Montag, 26. September 2022

Sieben Tage. Drei Pässe.

September. Das heißt, dass wir wieder in Richtung Tessin unterwegs sind. Das heißt auch, dass wir hohe Pässe laufen müssen/dürfen um dorthin zu kommen. In der zweiten Hälfte vom September müssen wir auf jeden Fall am Fuße der Pässe stehen, denn dann kann jederzeit Schnee fallen dort oben und uns den Weg abschneiden. Für kürzer oder länger. 

Wenn wir eine Weile keinen Pass gelaufen sind, habe ich immer eine gewisse Unruhe in mir. Ob die Ochsen es schaffen. Wie das Wetter ist, wenn wir oben sind... Ich bin mittlerweile genug Pässe gelaufen um zu wissen, dass es mehr als grenzwertig für die Ochsen und mich sein kann, wenn das Wetter nicht mitspielt auf über 2000m.

Dieses Jahr kommt der Schnee sogar vor mir auf die Grimsel. Drei Tage vorher hieß es noch Regen, doch dann auf einmal Schnee bis auf 1600m. Ich rechne meine Etappen durch, etwas was ich nur in den hohen Bergen mache, und merke, dass ich dann genau an dem Tag zwischen der Grimsel und der Furka auf 1600m sein würde. Kein guter Plan. Wer weiß, wenn er wieder weg geht? Also muss ich den Schnee vor uns her ziehen lassen und warte ihn ab. Für die Tage danach wird das Wetter aber wieder gut angegeben. Der Tag vom Schnellfall sind wir also in den Startlöchern auf 1400m. Es hat vier Grad, Regen und starken Wind. Kein Spaß für alle von uns.

Doch all das zählt nicht mehr in den nächsten Tagen, als wir über die Pässe ziehen. Diese gewaltige Natur, die Rauheit und die alle Mauern in einem niederschmetternde Schönheit der Berge ist jedes Jahr aufs neue Offenbarung, Nahrung für die Seele, Ausnahmezustand positivster Art.


Dieses Jahr ist es um einiges kälter, als unsere Passüberquerungen der letzten Jahre. Bei minus fünf Grad erwachen wir nach der Grimsel in Gletsch und das ist erst auf 1600m. Aber es hat schönes Wetter. Bis auf den Ochsen ist allen kalt. Den Menschen, den Hunden, den Hühnern. Selbst manche Zeltstangen sind zusammen gefroren. Die Kälte, die mich vier Tage lang in Winterkleidung laufen lässt hat aber den Vorteil, dass Max und Milan zügiger laufen als sonst. So machen wir dieses Jahr die Pässe mit 3km/h, statt 2. Das ist eine gewaltige Steigerung und verkürzt die Laufzeit enorm, die wir zwischen den vororganisierten Alpen haben.

Von Gletsch aus laufen weiter, laufen unseren nächsten Pass, die Furka mit ihren über 2400 m. Dieser Pass hat nicht die Mondlandschaft, wie die Berner Seite der Grimsel, dafür gigantische Ausblicke weit über viele Berge hinaus. Leider zeigt der Wetterbericht mittlerweile die nächste Schlechtwetterfront. Noch mit Regen, doch bis der da ist, kann es auch auf Schnee gewechselt haben. Deshalb muss ich wieder anfangen zu rechnen. Und merke, dass mir, wenn wir wie geplant die Etappen weiter laufen, ein Tag fehlt, dh dass uns das schlechte Wetter auf dem Gotthard erwischen wird. Nicht gut. Also muss ich irgendwo plus Kilometer raus schinden und das geht nur bergab. Sollten wir von der Furka gleich 900 Höhenmeter bis nach Realp herunter laufen? Das bedeutet aber fast 19km am Stück, was in den Bergen gigantisch viel ist. Und eigentlich wollte ich noch auf einer Alp halten. Eigentlich nach Überquerung der Furka gerne ein paar Tage irgendwo einfach bleiben und meine Seele hohe Berge tanken lassen. Aber schlimmer wäre es im Gotthard ins schlechte Wetter zu kommen. Also hoffe ich einfach, dass Max und Milan mit machen bei den vielen Kilometern.

Ich erinnere mich auch noch, dass auf der Uri Seite der Furka Anhängerverbot ist. Gilt die Kutsche denn als Anhänger? Eigentlich ist sie ja schon irgendwie einer. Mache ich mich also strafbar, wenn ich sie trotzdem laufe?

Ein Telefonat und Besuch im Internet später werde ich aber wieder ruhiger. Kutschen laufen unter einer anderen Kategorie, denn das Anhängerverbot gilt für „Motorfahrzeuge mit Anhänger“, also nicht für Ochsen mit Anhänger.

Aber auch ohne dieses Problem lag mir die Uri Seite die ganze Zeit vorher schon etwas im Magen. Ich bin sie bisher nur zweimal mit dem Auto bergab gefahren und hatte als Flachlandei wahnsinnig Angst, weil es keine Leitplanken gibt, nur so Steinpfeiler und ich gefühlt immer Richtung Abhang gefahren bin mit der Angst, dass natürlich gleich die Bremsen versagen. Dazu kommt noch, dass es an vielen Stellen eineinhalbspurig nur ist. Am Abgrund.

Wie wird das dann erst mit Ochsen sein?

All diese Gedanken hätte ich mir aber sparen können. Denn mit 4kmh und einem Ochsenkarren begab zu laufen ist gar nicht angsteinflössend. Und alle Busse treffen wir an genau den richtigen Stellen. So ist auch dieses hinab laufen ein unglaubliches Erlebnis für die Augen und das Herz und problemlos schaffen wir diese lange Etappe. Danach gibt es in mir ein großes aufatmen. Wir werden es über die Pässe geschafft haben, ohne eingeschneit, oder vom Tessin abgeschnitten zu werden. Hatte ich Anfang September noch gefühlt sooo viel Zeit bis Ende September, ist uns dann schlussendlich doch die Zeit davon gelaufen.

Aber fürs nächste Mal nehme ich mir vor, vorweg früher die Pässe anzugehen, damit wir richtig in ihnen verweilen können. Es war wunder wunder wunderschön, aber einfach viel zu schade, da so durch zu rasen, wenn man das mit Ochsen überhaupt behaupten kann.

Der Gotthard bedeutet auch immer, dass meine Reise du gut wie zuende ist. Doch eigentlich gibt es nichts schöneres für den Abschluss der Reise, für mein Herz, mein ganzes Dasein, als genau diese Routen über die hohen Bergen. Ich denke, die Fotos können etwas davon wiedergeben.

Grimsel und Gletsch:









Hier sieht man schon im Hintergrund die nächste Passstraße auf die Furka 

-5 Grad

Eis auf dem Solarpanel


Furka und Realp:










Im Hintergrund die Grimsel Passstraße 






Die ersten Sonnenstrahlen genießt Max ganz besonderes
Gotthard:





Erster Blick ins Tessin




Dienstag, 20. September 2022

Mit anderen Augen

 Ich begleite Eva nun den dritten Tag auf ihrer Reise. Wir sind zwei Ochsen, ein Wagen, zwei Hunde, zwei Hühner und nun zwei Frauen. Eva kennt ihr ja, aber mich noch nicht. Ich heiße Dietlind und komme aus Deutschland und bin 22 Jahre alt. Kennengelernt habe ich Eva, als sie zwei Nächte bei den Geißelerwibern vom Brienzersee verbracht hat. Bei denen arbeite ich gerade gegen Kost und Logis. Spontan habe ich Eva gefragt, ob ich mitreisen darf und sie hat ja gesagt. Am Sonntag bin ich in Guttannen mit Eva gestartet. Jetzt drei Tage später haben wir den Grimselpass überquert und heute Morgen den ersten Frost, minus 5 Grad erlebt. 





Es kommt mir vor als wären wir irgendwo auf der Welt. Gestern sind wir durch eine Mondlandschaft gewandert und jetzt sind wir gefühlt in Sibirien. Alles dabei zu haben, fortbeweglich zu sein, nichts zu Tragen und gemächlich zu laufen (aber nur wenn’s bergauf geht, bergab rasen die Ochsen geradezu) und ganz viel gucken zu können ist herrlich! Es beeindruckt mich, wie eng Eva mit ihren Tieren zusammen lebt. Alle schauen zu ihr auf und hören auf ihr Wort. Ich stelle mir vor, dass es als Tier schön ist, wenn ein Mensch so viel Leben mit ihm teilt. Und Eva teilt ihr Leben wirklich mit den Tieren. Es gefällt mir, Teil dieser Welt sein zu dürfen. Und ich mag diese Art des Reisens. Langsam, leise und umweltfreundlich. Für mich sogar ganz sorglos, weil Eva alles plant und alleine klar kommt. Ich erlebe ganz viel neues und sehe ganz viel neues. Zum Beispiel durch einen Autotunnel zu laufen war echt stressig und laut und beängstigend. Aber jetzt weiß ich wie es ist. Oder wie es ist berühmt zu sein, denn wir werden andauernd ohne gefragt zu werden fotografiert. Wir sind nicht berühmt, aber wir sind einzigartig und kurios und wunderschön. Vor allem die Ochsen. Ich bin schon stolz darauf, das Ochsengespann zu halten, wenn Eva pinkeln muss oder einen Ochsen zu führen, wenn wir für die Mittagspause ausspannen. Mein Kopf wird leer von all den normalen Alltagsgedanken, leer von Planen und Fortbewegen und Arbeiten und menschliche Kontakte pflegen. Denn es ist einfach klar, wie ich mich fortbewege, klar was ich sehe, klar dass der Zaun für die Ochsen auf- und abgebaut werden muss und klar, dass ich nur Eva und die Tiere sehe und spreche. Mein Handy verwaist im Rucksack auf dem Wagen. Was bleibt, sind meine Träume nachts und Erinnerungen an die Menschen, von denen ich mich nicht trennen kann, die in mir herumrumoren. Aber diese Gedanken werden klein und reduziert angesichts der überwältigenden Berglandschaft.

Für mich ist es ein unglaublich starkes Naturerlebnis, ein Bergerlebnis, ein Schweizerlebnis, ein Nutztiererlebnis, ein Straßenverkehrserlebnis, ein Campingerlebnis und ein Evaerlebnis. Ich darf sie ein Stückchen kennen lernen. Ich bin neugierig, welche Seiten sie mir zeigt und über was sie schweigt.

Danke Eva!


Montag, 12. September 2022

Herdenmitglied auf Zeit

 

An einem Morgen jagt die rumpelnde Kutsche und die daneben laufenden Hunde einen Vogel auf, der im Straßengraben, bzw im Übergang zwischen Feldweg und Zuckerrübenfeld liegt. Es ist eine Taube, die vergeblich versucht weg zu fliegen, ihren linken Flügel aber ganz komisch hält. So eine hässliche Zuchttaube, mit diesem komischen Schnabel und Kopf, denke ich mir. Aber weit kann sie ja nicht her sein, irgendjemand wird sie ja vermissen. Also klemme ich mir die Gute so vorsichtig wie es geht unter den Arm. Mein erster Versuch sie einfach zu den Hühnern zu stopfen schlägt natürlich an deren Wiederstand fehl. Taube und Peitsche in einer Hand, Stricke der Ochsen in der anderen, laufe ich zu den nächsten Häusern hin. Irgendjemand wird mir schon Auskunft geben , wer hier Trauben züchtet.

Und was für ein Glück, genau dort wohnt ein Traubenzüchter. Das läuft doch wunderbar, denke ich mir noch. Doch als ich auf das Haus zulaufe sehe ich schon, dass da weiße Tauben im Schlag sitzen und nicht so graue wie meine.

Der alte Mann, der sie züchtet, ist nicht begeistert über mein auftauchen. Was er denn mit dieser Taube machen soll?, werde ich gleich abgewimmelt. Was soll ich da noch groß drauf sagen. Also bitte ich ihn zumindest um etwas Taubenfutter und einen Karton, damit ich meine Hände wieder frei habe. Das gibt er mir netterweise auch.

Also ziehen wir weiter. Mit noch einem Tier mehr auf der Kutsche. Damit ich gezielt jemand wegen der Taube kontaktieren kann, muss ich erstmal heraus finden, was es für eine Rasse ist, das scheint mir wohl am sinnvollsten. Und eine nervenaufreibende Sache, weil das Internet immer wieder so schlecht ist und es ewig braucht um Bilder überhaupt zu laden. Doch irgendwie bringt mich auch das nicht weiter. Weder bei Zuchttauben, noch bei Wildtauben finde ich ein Bild von so einem komischen Schnabel.




Mittags schaue ich mir erstmal ihren Flügel an, den sie so seitlich gehoben hat, finde aber keine Verletzung. Von dem Futter will sie nichts, auch kein Wasser. Das einzige was sie will: weg von mir. Da es mit dem fliegen nicht klappt, versucht sie sich zu Fuss von Acker zu machen, sofort, wenn ich sie auf den Boden setzte. Also setze ich sie wieder in die Kiste.

Es ist längst Abend, als ich zufällig auf ein Bild im Internet, was passt. Und so ganz langsam schwant mit, dass ich Mist gebaut habe.

Bei meiner Taube handelt es sich nicht um eine Zuchttaube, sondern um ein Jungtier einer Wildtaube (deshalb komischer Schnabel und Kopfform, trotz großem Körper), einen Ästling, der wohl bei einem Flugversuch auf dem Boden gelandet ist und sehr wahrscheinlich trotzdem noch von den Älteren versorgt wird. Was habe ich durch mein unüberlegtes Verhalten angerichtet? Hätte ich nicht erstmal vor Ort mein Handy zu Rate ziehen können (wenn ich Empfang gehabt hätte). Ich erwarte immer von anderen Menschen, dass sie sich ein paar Sekunden Zeit nehmen um ihr Hirn einzuschalten vor dem Handeln, bei mir selber klappt es aber scheint s nicht.

Jetzt hab ich keine andere Wahl mehr, als zu schauen, dass ich dieses arme Tier am Leben erhalte, bis sie wegfliegen kann. Was hab ich für ein schlechtes Gewissen! Die darf mir jetzt nicht wegsterben, wenn ich sie schon aus Dummheit von ihren Eltern getrennt habe!

Was frisst denn eine Taube, und was eine Jungtaube? Ihrem grünen Kot nach zu schließen viel Grünzeug. Zumindest gibt das Internet auch Aufschluss über die Fütterung von Jungtieren. Als Empfehlung: 7 Kornflockenbrei, wenn sie noch keine Körner frisst. Naja sowas hab ich jetzt nicht auf der Kutsche, aber immerhin Haferflocken und Haferkleie, daraus muss es jetzt ein Brei einfach tun. Begeistert ist sie gar nicht darüber. Aber wenn es mal auf ihrer Zunge liegt, siegt der Schluckreflex.

Ihr Verlangen von mir weg zu kommen bleibt stark bestehen. Manchmal macht sie Flugversuche. Der längste geht drei Meter auf einen Baum, danach stürzt sie aber sofort auf den Boden.

Im Internet finde ich schließlich in einem Vogelforum einen Bericht und die Antworten einer Frau, die auch dieselbe Taube gefunden hat. Jetzt weiß ich, dass es sich um eine junge Ringeltaube handelt. Ich lese auch etwas davon, dass deren Jungvogel den „grünen Hungerkot“ hat. Grüner Hungerkot? Scheints koten Tauben wenn sie Hunger haben in grüner Farbe, google ich auch noch nach. Also hat meine Taube gar nicht viel Grünzeug gegessen sondern hatte Hunger und das von Anfang an. Vielleicht wurde sie also gar nicht mehr versorgt. Woanders habe ich auch gelesen, dass Wildtauben ihr Jungen nicht immer weiter versorgen, wenn sie aus dem Nest gefallen sind. Zuviele Gedanken mache ich mir darüber aber nicht mehr. Denn Fakt ist, die Taube ist bei mir und muss von mir versorgt werden. Ob gerechtfertigter Massen oder nicht.

Zwei Tage würge ich dem armen Ding den Brei hinein. Und frage parallel alle Bauern, ob sie nicht eine Katzenkiste oder einen Käfig haben. Am dritten Tag werde ich fündig und bekomme sogar noch etwas Wachtelfutter dazu geschenkt. Zum Ausprobieren. Und tatsächlich, dieses Wachtelfutter pickt sie sofort und zwar in ganz großen Mengen! Was für eine Erleichterung nach den Tagen voll Zwang. Und zum ersten Mal ist die Taube zufrieden und legt sich auf meinem Knie ab.

Langsam läuft es also mit unserem neuen Herdenmitglied. Sie hat eine tolle Kiste mit einem Sitzast. Sie frisst, sie säuft selber. Immer auf meinem Knie, damit ich in Blick habe, wie viel sie zu sich nimmt.

Sorgen machen mir ihre Fluchtversuche. Sie ist definitiv noch nicht fähig selber genug Nahrung zu finden, geschweige denn zu fliegen. Was ist, wenn ich sie nach einem erneuten Flugversuch nicht mehr finde, wenn sie sich irgendwo versteckt? Dann verhungert sie endgültig.  Daher komme ich auf die Idee, ihr aus dem Gummi zum anbinden der Kuhschwänze ein Gestell zu bauen. Lasse aber schnell wieder davon ab, aus ich sehe wie sie in Panik gerät beim ersten anziehen. Stattdessen befestige ich ein Stück Leder an ihrem Bein, an das ich bei Bedarf einen kleinen Karabiner mit eben dem Gummi dran machen kann. So hat sie mehr Freiheit und ich gleichzeitig die Sicherheit, dass ich sie wieder finde. Und das akzeptiert sie total gut. Aber nachdem sie jetzt satt ist macht sie eh keine Fluchtversuche mehr. Sie scheint zufrieden auf ihrer Kiste sitzend.

Mittlerweile genieße ich die Anwesenheit dieses neuen kleinen Herdenwesens. Ich wusste gar nicht wie gut eine Taube riecht.

Nur die Hühner spinnen. Man kann es eigentlich nur als Eifersucht interpretieren.

An einem Tag muss ich kurz zu Max und Milan, als die Taube einen Flugversuch macht. Natürlich geht das nur begrenzt und so liegt sie am Boden und flattert. Das ist zuviel für Piz und sie beißt rein. Ich sehe es an den Federn im Maul. Die Taube hat zwei blutige Stellen, einiges an Federn gelassen und hat Schmerzen, macht die Augen auf Halbmast. Jedesmal, wenn ich denke es läuft und glücklich und zufrieden bin mit der neuen Herdenkonstellation passiert irgend etwas Blödes. Was hat die Taube nur für ein schlimmes Schicksal. Zuerst reiße ich sie aus ihrer Umgebung und dann pass ich nicht genug auf und sie wird gebissen. Ich hoffe nur, dass es nicht allzu schlimm ist und ich sie auch noch erlösen muss. Was für ein Tag!

Doch sie fängt sich wieder. Die zwei Wunden sind nur oberflächlich und heilen schnell und gut. Und scheint s hat es darunter nichts gequetscht.

Einen Tag später bin ich bei den Bauern und als ich zurück komme, haben meine Hunde das komplette Wachtelfutter aufgegessen. Ein gutes Kilo! Nichts haben sie übrig gelassen. Hier in der Umgebung hat auch niemand Wachteln um Futter nach zu besorgen. Deshalb probiere ich jetzt aus Ermangelung von etwas anderem wieder das Taubenfutter. Und jetzt frisst sie das nur aus ganzen Körnern bestehende Futter auch! Da hab ich nochmal Glück gehabt. Obwohl sie das andere schon lieber hatte. Schon wieder ein Rückschlag mit diesem armen Wesen.

Zwei Tage später macht sie wieder einen Flugversuch von ihrem neuen Ast aus, den ich ihr auf der Kutsche montiert habe. Leider landet sie in der Nähe der Hühner. Und die gehen sofort aggressiv auf sie los. Wäre ich nicht da gewesen, hätte es schlimm geendet.

So kann es nicht weiter gehen! Wenn ich sie weiter bei mir behalte, stirbt sie früher oder später durch eines meiner Tiere. Lasse ich sie weg fliegen, stirbt sie eventuell, weil sie sich nicht genug versorgen kann. Oder auch nicht. Das scheint vielleicht die bessere Möglichkeit. Sie an jemanden weiter zu geben, habe ich auch schon versucht. Aber niemand gefunden. Und zwei Wochen älter ist sie ja mittlerweile auch.

Ich weiß es nicht. Ich hab sie gerne um mich, aber das ist ja wohl ein sehr egoistischer Grund.

Also lasse ich sie schweren Herzens selber entscheiden und binde sie am Nachmittag nicht mehr an, als ich sie auf ihren Sitzast auf der Kutsche setze. Sie bleibt sitzen und ich bin froh. Eine Stunde später fliegt sie, und wie sie fliegt, auf einen geschützten Balken unterm Dach der Remise, wo wir daneben campen. Dort thront sie dann. Eine Stunde später kommt sie tatsächlich wieder runtergeflogen. Gleich gebe ich ihr Futter. Und wie sie sich voll stopft! Sie ist auch total aufgeregt. Wie high, wenn man das von einer Taube behaupten kann. Sie wirkt total glücklich! Kaum hat sich sich den Bauch voll geschlagen, fliegt sie wieder auf ihren Balken zurück. Irgendwie hatte dieser Moment etwas entgültiges. Noch ein letztes mal vom guten Futter und dann in die Freiheit. Etwas später ist sie weg.

Später sehe ich, dass sie sich einen Balken weiter rein in die große Remise gesetzt hat. Geschützter.

 Das war's wohl mit uns, liebe Taube. Du darfst gerne hier bleiben wenn du willst. Ich glaube es ist ein guter Platz. Du darfst aber auch so gerne weiter mit uns reisen. Ich würde mich freuen…

Als ich das Lager nachtfertig richte und die Plane zu mache, fliegt mit eine kleine Taubenfeder freudig entgegen. Da werde ich schon sehr traurig. Ich blase die Feder in Luft und wünsche der Taube alles erdenklich Gute auf dieser Welt.

Am nächsten Morgen schaue ich nach ihr. Sie sitzt immer noch am selben Ort. Mittlerweile müsste sie ja Hunger haben. Ich raschle mit den Körnern in ihrem Becher, aber sie interessiert sich nicht. Als später alles abfahrbereit ist, gehe ich sie nochmal besuchen. Mittlerweile sitzt siem noch weiter unterm Dach, an einer Stelle, wo ich ihr näher kommen kann. Da interessiert sie sich dann doch fürs Futter und kommt herunter geflogen. Was für eine Freude! Sie pickt eifrig und nur mal vorsorglich rieche ich nochmal an ihr. Noch ein mal diesen wunderbaren zarten warmen Duft. Ich nehme die Taube mit zum Camp. Was soll ich jetzt machen? Sie auf ihren Ast setzen und selber entscheiden lassen oder entscheide ich jetzt einfach wieder und setze sie in ihr Box und nehme sie mit? Und hätte dadurch noch etwas länger eine Reisetaube.

Ich setze sie in ihre Box, in der Hoffnung, dass sie sie als ihr bekannten, sicheren Raum nach der ungewohnten Freiheit der ganzen Nacht annimmt. Doch genau das Gegenteil passiert. Sie erkennt den Raum sofort und will nur weg! Raus! Keine vier Wände!

Ich hatte einen Moment, in dem ich einfach den Deckel hätte zu machen können. So du gehörst zu uns! Meine Entscheidung. Basta. Irgendeinen logischen Grund weshalb es für sie gut ist hätte ich mir schon zusammen basteln können.

Aber ich bekomme es nicht übers Herz. Die Taube fliegt aus der Box und in einem großen Bogen entlang der ganzen langen Remise. Was für eine Strecke, was für eine Kraft! Ich gehe sie noch suchen und finden sie in einer großen Fichte sitzende dahinter. Das war jetzt ein noch eindeutigerer Wink mit dem Zaunpfahl für mich.

Also mach's gut kleine Taube! Auf dass du reichlich gutes Futter findest. Ich hab dir noch etwas ausgestreut, du musst es nur finden. Danke dir für diese besondere Zeit meine Liebe.





Auf ihrer extra montierten Sitzstange auf der Kutsche


Sonntag, 4. September 2022

Ein neues Kummet für Max und Milan Teil 2

Wasen im Emmental. „Willkomme im Wase“ steht glaub ich am Ortseingang. Eine Ortschaft mit Besonderheiten, hat sie doch sowohl eine Sattlerei, als auch einen Handörgelibauer. Eine Drogerie, einen Bäcker, eine Landi und einen wunderbaren kleinen Eisenwarenladen der alles hat, und an dem beim Endpreis noch abgerundet wird von der Verkäuferin, die wohl jenseits der 75 ist. Da erstaunt es mich, dass der Lebensmittelladen eher dürftig ist und das Gemüse schon Beine hat.

Wir laufen an all dem vorbei Richtung Sattlerei. Glücklicherweise liegt die Stelle zum Rösser anbinden versteckt neben der Sattlerei und nicht davor. So können wir in Ruhe arbeiten. Und ist an einer Stelle angebracht, wo auch Max und Milan nichts kaputt machen können mit ihren Hörnern und der Neigung sich überall zu kratzen. Herr Blaser ist von den Hörnern erstmal unbeeindruckt und schafft mit den Ochsen mit einer Selbstverständlichkeit, als wären es Rösser. Zuerst wird alles fotografiert. Die Ochsen in ihren Geschirren, so wie sie angekommen sind, dann mit einem alten drei Polsterkummet, Berner Kummet in der Kuhgrösse und dann noch ein riesiges, was selbst für Max zu groß ist. Vielleicht hätte es Lothar gepasst, oder Ochsen mit über einer Tonne. Die Größe verwundert mich ehrlich gesagt. Denn aus der Zeit, wo das Kummet wohl stammt, waren die Kühe noch nicht so groß gezüchtet wie heute. Also waren auch die Ochsen kleiner. Wem mag das wohl gehört haben, was ist da die Geschichte dahinter?







Bei dem Berner Kummet werde ich schon fast schwach. Es passt Max sehr sehr gut. Und macht eigentlich einen kompetenteren Eindruck als das drei Polsterkummet. Ich entscheide mich aber trotzdem für Zweiteres, damit beide Ochsen was davon haben. Der Sattler hat drei Hamengrössen (das aus Holz gefertigte Teil). Max braucht die größte Größe. Dann wird angezeichnet, wo das Polster sitzen muss. Da bei dem Kummet der Sattlerei Blaser der Zughaken variabel zu platzieren ist muss dieser Punkt noch nicht speziell gekennzeichnet werden.





In der Zwischenzeit kommen immer wieder Menschen aus der Sattlerei um uns zuzuschauen. Es scheint ein Familienbetrieb zu sein, bei dem die Tochter oder Töchter? auch schon Mitarbeitern.

Max macht super mit und lässt alles mit sich machen. Vor Milan warne ich dann im Vergleich, doch auch dieser ist nur beim ersten Kummet anlegen etwas nervöser und steht dann genauso ruhig wie Max, käut wieder und legt sich schließlich sogar ab. Ich liebe meine Ochsen.





Am Schluss besprechen wir noch meine Sonderwünsche das Kummet betreffend und dann sind wir auch schon wieder fertig.

Da die Sattlerei viel Arbeit habt werden sie erst nächstes Frühjahr fertig sein. Das ist doch ein guter Zeitpunkt. Neue Kummets für die neue Reisesaison!

Abschiedsfoto vor der Sattlerei