September. Das heißt, dass wir wieder in Richtung Tessin unterwegs sind. Das heißt auch, dass wir hohe Pässe laufen müssen/dürfen um dorthin zu kommen. In der zweiten Hälfte vom September müssen wir auf jeden Fall am Fuße der Pässe stehen, denn dann kann jederzeit Schnee fallen dort oben und uns den Weg abschneiden. Für kürzer oder länger.
Wenn wir eine Weile keinen Pass gelaufen sind, habe ich immer eine gewisse Unruhe in mir. Ob die Ochsen es schaffen. Wie das Wetter ist, wenn wir oben sind... Ich bin mittlerweile genug Pässe gelaufen um zu wissen, dass es mehr als grenzwertig für die Ochsen und mich sein kann, wenn das Wetter nicht mitspielt auf über 2000m.
Dieses Jahr kommt der Schnee sogar vor mir auf die Grimsel. Drei Tage vorher hieß es noch Regen, doch dann auf einmal Schnee bis auf 1600m. Ich rechne meine Etappen durch, etwas was ich nur in den hohen Bergen mache, und merke, dass ich dann genau an dem Tag zwischen der Grimsel und der Furka auf 1600m sein würde. Kein guter Plan. Wer weiß, wenn er wieder weg geht? Also muss ich den Schnee vor uns her ziehen lassen und warte ihn ab. Für die Tage danach wird das Wetter aber wieder gut angegeben. Der Tag vom Schnellfall sind wir also in den Startlöchern auf 1400m. Es hat vier Grad, Regen und starken Wind. Kein Spaß für alle von uns.
Doch all das zählt nicht mehr in den nächsten Tagen, als wir über die Pässe ziehen. Diese gewaltige Natur, die Rauheit und die alle Mauern in einem niederschmetternde Schönheit der Berge ist jedes Jahr aufs neue Offenbarung, Nahrung für die Seele, Ausnahmezustand positivster Art.
Dieses Jahr ist es um einiges kälter, als unsere Passüberquerungen der letzten Jahre. Bei minus fünf Grad erwachen wir nach der Grimsel in Gletsch und das ist erst auf 1600m. Aber es hat schönes Wetter. Bis auf den Ochsen ist allen kalt. Den Menschen, den Hunden, den Hühnern. Selbst manche Zeltstangen sind zusammen gefroren. Die Kälte, die mich vier Tage lang in Winterkleidung laufen lässt hat aber den Vorteil, dass Max und Milan zügiger laufen als sonst. So machen wir dieses Jahr die Pässe mit 3km/h, statt 2. Das ist eine gewaltige Steigerung und verkürzt die Laufzeit enorm, die wir zwischen den vororganisierten Alpen haben.
Von Gletsch aus laufen weiter, laufen unseren nächsten Pass, die Furka mit ihren über 2400 m. Dieser Pass hat nicht die Mondlandschaft, wie die Berner Seite der Grimsel, dafür gigantische Ausblicke weit über viele Berge hinaus. Leider zeigt der Wetterbericht mittlerweile die nächste Schlechtwetterfront. Noch mit Regen, doch bis der da ist, kann es auch auf Schnee gewechselt haben. Deshalb muss ich wieder anfangen zu rechnen. Und merke, dass mir, wenn wir wie geplant die Etappen weiter laufen, ein Tag fehlt, dh dass uns das schlechte Wetter auf dem Gotthard erwischen wird. Nicht gut. Also muss ich irgendwo plus Kilometer raus schinden und das geht nur bergab. Sollten wir von der Furka gleich 900 Höhenmeter bis nach Realp herunter laufen? Das bedeutet aber fast 19km am Stück, was in den Bergen gigantisch viel ist. Und eigentlich wollte ich noch auf einer Alp halten. Eigentlich nach Überquerung der Furka gerne ein paar Tage irgendwo einfach bleiben und meine Seele hohe Berge tanken lassen. Aber schlimmer wäre es im Gotthard ins schlechte Wetter zu kommen. Also hoffe ich einfach, dass Max und Milan mit machen bei den vielen Kilometern.
Ich erinnere mich auch noch, dass auf der Uri Seite der Furka Anhängerverbot ist. Gilt die Kutsche denn als Anhänger? Eigentlich ist sie ja schon irgendwie einer. Mache ich mich also strafbar, wenn ich sie trotzdem laufe?
Ein Telefonat und Besuch im Internet später werde ich aber wieder ruhiger. Kutschen laufen unter einer anderen Kategorie, denn das Anhängerverbot gilt für „Motorfahrzeuge mit Anhänger“, also nicht für Ochsen mit Anhänger.
Aber auch ohne dieses Problem lag mir die Uri Seite die ganze Zeit vorher schon etwas im Magen. Ich bin sie bisher nur zweimal mit dem Auto bergab gefahren und hatte als Flachlandei wahnsinnig Angst, weil es keine Leitplanken gibt, nur so Steinpfeiler und ich gefühlt immer Richtung Abhang gefahren bin mit der Angst, dass natürlich gleich die Bremsen versagen. Dazu kommt noch, dass es an vielen Stellen eineinhalbspurig nur ist. Am Abgrund.
Wie wird das dann erst mit Ochsen sein?
All diese Gedanken hätte ich mir aber sparen können. Denn mit 4kmh und einem Ochsenkarren begab zu laufen ist gar nicht angsteinflössend. Und alle Busse treffen wir an genau den richtigen Stellen. So ist auch dieses hinab laufen ein unglaubliches Erlebnis für die Augen und das Herz und problemlos schaffen wir diese lange Etappe. Danach gibt es in mir ein großes aufatmen. Wir werden es über die Pässe geschafft haben, ohne eingeschneit, oder vom Tessin abgeschnitten zu werden. Hatte ich Anfang September noch gefühlt sooo viel Zeit bis Ende September, ist uns dann schlussendlich doch die Zeit davon gelaufen.
Aber fürs nächste Mal nehme ich mir vor, vorweg früher die Pässe anzugehen, damit wir richtig in ihnen verweilen können. Es war wunder wunder wunderschön, aber einfach viel zu schade, da so durch zu rasen, wenn man das mit Ochsen überhaupt behaupten kann.
Der Gotthard bedeutet auch immer, dass meine Reise du gut wie zuende ist. Doch eigentlich gibt es nichts schöneres für den Abschluss der Reise, für mein Herz, mein ganzes Dasein, als genau diese Routen über die hohen Bergen. Ich denke, die Fotos können etwas davon wiedergeben.
Grimsel und Gletsch:
Hier sieht man schon im Hintergrund die nächste Passstraße auf die Furka |
-5 Grad |
Eis auf dem Solarpanel |
Furka und Realp:
Im Hintergrund die Grimsel Passstraße |
Die ersten Sonnenstrahlen genießt Max ganz besonderes |
Erster Blick ins Tessin |
Hallo zusammen toll das Ihr es geschaft habt, leider konte ich Euch nicht unterwegs besuchen, aber werde sicher einen halt im Tessin einplanen und Euch dort besuchen. Wünsche eine gute und Gesegnete Zeit. Liebe Grüsse Emanuel
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