Meine «schöne» rot-gelbe, metallene, alte, verlässliche
Schrottkutsche. Für 10000 Forint habe ich sie damals gekauft, das
dürften so 35 Euro gewesen sein. Mehr war auch nicht mehr drin, da der
Kauf von Lothar all mein Geld aufgefressen hatte. Doch eine
Übungskutsche musste damals her, damit Lothar und ich uns aneinander
gewöhnen konnten. Dieses besagte Gefährt hatte jemand ziemlich
dilettantisch selber gebaut, doch wegen ihrer Mängel war sie nie
wirklich zum Einsatz gekommen.
Ich habe sie damals zerlegt,
verstärkt wieder zusammengeschweisst und bunt angemalt, und auf einmal
hiess es: oh was hast du für eine schöne Kutsche.
Ihr
Grundproblem konnte ich damals nur Verbessern, nicht beheben: einen
verbogenen Drehkranz. Da ich eh nie vorhatte, sie mehr als für den
Einsatz auf dem Hof zu gebrauchen, war mir das egal. Auch an der leicht
verbogenen Vorderachse, die dazu führte, dass die Räder sich immer
schief abfuhren, lies ich mich nicht stören.
Schlussendlich bin ich
dann doch mit ihr losgezogen, habe es aber nie bereut. Der verbogene
Drehkranz war zu Lothars Zeiten auch kein so grosses Thema, weil die
Einspännerdeichsel vom Tier selber getragen wird und so kein
zusätzliches Gewicht und Vibration überträgt.
Jetzt mit Max und
Milan und der Zweispännerdeichsel war das eine andere Nummer. Diese
schwebt nämlich frei und wird von der Kutsche getragen. Jedes Gewippe
und ihr Eigengewicht geht direkt auf den Drehkranz. Eigentlich wollte
ich das schon vor meiner Losreise letztes Jahr behoben haben, aber
wieder wurde nichts draus. Ein Drehkranz dieser Grösse konnte ich nicht
finden und eine neue Vorderachse war auch nicht in Sicht.
Also bin
ich doch einfach hoffnungsvoll trotzdem losgezogen, habe aber nie
gedacht, dass wir ohne einen Bruch in dem Bereich des Drehkranzes ans
Ziel kommen würden.
Bis auf einmal nachschweissen hat das erstaunlicherweise aber geklappt!
Trotzdem
war klar: da muss was anderes her. Und: es ist wohl einfacher gleich
eine andere Kutsche zu finden als passenden Drehkranz plus passende
Vorderachse.
Und somit verabschiede ich mich in diesem Jahr von
meiner alten Kutsche, die mein Hab und Gut so viele tausend Kilometer
auf ihrem Rücken getragen hat ohne sich zu beklagen. Hatte sie mal ein
Problem, war es immer mit einem Schweissgerät und etwas Altmetall zu
beheben. Auch als es die gebrochene Vorderachse war.
Dass ich sie jetzt abstelle und mir eine neue kaufe fühlt sich auch wie ein Verrat an, nach diesen Jahren der Verlässlichkeit.
Aber
ich habs getan. Jetzt steht sie erstmal für diesen Sommer in einem
Schuppen, bis sich die neue bewährt hat oder auch nicht.
Und ich fühle mich als würde ich fremd gehen.
Die
Suche nach einem neuen gebrauchten Gefährt hätte mich fast bis nach
Norddeutschland geführt. Komischerweise gibt es fast nur dort Kutschen,
die für mich passen würden. Die meisten Kutschen die zum Verkauf stehen
sind Marathonwägen, die gar keine Ladefläche haben. Ackerwagen, wie ich
einen bräuchte, in der «Ponygrösse» (ich will ja berggängig bleiben)
waren im süddeutschen Raum oder in der Schweiz gar nicht zu finden. Oder
zu reparaturbedürftig. Reparieren tu ich schon auch gerne, aber ohne
Werkstatt und Maschinen schwer machbar.
Oder sie haben die falschen
Bremsen dran, oder nur eine Vorderradbremse. Für mich als mitlaufende
Person ist eine Hinterradtrommelbremse essenziell. Eine hydraulische
Scheibenradbremse würde bei vielem Bergabfahren irgendwann den Dienst
aufgeben, eine Bremse die von aussen auf das Rad einwirkt, wie bei den
ganz alten Kutschen, ist ganz ungeeignet.
Die Lage, die Ladefläche,
die Grösse, Zweispännerdeichselvorrichtung, das Bremssystem, alles
Eigenschaften die über Monate (wenn nicht gar Jahre, ich habe immer
wieder die Augen offen gehalten) in keiner Anzeige erfüllt worden sind.
Die einzige, die ich mal näher ins Auge fasste, war dann auch schon
verkauft.
Im September sehe ich auf einmal eine Anzeige aus dem
Kanton Bern. Ein kleiner «Planwagen», die selbe Grösse wie meine jetzige
Kutsche, von einem professionellen Hersteller mit einer Einspänner- und
Zweispännerdeichsel UND Trommelbremse hinten UND vorne ausgerüstet. Ich
war so erstaunt und glücklich, dass ich gar nicht auf den Preis
geachtet habe als ich meine Fragen stellte. Einzig eine Achsschenkellung
hat sie nicht (die hat gar keinen Drehkranz mehr, wie im Auto, und
vermindert die Kippgefahr um ein vielfaches), aber das ist auch schon
alles!
Bei 3000Franken musst ich dann aber schon schlucken, war das doch das Doppelte von meinem maximalen Budget. Also nicht machbar.
Aber
ich habe dann einfach eine Email geschrieben, erzählt, dass mein Budget
bei 1500 Franken liegt, dass die Kutsche dafür aber die Welt sehen
wird...und ich habe die Zusage bekommen!
Und ein Bekannter hat sie mir an seinem freien Tag sogar gebracht!
Das Foto zeigt sie in der Anzeige:
Natürlich
musste ich die auch noch Ochsen und Evatauglich machen. Das Verdeck,
war mir klar, kommt weg. Es schaut zwar nett aus, ist für mich aber
unpraktisch. Die Bordwände mussten höher werden, um meinen ganzen
Krimskrams nicht rausfallen zu lassen, wenn es mal uneben wird.
Die
Deichsel für Ochsen verlängert werden. Die Bremsen von vorne zu bedbar
sein mit Kurbelbremsen. Die lassen sich stufenlos, also feiner,
einstellen. Uralte, noch gusseiserne Kurbeln habe ich mir in Ungarn von
zwei nicht mehr einsatzfähigen Leiterwägen abgebaut und jetzt im Winter
in die neue Kutsche eingebaut.
Und dank Corona sind die Bordwände jetzt sogar blau und die Kurbelbremsen grün.
So schaut sie jetzt aus.
Ich
bin gespannt, wie sie sich über den Sommer macht. Sie ist so leicht
gebaut, dass ich sie, wäre sie nicht von einer guten Kutschenbaufirma,
gar nicht gekauft hätte. Aus Angst, meine Ochsen würde sie bei erst
bester Gelegenheit kaputt rantern. Aber so gebe ich ihr jetzt eine
Chance und bin gespannt!
Max und Milan schätzen an ihr sicher ihr
Gewicht, die verlängerte Deichsel, die ihnen mehr Kopffreiheit gibt und
die schönen Dreiecksrückstrahler, die sich mit den Hörnern so schön
knackend kaputt machen lassen, wenn man an der Kutsche angebunden ist.
Die
Kutsche ist auf jeden Fall schon jetzt ein Gesamtkunswerk von vielen
Menschen, die mir geholfen habe dass sie jetzt so vor mir steht wie sie
es tut: den Vorbesitzern, dem Tranporteur, meiner Mutter, die ihre Zeit
im Baumarkt verbracht hat um Holz und Metallteile zu besorgen, der
Schlosserei hier im Ort für die Verlängerung der Deichsel und Umbau der
Kurbelbremsen. Und mir.
Diene redlich und gut.