Freitag, 31. Juli 2020

Im Jura


Seid eineinhalb Wochen bin ich jetzt im Jura, besser gesagt in einem kleinen Teil vom Jura, weil ich mich kaum fort bewege. Es scheint mir wie ein anderes Land zu sein. Ein eigenes. Nicht Schweiz, nicht Frankreich. Eigen eben. 
Nach den Alpenpässen erweist sich der Col de Maicheruz selbst auf den Nebenstraßen sanft und nett zu uns. Obwohl wir doch auch !800m! hoch laufen an einem Tag, fällt das gar nicht auf. Natürlich sind die Jungs müde, aber nicht platt.




Viele neue, bisher unbekannte Herausforderungen hat das Jura für uns in der Tasche. Mal abgesehen davon, dass ich Französisch sprechen muss (wie die drei Tage davor auch schon und sich mein Schulfranzösisch endlich mal als sinnvoll heraus stellt) und mal abgesehen davon, dass ich keinen Handyempfang habe, gibt es einen für Max und Milan interessanten neuen Aspekt: öffentliche Straßen gehen direkt durch Kuhweiden hindurch.

Das birgt mehrere Schwierigkeiten: 1. sind in den Boden quer über die Straße Gitter eingelassen, die Kühe (also auch wir) nicht passieren können und 2. geraten alle Weidenbewohnerinnen in helle Aufregung bei unseren Anblick („Kommt!! Was für eine tolle Abwechslung!!! Seht ihr diese zwei hübschen Kerle da vor der Kutsche gespannt? Lasst die uns mal genauer anschauen und beschnüffeln. Auf, schnell im Galopp, sonst sind sie noch weg! Aber Huch! Die Kutsche bellt ja, oje, da weiß ich jetzt gar nicht was ich davon halten soll! Lieber weg? Oder doch wieder hin? Egal! Hauptsache Spaß!!“) 
Und 3. können Punkt 1. und Punkt 2. auch noch zusammen fallen. 

Neben die in den Boden eingelassenen Gittern gibt es Tore, die mal mehr, mal weniger kompliziert zu öffnen sind um Vieh durch treiben zu können. Da passen wir meistens auch durch. Max und Milan verstehen schnell das System: anhalten warten bis das Tor geöffnet ist, durchfahren warten bis es wieder zu ist und weiter. 
Aber was, wenn wir gerade von einer Herde verfolgt werden, oder uns eine schon freudig erwartet? 
Spannende Momente sind das für mich. Adrenalingeladene Momente. Zum einen weiß ich am Anfang noch nicht, ob Max und Milan den Impuls verspüren samt Kutsche das schöne Galopp mit zu machen, und zum anderen darf ja keines der anderen Tiere mit uns durchs Tor witschen, oder gar vor Aufregung die ganze Herde… Auch habe ich bei dem ganzen Rumgehopse und Geschiebe und Galoppieren der Tiere Angst, dass sich eines wegen uns verletzen könnte.
 
Max und Milan erweisen sich aber als Profis, die etwas in Aufregung sind. Sie laufen temperamentvoll, bleiben aber Zugochsen. Das Bellen von Pepe aus der Kutsche heraus erweist sich als Segen und hält die Tiere am ersten Tag etwas auf Distanz. Leider bellt er am zweiten Tag nicht mehr und dadurch sind die Ochsen wieder viel interessanter für die Rinder. Auf einem langen Wiesenweg, auf dem die neue Kutsche ganz schön einer Belastungsprobe unterzogen wird was Stabilität und Kippverhalten betrifft, laufen uns ca 40 Stück Vieh nach. Glücklicherweise hilft eine Mountainbikerin beim Verlassen der Wiese. Aber auch alleine schaffen wir alle anderen Tore, manchmal sofort, manchmal nach etwas Einfallsvermögen meinerseits etwas später.




Ein großes Durcheinander gab es bis jetzt nur einmal, da war aber die Hirtin mit dabei, weil wir auf ihrer Wiese übernachten durften. Da sind 20 Tiere ausgebrochen auf zwei unterschiedliche Weiden auch noch. Allein wäre ich da nahezu machtlos gewesen. Aber zu zweit haben wir sie bald wieder unter Kontrolle gehabt. Und Max und Milan? 
Nach den guten vorhergehenden Erfahrungen habe ich die zwei einfach unangebunden auf der Wiese samt Kutsche stehen lassen, während ich den Rindern hinterher bin. Und die zwei sind auch stehen geblieben! Trotz ihrer Freiheit und der Aufregung um sie herum. Dabei sind sie doch erst vier Jahre alt!!!!

Und hier noch ein paar andere Eindrücke aus dem Jura:



Freitag, 24. Juli 2020

Geschenk des Himmels


Ich bin zu Besuch bei einer Freundin auf einer Alp im Jura. Sozusagen in Ferien.
Die letzten heißen Wochen haben mich immer dazu gezwungen meinen Wecker auf drei Uhr zu stellen, damit wir kurz nach fünf auf der Straße sind um die kühlen Morgenstunden laufen zu können. Da genieße ich hier va erstmal das Ausschlafen und Schlaf nachholen.
Doch ich kontrolliere auch einmal am Tag die Rinder auf der oberen Alp. Zur Freude von mir, aber auch von Piz und Pepe.

Die Aufgabe der Hunde, bzw va Pepe’s Aufgabe ist es zu lernen, dass nicht jedes Rind gehütet werden muss. Damit meine Hunde keine Aufregung in die Herden bringen, lasse ich sie, kurz bevor die Rinder in Sicht kommen, unter einem Baum sitzen und warten, bis ich sie wieder rufe um die nächste Gruppe zu suchen. Das funktioniert erstaunlich gut. Pepe verlässt nie seinen Platz um selbständig zu hüten.

Nach ein paar Tagen kann ich auch mit ihm durch eine Herde durch laufen, ohne dass er blöd macht. Ein großer Erfolg für meinen sturköpfigen Bergamasker.

Bei der Kontrolle am Samstag Vormittag fällt mir auf, dass Pepe irgendwie langsamer ist und am Abend, bei der zweiten Kontrolle läuft er weit hinter mir. Auch sonst ist der nicht mehr präsent und schläft. Nachts zittert er manchmal.

Morgens ist er zu nichts mehr zu motivieren, sein fressen verweigert er uns
das will was heißen bei Pepe Vielfraß. Dann bekommt er auch noch Fieber. Was könnte es sein?

Und va was will ich dagegen tun, an einem Sonntag auf einer Alp im Jura?

Ich denke an die Babesiose, einer Zeckenkrankheit, an der Piz im selben Alter fast gestorben wäre.
Oder ist es Staupe? Drei Tage vorher ist er einen Fuchs nach.
Oder hat er zu viel Horn gefressen? Bei den Kaltblütern meiner Freundin wurden zwei Tage vorher die Hufe geschnitten. Da kam ziemlich Material zusammen, was Hunde ja gerne fressen.

So verläuft der morgen sorgenvoll.

Am Ende unseres immer sehr spät stattfindenden Frühstücks, also gegen Mittag, biegt ein Auto in die Einfahrt zum Alpgebäude. Es ist der Tierarzt der Region, aber was macht er hier? Aussteigen tut auch nicht irgendein Tierarzt, sondern der Kleintiertierarzt der Region, der Wochenenddienst zum Besamen hat und auf der Nachbaralp war. Auf den Rückweg wollte er meiner Freundin kurz Hallo sagen.

Da steht also ein Kleintiertierarzt am Sonntag Mittag wie bestellt in unserer Einfahrt!?? Auf unserer Bitte hin sieht er sich Pepe an, diagnostiziert tatsächlich eine Darmentzündung und spritzt eine Arznei dagegen.
Wie geplättet stehen wir alle da. Was war das jetzt?! Ein Wunder?

Zwei Stunden später geht es Pepe schon ein klein wenig besser und dieser Prozess hält auch immer noch an.

Sonntag, 19. Juli 2020

Etwas ist anders dieses Jahr. Und den Grund kann ich mir nicht wirklich erklären. Seid diesem Jahr, werde ich gar nicht mehr gefragt, ob es in Ordnung ist, wenn ein Foto gemacht wird. Es waren ja noch nie viele Menschen, aber immerhin im Schnitt würde ich sagen 30%, anfangs in der Schweiz sogar bis zu 60%. D
Jahr sind es noch 2%.

Ich sehe kein Lächeln mehr, kein Blitzen in den Augen. Ich bekomme kein „Hallo“ mehr. 
Was ich hauptsächlich nur mehr sehe, sind Smartphones zwischen mir und einem anderen Menschen. Augen nicht auf mich gerichtet, sondern auf den Bildschirm blickend. Auch werden viele Videos gemacht. Dann geht das minutenlang so. Ich sehe nur den Menschen sich leicht mit uns drehen. 
Genau so schaut das für mich aus:


Dadurch sehe ich aber auch nicht mehr, dass der Anblick der Ochsen berührt, freut und ins Herz geht. Wir gehen nicht mehr ins Herz, nur mehr ins Smartphone. Das echte Bild von uns verpufft im nirgendwo, scheint mir. 
Das finde ich sehr traurig. Es schafft keinen Kontakt mehr zu den Menschen. 
Was hat sich verändert innerhalb eines Jahres?

 Es kann nicht die Region sein, denn mittlerweile sind wir zu viele durchlaufen.
Was ist passiert mit euch Menschen? Könnt ihr mir das erklären? Falls diesen Blogeintrag jemand liest, der nicht gefragt hat beim Foto machen, würde mich das wieso wirklich interessieren.

Freitag, 3. Juli 2020

Pässe

Nach dem Nufenen sind wir jetzt noch zwei Pässe gelaufen. Das Wallis hat mich nur kurz beherbergt und schon sind wir über den Grimsel wieder raus in den Kanton Bern. Diesmal mussten die Jungs nur auf etwas über 2100 Meter hoch, von 1400 startend in Oberwald. 











Auch das haben wir in zwei Etappen gemacht und so war es kein Problem. Ich habe gemerkt, dass die großen Passstraßen so gut ausgebaut sind, sich so flach den Berg hoch ziehen, dass sie kein Problem für uns darstellen. Wenn wir uns Zeit lassen (und das tu ich ja gerne) und es nicht zu warm ist. Das ist extrem wichtig!! 

Viel stärkere Steigungen finden sich oft auf den kleinen Nebenstraßen und wenn ich da nicht aufpasse, kann es für Max und Milan grenzwertig werden. So wie gestern. Ich wollte weg von der Bundesstraße auf eine kleine Straße wechseln und finde mich plötzlich in einem krass steilen Stück wieder, aus dem es kein zurück mehr gibt. Dazu ist es schon warm. Das Auto, welches uns entgegen kommt kann noch auf einen Parkplatz ausweichen, doch dann bleiben Max und Milan stehen und laufen nicht weiter. Gerade als wir genau neben dem Auto sind. Gefährlich gefährlich. Wenn Milan den Rückwärtsgang einlegt, schiebt er die Kutsche in das Auto. Mit all meiner kleinen menschlichen Kraft stemme ich mich in die Seile der Halfter, um sie am zurück gehen zu hindern. Die eingesetzte Peitsche bringt nichts mehr. Sie stehen. Und Pumpen mit den Lungen. 
Ich kann nicht die Bremse anziehen und sie rasten lassen, weil zum einen das Auto eingeparkt ist und zum anderen es so steil ist, dass sie mir nach dem Lösen der Bremse sicher ein paar Schritte zurück gehen würden. 
Da brauche ich Max. Ich weiß, nur er kann uns aus dieser Situation heraus helfen. Und tatsächlich zieht er irgendwann wieder an und motiviert damit Milan. 
Oben angekommen gibt es erstmal eine Pause, in der uns eine vorbei fahrende Frau erzählt, dass das die alte Handelsroute war und bei genau diesem Stück früher zusätzlich Tiere vorgespannt wurden. Max und Milan haben es mit Mühe -und sicher Missfallen- selber geschafft. Die Tiere früher hatten aber auch schwerere Kutschen hinter sich als wir. 

Max, mein guter Max. Die ersten drei Jahre seines Lebens hat er alles Milan machen lassen und war gar nicht motiviert. Doch seid letztem Jahr macht er sich zu meinen besten Zugochsen, auf den ich am Berg zählen kann. Nie hätte ich das für möglich gehalten. Mein vormals fauler Max!!

Heute sind wir unseren dritten Pass gelaufen. Einen Kleinen, der von 840m „nur“ auf 1508m hoch geht. Da es in letzter Zeit sehr heiß war und Bremsen hatte, war aber klar, dass ich ihn nur noch bei schlechtem Wetter gehen kann. Und ich schaffe es- aber mal gerade- es so zu timen, dass wir am einzigen schlechten Wetter Tag unten am Pass bereit stehen.
Und wieder laufen meine geliebten Ochsen den Berg. Langsam, aber verlässlich. Schritt für Schritt. 

Mir scheint, dir ganze Welt steht uns offen (zumindest bei schlechtem Wetter 😆). Mit so tollen Zugtieren, die jung sind und – insofern man dies bei Ochsen sagen kann: willig.

Ich spüre so viel Liebe für diese Tiere! Für meine tollen, wunder wunderschönem Ochsen, die Hunde und die Hühner. So viel Liebe für die Berge und diese wunderschöne Natur. So viel Liebe für das Leben. Unermässlich viel Liebe für dich, Leben!