf parat zu sein. Andererseits ist es auch zu trocken hier um nach einer Wiese für ein paar Tage zu fragen, damit wir stationär bleiben können. So schön, dass mir diese Entscheidung von dem Gewitter abgenommen wird. 28 Grad ist immer noch viel um eine Kutsche zu ziehen, aber wenn ich die Wege in Wälder verlege sollte es gehen. Und ich werde es in den kommenden Tage sehr zu schätzen wissen, bis sechs Uhr schlafen zu können und nicht mit dem Gefühl, ich müsse vorwärts machen, weil sonst die Hitze kommt, meinen Morgen verbringen zu können.

Aber es ist so schön zu sehen, wie alle sich einlassen auf das Zusammensein und wie wir zusammen wachsen als „Herde“. Max und Milan bleiben meine Aufgabe. Ich lasse es denn Kindern zwar offen Max zu striegeln (Milan nicht, der ist zu nervös), anzuschirren oder zu führen, doch nach den ersten Tagen konzentrieren sich die Kinder mehr auf Tiere kleinerer Größe: die Hunde und Hühner. Diese werden umsorgt, verhätschelt und mit ganz viel Aufmerksamkeit bedacht. Um die Hühner speziell muss ich mich in all den Tagen gar nicht mehr kümmern. Camp aufbauen, Kochen, Abwaschen wird von allen gemacht. Mal besser, mal zäher aber das ist ja normal.






Doch auch die Ochsen bekommen indirekt ihre Aufmerksamkeit. Denn Zaun auf und wieder abbauen wird durch Kinderhände verrichtet und es passiert was wunder wunderschönes, und zwar bekommen wir Lieder gesungen auf den langen Strecken im Wald. Mehrstimmig. Das hat mir total gut gefallen, ich denke aber auch den Ochsen.

Ich habe ja so ein Raster im Kopf, was ich unbewusst mehrmals durch gehe unter der Fahrt. Wie geht's denn Ochsen, wie sind ihre Kräfte, wie sind meine? Wie geht's denn Hunden, den Hühnern? So was man halt tut als Herdenmesch. Jetzt kam an erster Stelle für mich immer: wie geht's den Kindern, wie sind ihre Kräfte? Dann kamen die Ochsen und dann der Rest.

Nach dem Abschied war es erstmal komisch, weil die Frage, „ wie geht's den Kindern“, ja erstmal eine Lücke hinterlassen hat.

Es war schon eine besondere Zeit.  Wir sind kürzere Strecken gelaufen, auch ein bisschen anders. Sonst bin ich manchmal den Ochsen zu liebe bei einem Berg dann doch auf die Teerstraße mit Verkehr. Jetzt bin ich eher Umwege oder habe auch das Risiko eines steilen Waldweges in Kauf genommen (hier im Norden der Schweiz habe ich ja die Wahl, Waldwege, Teerstraße...). Erstaunlicherweise hat es aber immer funktioniert. Und dafür wurden mir Brombeeren gebracht. Ich habe UNO gespielt und musste nie alleine an die Tür eines Bauernhauses gehen. Und alle Menschen haben auch diese Familie ins Herz geschlossen und sie auf ihre Wiese eingeladen. Und uns noch versorgt mit Obst und Gemüse.

Fünf Camps haben wir zusammen aufgeschlagen. Es waren sehr schöne Tage. Randvoll von Morgens bis Abends. Vielen herzlichen Dank euch allen! Jederzeit gerne wieder! 

 



 

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