Samstag, 25. Juni 2022

Drei Pässe


Während ich noch in der Nähe des Zürisee bin, macht mich jemand auf zwei kleine Pässe ganz in der Nähe aufmerksam: Sattlegg und Ibergeregg. Die sind mir nicht aufgefallen, weil ich ja mittlerweile fast nur mehr im Handy die Karten studiere. Da geht manches unter, weil der Überblick fehlt. Doch eigentlich will ich ja nördlich um den Zürisee herum, so war zumindest bisher mein Plan. Später entdecke ich noch einen dritten Pass, der wiederum aus den zwei Pässen einen Kreis macht und wir fast wieder so rauskommen, dass wir im Anschluss trotzdem so laufen können wie ich wollte. Es gibt nämlich noch den Pragel.

So ein schöner Kreis denke ich mir. Ich bin ja eh gern in den Bergen. Bisschen Hitze entfliehen, denke ich. Die Pässe sind nicht hoch. Alles so zwischen 1100 und 1600m. Scheinen mir gut machbar.

In den Morgenstunden zumindest. Also klingelt mein Wecker wieder um 3 Uhr was definitiv NICHT meine Zeit ist, so dass ich alle, inklusive meiner Wenigkeit, parat und abfahrbereit habe, wenn es einigermaßen genug Licht hat. Vorher drehen wir aber noch eine Runde um den Wägitalersee, wenn er schon fast auf dem Weg liegt. Ein schöner Abstecher, der mit vielen vielen vielen Bremern und dem Verlust eines Schuhes von Milan einhergeht, den ich versehentlich an einer feuchten Stelle grasen lasse und der Sumpf den Schuh verschluckt. Unwiederbringlich. Zum Glück habe ich noch einen auf der Kutsche.

Auch auf dem Weg zum Sattleg (knapp 1200m) begleiten uns schon in den Morgenstunden die Bremern. Dafür bekomme ich oben beim Restaurant eine Wiese, wo Max und Milan richtig viel viel zu fressen haben. Ungedüngt, so wie sie es lieben. Der Preis zur Nähe zum Restaurant liegt aber darin, dass ich mich zu den stark frequentierten Zeiten entweder in den Wald zurück ziehe, oder wandern gehe. Dafür habe ich fantastisch gutes Eis direkt vor der Zelttür. Alles hat seine Vor- und Nachteile.

Die Passstraße zum Ibergeregg (knapp 1400m) ist auch schön machbar, obwohl am Anfang zweimal eine Steigung was anderes vermuten lässt. Zum ersten Mal seid dem Jura kommen wir wieder in Kontakt mit Weiderosten auf öffentlichen Straßen. Mein Glück aber, das hinter keinem eine Herde Kühe wartet, sondern trotzdem, wie zusätzlich, die Straße meist ausgezäunt ist. Oben wurde mir eine Wiese für zwei Nächte vororganisiert. Leider hat der Mensch, der mir die Zusage gegeben hat, eine komplett andere Realität wie ich. Es klappt nicht und ich muss in der schon großen Hitze und mit den vielen Bremern wieder einspannen. Glücklicherweise geht es ja dann nur mehr bergab. Dieser Tag ist aber definitiv nicht mein Tag. Ich hätte in Unteriberg bleiben sollen.

Aber wir bekommen später motorisierten Besuch von einem Freund. Und so kann ich mir unseren letzten Pass vorher vom Auto aus anschauen, was ich eigentlich nicht gerne mache Aber in diesem Fall ist es mein Glück, denn mir fallen die Augen fast aus dem Kopf! Den guten Pragel habe ich komplett unterschätzt! Er beginnt auf ca 650m und führt auf 1550m (also von dem Höhenunterschied in etwa wie wenn ich den Gotthard laufen würde). Und in der ersten Hälfte wechselt sich „extrem steil“ mit „steil“ ab, ohne Verschnaufpausen. Steigung bis zu 18%! (Sowas bin ich bisher nur einmal gelaufen, letztes Jahr auf den Jenisberg, aber da waren es nur knapp drei Kilometer) Wir sind ja jetzt schon viele Schweizer Pässe gelaufen, ich glaube an die 15 Stück, und diese Erfahrung hat mich eigentlich ruhig werden lassen, weil scheints alle Pässe eine gewisse Steigung nicht überschreiten. Nur eben der gute Pragel hält sich an diese Regel nicht. Zudem ist er einspurig und der Belag eher uneben. Soll ich jetzt wirklich Route ändern? Nach Schwyz rauslaufen und dann?

Nein, das widerstrebt mir irgendwie, wir sind doch Profis mittlerweile. Max und Milan sind gut im Training und ich weiß doch eigentlich, wie ich so einen Berg anpacken muss: aufteilen in zwei kurze Tagesetappen, Wiese vororganisieren, laufen in den frühen Morgenstunden.

Und so machen wir’s. Unser Glück, welches mir in den vorhergehenden Tagen manchmal verloren schien, kehrt zurück und so haben wir eine Wiese direkt am Fuße des Passes, und bekommen eine in der Mitte und ganz oben vororganisiert. Da kann ja eigentlich nix mehr schief laufen, wie können uns rein aufs Laufen konzentrieren. Also, guter Pragel, wir kommen!

Und die Straße ist steil. Verdammt. Steil.

Steil und steil und steil. Aber wenig Verkehr so früh an Morgen. Und es endet nicht. Nach einer Kurve ist es genauso steil wie vorher. Die armen Jungs. Aber sie kämpfen sich durch. Milan geht ja gerne aus der Verantwortung, gibt viel schneller auf als Max. Ihn muss ich dann doch im Auge haben. Doch wenn ich es richtig mache, zieht auch er die Kutsche kräftig. Aber wir sind wirklich alle froh, als wir nach drei Stunden einfach nur steil laufen die Alp erreichen wo wir bleiben dürfen. Wir sind etwas über die Hälfte vom Pass gelaufen und dazu noch die steilere Hälfte.

Ich weiß nicht, ob es für die Bauern immer nachvollziehbar ist, wenn wir nur so kurz laufen. Aber ich weiß, was meine Ochsen an diesem Tag geleistet haben!

Die nächste Etappe ist im Vergleich zur vorhergehenden nur mehr anfangs steil, dann wird's immer flacher bis sich die Straße fast eben über ein paar Kilometer zum Pass hinzieht. Und es ist um einiges kühler als die letzten Tage (hab dem Wetterbericht aber nicht getraut und bin trotzdem um 5 startklar gewesen). Da merke ich erst mit der Zeit, dass Max und Milan, aber ich selber auch, wieder ganz andere Kräfte zur Verfügung haben, wenn es weniger warm ist, kaum Fliegen und keine Bremern hat. Fast zwei Wochen war es jetzt am Stück sehr heiß (mit nur einem Tag Ausnahme). Das zehrte an allen von uns.

Aber jetzt: gut und problemlos ziehen die Ochsen die Kutsche bis zum Pass. Wir haben ihn geschafft!!

Lieber Pragel, bin ich froh, das wir dich jetzt nur noch runter laufen müssen. Und ich glaube nicht zu lügen, wenn ich dir sage: Entschuldigung, aber ein Wiedersehen wird es wohl eher nicht geben. Zumindest nicht aus Richtung Muotathal.

In Nachhinein lese ich den Kommentar eines Radfahrers über den Pass, der schreibt: „Der Pass ist für Normalradler eine echte Herausforderung, und wer absteigt, muss sich daher nicht schämen. Dieser einspurige Pass ist der Hammer! Er ist erbarmungslos, nur Schattenspenden kann er, denn durch tiefen Wald sieht man seine gewonnene Höhe nicht einmal. Ansonsten wird dem Radler nichts und zwar gar nichts geschenkt. Wer den Pragelpass nicht fahren muss, sollte es lassen. Mehr gibt es nicht zu erzählen.“

😅 und wir haben ihn tatsächlich gelaufen!! Zwei Ochsen, zwei Hunde, zwei Hühner und ich.







Montag, 20. Juni 2022

Ein so praktisches Geschenk


An einem heißen Sommertag trinken Max und Milan gut und gerne 100l oder mehr. Wenn es kein Wasser auf der Wiese hat, hab ich bisher immer unsere Kanister noch am Hof abgefüllt, wo ich eh nach Wiese frage und verlade sie auf die Kutsche. Das verlangt dann von Max und Milan immer noch etwas Geduld. An einem kühlen Tag kein Problem, doch wenn die Bremern da sind sind sie dazu fast zu nervös. Und Piz, die Zicke, deren Platz dann von Kanistern belegt ist muss ich irgendwie um den Hofhund herum lenken, ohne dass sie ein schlechtes Licht auf uns wirft. 

Wenn das Wasser aber nicht reicht oder die Umstände anders sind heißt es für mich: schleppen. Und das seid 9 Jahren. 20l links 20l rechts. Im schlimmsten Fall viel mal hintereinander. Wie oft habe ich mir da schon eine klappbare Sackkarre herbeigewünscht! Und dann aber doch wieder als Luxusartikel verworfen. Zusätzlicher Platz, zusätzliches Gewicht. „Kann doch schleppen, oder muss es halt besser organisieren mit der Kutsche.“

Doch mit dem Schleppen usw ist es jetzt Schluss! Denn jetzt ist mir genau so ein praktisches Ding noch im Rheintal spontan geschenkt worden. Einfach so. Von einem netten Bauern. Ich bin total verliebt in mein neues Gerät!

Jedes einzelne Mal, wenn ich sie in die Hand nehmen freue ich mich seitdem. Ich freue mich, wenn ich Max und Milan ermöglichen kann, sofort auf die Wiese zu gehen. Ohne Wartezeit. Und meine Arme und mein Rücken freuen sich natürlich auch.

Vielen herzlichen Dank, Bernhard!




Mittwoch, 15. Juni 2022

Meine Hühner schicken einen Gruß (wertfrei formuliert)


Es ist früher morgen. Es wird heiß werden und die Bremsen lassen leider langsam von sich sprechen (jedes Jahr aufs Neue hoffe ich, dass sie dieses Jahr nicht kommen. Vergeblich).

Der morgen lässt schon von sich ahnen, als ich ein Feuer mache und mein Frühstück zubereite. Immer das selbe: praktisch, einfach, nahrhaft, nicht der Renner im Geschmack. Ein Apfel, Haferflocken, Haferkleie, Leinöl, heiß Wasser. Genau in dieser Reihenfolge fülle ich es in meine Pfanne. Wie jeden Morgen. Danach fülle ich meine Tasse mit heiß Wasser.

Naja und an diesem Morgen ist dann doch etwas anders als ich zum Löffel greife und die Pfanne zu mir nehme. In ihrem Zentrum nämlich, schön mittig oben drauf auf meinem Frühstück, thront ein großer Hühnerschiss.

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Meine Hühner schlafen jedoch noch hinter mir in ihrer Box. Ist ja noch fast dunkel.

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Die Pfanne war frisch gewaschen und stand die ganze Nacht umgekehrt.

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Wäre es an einer Verpackung geklebt, hätte ich rein gefasst beim ausschütten. Und es ist schön obenauf, muss also als letztes gekommen sein.

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Bis zum Mittag noch kann ich mir nicht erklären, wie die Hühner das Ding da hin gezaubert haben.

Ich glaube es ist Zeit weiter zu ziehen.


Montag, 6. Juni 2022

Die Kutsche pausiert

 

Jetzt sind wir wieder in der Region von Zürisee. So schön wie es im Appenzellerland war, so schnell hat es uns auch wieder ausgespuckt. Wirklich groß sind die Halbkantone ja nicht. Es war geprägt von einem stetigen auf und ab auf kleinen Seitenstraßen und fast ausschließlich behornten Kühen neben dran. Da hat es in mir aufgeatmet. Es gibt sie noch. Und eben die Menschen dazu, die den Umgang mit ihnen wissen und sich nicht auf ein Enthornen einlassen um ein paar Tiere mehr im Stall halten zu können. Das hatte ich ehrlich gesagt schon kaum mehr vermutet.

Um den Zürisee sind wir ja im 2019 schon mal gelaufen. Und auch zwangsweise an einem Ort hängen geblieben, weil es Milan nicht gut ging. Damals hatten wir ja das Glück an einem Ort zu stranden, wo ein Bauer war, der spontan helfen wollte und auch Freude daran hatte uns bei sich zu haben, egal wie lange. In einer Situation, wo ich nicht bleibe, weil es mir gefällt oder sich die Gelegenheit bietet, sondern weil wir bleiben MÜSSEN, ist das von unbeschreiblichem, unbezahlbaren Wert.

Natürlich habe ich mich jetzt bei ihm gemeldet als wir in die Region einfuhren, eigentlich um kurz „Hallo“ zu sagen. Aus dem „Hallo“ sind jetzt schon eineinhalb Wochen geworden. Denn diesmal habe ich gemerkt, dass ich etwas zurück geben kann. Leider ist der Bauer seid einem halben Jahr gesundheitlich angeschlagen und mit der Arbeit dadurch im Verzug. Zum Beispiel mit dem Zäunen auf der Alp. Deshalb helfen wir jetzt. Fahren fast täglich mit oder ohne ihm auf seine Alp und ziehen Meter um Meter Zaun. Max und Milan haben derweil Pause. Fressen sich voll. Und ich kann nebenher etwas Alpluft schnuppern. Was ich ja sowieso so gerne mache. Und eigentlich den ganzen Sommer über tun würde, wenn es nicht noch schöner wäre, mit den Ochsen zu reisen.

Die Alp ist ziemlich nass, sehr verwinkelt und ohne Zufahrt. Dh nur um zum Arbeiten anfangen zu können muss man nach der Anfahrt, noch mindestens eine halbe Stunde steil den Berg hoch. Oder mehr, je nachdem. Es gibt viel Gras und viele Bremern. Mehr als hier am See. Viele Bäume, selbst Ahorn (die Alp liegt denke ich in Schnitt auf 1300m), viel Sumpf, viel matschverschmierte Kleidung, schöne behornten Rinder. Alles unter einen großen Felswand, bzw einen Berg, der steht's zu wachen scheint über alles was passiert.

Derweil sind die Ochsen ja im Dorf kaum zu übersehen. Da ich so viele Tage da bin, entsteht ein Kontakt mit ganz vielen Leuten. Und wir werden versorgt, von links und von rechts und von überall. Mit Leckereien, Brennholz, Hundefutter, Waschmaschine… und ganz viel Gesprächen. Das ist so nett zu erleben! Dankeschön!

Der Bauer bedankt sich auch viel. Es scheint, dass ihm gar nicht bewusst ist, was für ein großes Geschenk er mir vor drei Jahren gemacht hat.