Freitag, 22. Juli 2022

Persönlich

 

Vor vier Wochen habe ich einen Knoten in meiner Brust ertastet und die Info erstmal Info sein lassen. Ein paar Tage später habe ich dann doch Mal nachgelesen: 4 von 5 Knoten in der Brust sind ungefährlich und zT zyklusabhängig. Deshalb wollte ich erstmal drei Wochen warten bis ich mich eventuell auf den Weg nach Deutschland mache um mich untersuchen zu lassen.

Natürlich arbeitet es in mir. Ich merke, dass nichts auftaucht, was ich also großes „aber das möchte ich doch noch machen/erleben!“ empfinde. Kleinigkeiten schon, aber die würden sich in kurzer Zeit “abarbeiten“ lassen. Irgendwie merke ich, dass es auch okay wäre, sich so langsam zu verabschieden. Die Krankheit noch als große letzte Aufgabe und dann einen Schritt weiter. Keine Chemotherapie zu machen.

Darf man/frau so etwas aussprechen? Ist man/frau dadurch lebens-müde? Darf ich mit 40 so etwas sagen? Habe ich nicht eine Verantwortung dem Leben gegenüber, wenn es es schon so gut mit mir meint?

Viele neue Gedanken.

All diese Gedanken bringen mich in eine unbekannte große Bredouille. Dafür muss ich einen kurzen Exkurs schreiben:

Ich habe für mich und mein Leben (auf keinen Fall für andere Menschen!!!!) eine ganz klare Linie: Selbstmord geht nicht. Denn ich kann nicht ausschließen, dass ich hier bin um eine gewisse Aufgabe zu erledigen. Beende ich mein Leben vorzeitig, könnte es sein, dass ich durch alles nochmal durch muss, was ich mittlerweile durchgekämpft und für mich erreicht habe. Da mache ich lieber jetzt weiter, als nochmal von 0 anzufangen.

Diese Einstellung und Klarheit in diesem Thema begleitet mich schon seid ganz ganz vielen Jahren.

(Aber es gibt für mich eine Ausnahme: es ist kein Selbstmord aufzuhören zu essen und zu trinken an einem gewissen Punkt im Leben. Denn das kann nie eine Kurzschlusshandlung sein sondern muss in jedem Moment neu entschieden werden, dass man/frau weiter macht.)

Naja und jetzt kommen die Gedanken über Krebs und eine eventuelle Behandlung hinzu. Oder eben Nicht-Behandlung. Brustkrebs ist mittlerweile in vielen Fällen sehr gut heilbar. Braucht aber Chemotherapie und Bestrahlung in den allermeisten Fällen nach einer Operation. Das ist eine sehr grobe, aggressive Form der „Heilung“. Aber Heilung.

Würde es da nicht in meine Kategorie von Selbstmord fallen, wenn ich es nicht behandeln lasse?

Da ich so klar gegen Selbstmord war, aber irgendwie merke, dass eine Chemotherapie nicht in Frage käme, steht schon irgendwie die Zeit still. Nur wegen meinen blöden Kategorien im Kopf.

Erst nach einiger Zeit merke ich, dass irgend etwas an meinen zwei Kategorien gar nicht stimmt. Dass sie irgendwie feste Schubladen sind. Zu fest fürs Leben.

Jetzt bin ich abklären gegangen. Es ist alles gut. Es sind nur Zysten.

Ich bin sehr dankbar für die Zeit und die neuen Gedanken die ich hatte. Die es hoffentlich schaffen, Mauern in mir einzureissen, und mich noch lebendiger zu machen.


Mittwoch, 13. Juli 2022

Nördlich des Zürisee

Jetzt sind wir weg von den Bergen. Am Horizont zeigen sie sich immer wieder als schöne Kulisse. Tut mir schon weh von ihnen weg zu laufen. Sind sie doch meine Herzöffner.

Doch statt dessen bekomme ich etwas, was ich schon vergessen hatte, wie es sich anfühlt: Auswahl bei der Straßenwahl. Große Straßen, kleine Straßen, Feldwege, Waldwege…. Was das Herz begehrt. So schön die Berge sind, so habe ich dort im Bestfall zwei, manchmal aber auch nur eine Möglichkeit zu laufen und die Teile ich mir mit allen anderen. Lkw, Traktor, Auto, Velo, Fußgänger. Jeden Schritt den wir tun geschieht unter den Augen aller, die auch in diesem Tag unterwegs sind. Das ist der Preis.
Ganz anders hier nördlich des Sees. Stark besiedelt ist das Gebiet. Überall Dörfer und Städte, oft ineinander übergehend. Auf der Karte schaut es furchtbar aus. Aber das ist so egal, denn dazwischen sind die Wälder und Felder. Und da laufen wir gerade. Nach jeder Ortschaft verschwinden wir wieder auf irgendeiner Naturstraße, bevorzugt im Wald. Und laufen da so vor uns hin. Nur gesehen von den paar VelofahrerInnen, JoggerInnen und HundespaziergängerInnen. Dazu kommt auch noch die Uhrzeit. Wie laufen so kurz nach fünf los, da gibt's noch kaum jemanden auf den kleinen Straßen, später müssen alle in die Arbeit und haben keine Zeit zum anhalten und Fotos schießen. Was für eine Entspannung!!!! War ich eigentlich gerade schon wieder dabei zu übermenscheln, helfen mir die vielen einsamen Kilometer -nur wir als Herde- zum ruhig werden.

Noch eine Sache gibt es, die zum allgemeinen Wohlbefinden von uns allen beiträgt: es gibt kaum Bremern. Eigentlich nix. Ich kann es mir nicht erklären, haben wir doch Juli und es ist heiß. Auch gibt es einiges an Seen und Sumpf. Beste Voraussetzungen also für die Biester aber wir laufen jetzt schon ein paar Tage ohne. Da merke ich auch, dass eigentlich gar nicht die Hitze das Problem für uns alle ist. Auch jetzt ist es heiß, aber trotzdem viel entspannter. Ich habe keinen Stress vor dem Aufwachen der Bremern am späteren Vormittag einen Platz gefunden haben zu müssen. Der Druck, der ja darauf beruht dass Max und Milan dann keinen Kopf mehr im Straßenverkehr haben und ich Gefahr laufe von den herumfliegenden Hörnern böse getroffen zu werden, ist weg. Und Hitze ohne den Viechern scheint für Max und Milan viel besser erträglich zu sein. Für uns alle. Auch ich kann viel besser Mittagschlaf halten und mich wieder ausruhen und so wird das Klingeln des Weckers um 3 nicht mehr zu einer Tortur, sondern geht sehr gut. Ich hatte noch nie die Möglichkeit das auszuprobieren, denn es kam einfach noch nie vor. Es darf gerne gerne gerne so bleiben. Aber es wundert mich schon: wo sind die hin????




In den ersten Morgenstrahlen der Sonne um kurz vor 6


Mittwoch, 6. Juli 2022

Nochmal Glück gehabt! Gestrandet für Eva


Eine schon fast verheilte Wunde, der Stich einer Bremer. Ein wohl nicht ganz sauber Rüssel. Der Auftakt für eine Woche Zwangspause im Kanton Glarus. Aber es wurde eine sehr schöne Woche draus.

Über ein paar wenige Tage wird der Bereich über meinem Fingerknöchel dicker und bunter und nimmt das Areal der alten Wunde mit ein. Mein Versuch Eiter raus zu bekommen schlägt immer fehl. Auch das Baden der Hand bringt keine Besserung. Aber trotzdem handelt es sich nur um einen kleinen Bereich und so schenke ich den ganzen nicht die Aufmerksamkeit, die es bräuchte.

Bis ich mit geschwollenen und schmerzenden Lymphknoten eines -natürlich- Samstag morgens aufwache. Glücklicherweise habe ich die Wiese für zwei Nächte angefragt und kann erstmal bleiben, schlafen und nachdenken.

Vor knapp zwanzig Jahren hatte ich mal eine Blutvergiftung aufgrund einer Millimeter großen Wunde am Finger. Seid dem weiß ich wo der rote Strich lang laufen müsste, aber da ist nix. Also vielleicht doch nicht so schlimm?

Über den Tag schmerzt mein Arm immer mehr bei Gebrauch. Die nächsten, die irgendwie Fotos von Max und Milan machen wollen, spreche ich an, denke ich mir. Und tatsächlich, das Leben schickt mir eine Bauersfamilie vorbei, die auf den ersten Blick schon so sympathisch ist, dass es geht zu fragen. „Habt ihr vielleicht eine Zugsalbe oder besser noch antibiotikahaltige Salbe für mich?“ Ich erkläre meine Situation und bekomme sofort Hilfe angeboten und kurz darauf die Salben frei Zelt geliefert. Und ein unglaublich wertvolles Angebot dazu: die Möglichkeit immer anrufen zu können, wenn ich doch ins Krankenhaus möchte.

Aber das kann ich doch nicht! Damals haben sie mich gleich für zwei Nächte drin behalten, wie soll das jetzt gehen? So schlimm ist es ja nicht, sage ich mir immer, wahrscheinlich eh übertrieben von mir, denke ich. Also verbringe ich liebe den Rest vom Tag im Zelt.

Ein anderer Grund, der mich abhält ist der, dass ich in Deutschland versichert bin. Ob die Versicherung das dann alles übernimmt? Zwei Nächte Schweizer Krankenhaus? Natürlich sollte das nicht ausschlaggebend sein, aber mitspielen tut das schon. Und was machen dann die Ochsen? Und die Hunde?

Nein, wird schon nicht so schlimm sein. Die antibiotikahaltige Salbe wirkt schon nach einer Stunde. Ich spüre eine leichte Entspannung in der Infektion. Also alles gut! Nächste Tag kann's weiter gehen wie geplant.

Als der Wecker um drei Uhr an nächsten Tag klingelt, bin ich erleichtert. Die Infektion fühlt sich deutlich besser an, der Arm schmerzt kaum mehr bei ersten Bewegungen in Zelt. Also los.

Aber: Pustekuchen. Schon nach ein paar Bewegungen will mein Arm nicht mehr mitmachen und tut weh. 3 statt zwei Stunden brauche ich um zusammen zu packen und zu wissen, dass es heute nur darum gehen kann, eine Wiese für länger zu suchen.

Wenn ich schon nicht ins Krankenhaus gehe, dann kann ich zumindest versuchen den Arm ruhig zu stellen und die Bakterien nicht in ganzen Körper herum zu pumpen durch Bewegung. Das geht nur stationär. Also stranden wir wohl zum ersten Mal wegen mir und nicht einem Ochsen.

Die Bäuerin, die mich mit den Salben versorgt hat, hatte mir auch angeboten, zu ihren kommen zu können. Also laufen wir einfach mal in Richtung ihres Hofes, bis es mir eine nur noch unhöfliche, und nicht mehr nur verdammt unhöfliche, Zeit erscheint an einem Sonntag morgen bei jemanden anzurufen. Auch wenn die wahrscheinlich schon längst am Melken sind.

Und es klappt. Wir werden total herzlich aufgenommen. Bekommen einen Platz für uns, wo wir in Ruhe sein können. Max und Milan haben Wiese, Heu und dürfen in einen im Moment leeren Stall hinein für Schatten. Auch mein Zelt stelle ich im Stall auf. Die nächsten zwei Tage werde ich dort 80% meine Zeit schlafend verbringen. Aber es hilft. Ein roter Strich taucht nie auf, die Entzündung geht sehr schnell zurück, die Lymphknoten und Schmerzen im Arm reagieren mit ein paar Tage Verzögerung.

Und aus der Notsituation wird eine wirklich schöne Woche. Wir sind willkommen, haben alles was wir brauchen und es ist einfach nur nett mit den Menschen vor Ort.

Danke, Leben und allen Mitwirkenden.