Dienstag, 30. August 2022

Ein neues Kummet für Max und Milan Teil 1


Im Emmental sind wir auch noch nicht gewesen. Es wurde mal Zeit dort vorbei zu schauen. Auch um meiner Kutsche wieder ihre Heimat zu zeigen. Vor etwa drei Jahren, habe ich sie dort gekauft und seitdem auch eine Einladung dorthin ausstehen. Kaum Richtung Süden abgebogen wird es täglich grüner. Und grüner. Und grüner. Bis die Ochsen zum ersten Mal wieder auf einer richtig saftigen Wiese stehen und sich ihre Bäuche fast bis zum Bersten füllen. Durch mich geht ein aufatmen. Wir haben die Trockenheit geschafft, ohne dass Max und Milan merklich an Gewicht verloren haben.

Eigentlich schaut das Emmental dem Schwarzwald recht ähnlich (obwohl ich das wahrscheinlich nicht laut aussprechen darf). Hügelige Landschaft mit viel Tannen und Fichtenwäldern bis jetzt so auf die 1000m Höhenmeter hoch und eben sehr ähnliche Dachformen von den Häusern. Dächer die fast bis zum Boden gehen und Haus und Stallungen darunter schützen. Komisch eigentlich. Wieso diese Dachform genau hier und im Schwarzwald?

In einem dieser Höfe ist noch im Keller eine uralte Hufschmiede Werkstatt erhalten geblieben, die mir gezeigt wird. Auch die Pferdekummete hängen noch genau dort, wo sie zuletzt aufgehängt worden sind. Daneben hängt ein viel kleineres Geschirr mit Miniaturortsscheid dran: ein Original Hundegeschirr.



Die Bäuerin erzählt, sie hat mit ihrem Berner Sennenhund noch als Kind die Milch in die Käserei gebracht. Jetzt nehme ich ein solches herunter um es als Foto festzuhalten. Dabei wird mir erzählt, dass es hier im Emmental noch eine Sattlerei gibt, die solche jetzt noch herstellen.

Die Sattlerei!! Wie konnte ich sie nur vergessen!!

Seid Jahren weiß ich um diese Sattlerei im Emmental. Eine der wenigen, die auch noch Kummets für Kühe und Ochsen anfertigen. Mein Plan war deshalb schon seid langem auf jeden Fall bei ihr vorbei zu schauen, wenn ich mal in der Gegend bin. Und jetzt hätte ich’s fast vergessen…

Doch gerade noch rechtzeitig kommt mir dieses Hundegeschirr unter die Nase und somit wieder der alte Plan in den Sinn so dass wir ohne Umwege bei der Sattlerei Blaser vorbei schauen können.

Zuerst gehe ich ohne Ochsen hin. Schaue mir in Ruhe den Laden an. Was es da nicht alles gibt. Haltet mein Portemonnaie fest!!! Karabiner, Sonderkarabiner für die Zugstränge, Riemen, Halfter, Glocken, Geschirre, Lederöle um nur einen ganz kleinen Miniaturbruchteil zu nennen. Und eine Ausstellung über alte Geschirre. Eigentlich will ich mich aber informieren wegen Zuggeschirre für Ochsen. Der Chef selber kommt zur Beratung und zeigt mir sein Angebot. Sie haben zwei Ochsenkummet zur Wahl. Das drei Polsterkummet, welches Max und Milan ja jetzt haben, aber mit einem größeren Kissen

Foto: sattlerei-blaser.ch

 und das Berner Kummet.
Foto: sattlerei-blaser.ch

Was -grob gesprochen- dem Pferdekummet ähnelt, aber unten zum öffnen ist, um es behornten Tieren anziehen zu können. Es hat also eine viel größere Auflagefläche am Ochsenhals. Und mehr als doppelt so viel kostet wie das andere. Denn, so wird mir erklärt, ist das stopfen der Kissen mit Stroh und Rosshaar extrem zeitraubend. Und Handarbeit. Je größer das Kissen, desto teurer das Kummet.

Schwierig zu sagen, was besser wäre für uns. Das Berner Kummet wirkt schon ansprechend mit der großen Auflage, scheint mir aber von mir selber auch nicht mehr reparierbar, sollte unterwegs was kaputt gehen und ist nicht einstellbar. Und größere Auflagefläche ergeben vielleicht auch mehr Möglichkeiten zum Schäuern, wenn der Ochse wächst, was er ja eigentlich immer tut? Laut dem Sattler taugen aber Kummets die größenverstellbar sind eh nix 😊.

Es arbeitet in mir. Bisher habe ich für die Geschirre meiner Tiere kaum Geld ausgeben. Habe immer altes Zeug gekauft und selber repariert. Ist es nicht mal an der Zeit, dass ich meinen Ochsen etwas gönne, zb ein an sie angepasstes Kummet? Und wann um Himmels Willen laufe ich jemals wieder an einer Sattlerei vorbei, die sich auf die Anfertigung versteht?

Mein Wunsch wäre ja eigentlich mit einem Kummet zu reisen, mit welchem wir auch mal Holzrücken können, oder Pflügen. Dabei sind mir aber immer die Dreipolsterkummets kaputt gegangen. Der Sattler meint, dass dafür eigentlich das Berner Kummet besser wäre, wegen der größten Auflagefläche. Aber auch das andere, wenn es richtig sitzt, nicht kaputt gehen dürfte.

Das Berner Kummet für beide geht nicht, da beginnt das Kummet ohne allen Schnickschnack bei 1850 Franken (also mit allem wohl so 2500). Also eines für Max (denn dem wird seines langsam knapp), oder für beide ein neues Dreipolsterkummet? Zweiteres dürfte MIT allem was ich so brauche bei ca 1500 Franken liegen dürfte. Das ist schon ein Unterschied.

Egal wie ich mich entscheide. Etwas leiste ich den Ochsen jetzt. Nach du vielen Jahren harte Arbeit. Ich mache Nägel mit Köpfen und mache also einen Termin für den nächsten Tag zum Anpassen aus. Mit Max und Milan.


Sonntag, 21. August 2022

Ein besonderes Jahr

 

Diese Saison ist in vielerlei Hinsicht ein besonderes Jahr. Nicht nur, weil es mein Jubiläumsjahr ist und mich manche Menschen, denen ich sage, ich sei das 10. Jahr unterwegs, anschauen, als hätte ich einen Vogel😆. Nein, wegen zwei anderer Sachen. Über das eine habe ich schon berichtet, nämlich dass es ein heißer trockener Sommer ist, es aber keine Bremern gibt.

Und der zweite Besonderheit betrifft die extreme Trockenheit und ihre Folgen für uns. Im 2015 war es schon sehr trocken gewesen. Da haben Lothar, Piz und ich noch alleine unsere Runde im immer noch leidlich grünen Schwarzwald gedreht. Aber immer mit Ausblick in ganz vertrocknete Täler rings herum.

Dieses Jahr sind wir mitten drin. Es hat sich schon so langsam angebahnt als wir vom Zürisee Richtung Norden sind, wurde an der Thur dann wieder etwas (Bewässerung und Morgentau), aber über die zwei heißen Wochen ist es auch dort gekippt. Wirklich schlimm war es am Rhein, an der Grenze zu Deutschland. Da habe ich einen Graben gesehen wo Schilf drin war, nur dass das Schilf verdorrt war. Der Wald in der Gegend war beängstigend. Die Brombeeren so trocken, das Laub der Bäume zt schon am Boden, ein Funken bräuchte es da nur, und alles würde brennen.

Und deshalb habe ich mir jetzt zum ersten Mal in all den Jahren einen Gaskocher gekauft. Auch wenn ich durch verbrennen von Hartholz keinen Funkenflug habe, in einen Jahr wie diesem ist mir Feuer machen dann doch zu heikel.

Ich hab mir einen gekauft der richtig stark ist, trotzdem vermisse ich schon am Anfang die Möglichkeit drei Sachen gleichzeitig zu erhitzen. Andererseits kompensiert er durch seine Schnelligkeit und das immer verfügbar Sein der Flamme. Und spart mir die Feuerholz Suche. Aber dafür schmeckts auch nur halb so gut, weil das Raucharoma fehlt.

Doch nicht nur darin zeigt sich die Auswirkung auf meine Reise. Wo es so trocken ist, mache ich auch keinen Pausetag mehr. Ich finde es schon unglaublich nett, dass die Bauern überhaupt ihr karges Futter mit uns teilen und wir immer eine Wiese finden, da will ich nicht nach zwei Tagen fragen. Das fordert aber schon seinen Tribut bei Max und Milan. Viel laufen, keine Tage zum Ausruhen und das Futter halt auch nicht mehr wirklich nahrhaft. Eigentlich perfektes Ochsenfutter, aber nicht für Tiere die arbeiten.

Neben der Anspannung wächst aber auch mein Interesse zu sehen, ob meine „Robustrasse“ das mitmacht ohne Gewichtsverlust. Wer weiß schon, wo wir überall noch hin reisen.

Bis jetzt wäre mir noch nicht aufgefallen, dass sie an Gewicht verloren haben, aber die letzten drei Tage waren wirklich zäh zum laufen. Ewig langsam. Deshalb sind wir einen Tag auch nur mal drei Stunden gelaufen. Das war dann ja schon fast ein Pausetag.

Und so langsam wird es wieder grüner und etwas atmet dann doch innerlich in mir auf. Heute gab es zum ersten mal seid mehr als zwei Wochen richtig saftiges Gras für die Ochsen. Die haben sich unvorstellbar die Bäuche voll geschlagen. Ich hoffe sie vertragen es noch, das gute Futter!

Und jetzt am Freitag das von ihr selbst kommende Angebot einer Bäuerin übers Wochenende zu bleiben. Am Anfang hätte ich doch fast noch abgelehnt aus meinem „immer weiter weiter Trott“ heraus der letzten Zeit. Gott sei Dank bin ich noch rechtzeitig zur Besinnung gekommen und jetzt genießen wir alle ein Wochenende Pause doch sehr.




Sonntag, 14. August 2022

Kinder auf der Kutsche: Mehrstimmige Begleitung


Mit Lothar hatte ich manchmal Begleitung für ein paar Tage von Freundinnen mit ihren Kindern. Lothar hatte aber kürzere Hörner und hat verlässlicher gebremst. Deshalb war es mir bis letztes Jahr zu heikel Kinderbesuch zum Mitreisen zu haben.

Dieses Jahr sind meine Ochsen aber so verlässlich auch im Bremsen und Anhalten, dass nur noch die Gefahr mit den Hörnern bleibt. Und an dieser Gefahr kann ich nichts ändern. Deshalb habe ich mich gefreut, als mich eine Freundin anrief um zu fragen, ob sie mit ihren drei Kindern uns für eine Weile begleiten könnte.

Umpacken, das war das erste, was wir tun mussten, um überhaupt zusammen reisen zu können. Meine Kutsche ist gerade randvoll. Wegen der Trockenheit nehme ich jede Möglichkeit an Kleinballen Heu zu kommen war und diese verdrängen immer alles andere auf der Kutsche. Und vier Menschen bringen nochmal einiges an Kleidung, Schlafzeug und Essen mit. Also haben wir alles, was ich nicht unbedingt brauche in ihr Auto gepackt. Ich trenne mich deshalb von einem Ballen Heu, Brennholz, Akkordeon, Ersatzkummet, Ersatzschuhe usw und dafür wandert ihr Gepäck auf die Kutsche. Die armen Hühner müssen nach hinten auf die Plane weichen, bekommen aber in ihrer exponierten Lage einen Sonnenschirm. Und so gibt es vorne drei Sitzplätze für drei Kinder. 




Ist ja schon spannend. Wir wissen ja alle nicht, ob es funktionieren wird. Ob es allen gefällt, ob wir einen gemeinsamen Rhythmus finden, wie der Ablauf wird. Das größte Geschenk macht uns ein Gewitter in der Nacht bevor sie kommen. Denn dieses lässt die Temperaturen von 38 Grad auf 28 sinken. Hab mir um Vorfeld viele Gedanken gemacht wegen der Temperaturen. Ich kann von Kindern nicht erwarten um drei Uhr aufzustehen und um fünf parat zu sein. Andererseits ist es auch zu trocken hier um nach einer Wiese für ein paar Tage zu fragen, damit wir stationär bleiben können. So schön, dass mir diese Entscheidung von dem Gewitter abgenommen wird. 28 Grad ist immer noch viel um eine Kutsche zu ziehen, aber wenn ich die Wege in Wälder verlege sollte es gehen. Und ich werde es in den kommenden Tage sehr zu schätzen wissen, bis sechs Uhr schlafen zu können und nicht mit dem Gefühl, ich müsse vorwärts machen, weil sonst die Hitze kommt, meinen Morgen verbringen zu können.

Aber es ist so schön zu sehen, wie alle sich einlassen auf das Zusammensein und wie wir zusammen wachsen als „Herde“. Max und Milan bleiben meine Aufgabe. Ich lasse es denn Kindern zwar offen Max zu striegeln (Milan nicht, der ist zu nervös), anzuschirren oder zu führen, doch nach den ersten Tagen konzentrieren sich die Kinder mehr auf Tiere kleinerer Größe: die Hunde und Hühner. Diese werden umsorgt, verhätschelt und mit ganz viel Aufmerksamkeit bedacht. Um die Hühner speziell muss ich mich in all den Tagen gar nicht mehr kümmern. Camp aufbauen, Kochen, Abwaschen wird von allen gemacht. Mal besser, mal zäher aber das ist ja normal.






Doch auch die Ochsen bekommen indirekt ihre Aufmerksamkeit. Denn Zaun auf und wieder abbauen wird durch Kinderhände verrichtet und es passiert was wunder wunderschönes, und zwar bekommen wir Lieder gesungen auf den langen Strecken im Wald. Mehrstimmig. Das hat mir total gut gefallen, ich denke aber auch den Ochsen.

Ich habe ja so ein Raster im Kopf, was ich unbewusst mehrmals durch gehe unter der Fahrt. Wie geht's denn Ochsen, wie sind ihre Kräfte, wie sind meine? Wie geht's denn Hunden, den Hühnern? So was man halt tut als Herdenmesch. Jetzt kam an erster Stelle für mich immer: wie geht's den Kindern, wie sind ihre Kräfte? Dann kamen die Ochsen und dann der Rest.

Nach dem Abschied war es erstmal komisch, weil die Frage, „ wie geht's den Kindern“, ja erstmal eine Lücke hinterlassen hat.

Es war schon eine besondere Zeit.  Wir sind kürzere Strecken gelaufen, auch ein bisschen anders. Sonst bin ich manchmal den Ochsen zu liebe bei einem Berg dann doch auf die Teerstraße mit Verkehr. Jetzt bin ich eher Umwege oder habe auch das Risiko eines steilen Waldweges in Kauf genommen (hier im Norden der Schweiz habe ich ja die Wahl, Waldwege, Teerstraße...). Erstaunlicherweise hat es aber immer funktioniert. Und dafür wurden mir Brombeeren gebracht. Ich habe UNO gespielt und musste nie alleine an die Tür eines Bauernhauses gehen. Und alle Menschen haben auch diese Familie ins Herz geschlossen und sie auf ihre Wiese eingeladen. Und uns noch versorgt mit Obst und Gemüse.

Fünf Camps haben wir zusammen aufgeschlagen. Es waren sehr schöne Tage. Randvoll von Morgens bis Abends. Vielen herzlichen Dank euch allen! Jederzeit gerne wieder! 

 



 

Montag, 1. August 2022

Horizonte

 

Als ich Kind war, wusste ich nicht, dass man mit Kutsche und Tieren auf der Straße ein Leben auf Reisen führen kann und wie glücklich das macht. Es hat ganz viel dazu gebraucht, dass ich überhaupt auf die Idee gekommen bin: Viel Reisen, schon eine etwas andere Familiengeschichte, ganz viel aufs Maul fliegen und Auseinandersetzung, ein Studium der Bildhauerei und viele viele Unfälle, die mich immer mehr auf diesen Kurs gebracht haben. Und dann natürlich die richtigen Menschen zur richtigen Zeit. Anders gesagt: um auf diese Idee zu kommen ist schon viel Energie „umgesetzt“ worden und Zeit vergangen, meinen Horizont so weit zu erweitern. Und nochmal mehr Jahre, es umzusetzen und zu sehen, dass es funktioniert und was es für einen Menschen aus mir macht.

Jetzt reise ich seid 10 Jahren. In diesen 10 Jahren habe ich ungemein viele Kinder kennen gelernt. Kinder der Bauersfamilien, bei denen ich nach einer Wiese gefragt habe, Kinder von FreundInnen von mir. Sie haben uns gesehen und erlebt. Alle Tiere und mich. Diese Kinder haben jetzt schon in diesen jungen Jahren diese Möglichkeit zu Leben innerhalb ihres Horizonts.

Wie oft habe ich mittlerweile von Eltern den Satz gehört, dass ihre Kinder jetzt auf die Frage, was sie später mal machen wollen, antworten: mit Pferden und Kutsche zu reisen. Selten mit Ochsen, aber das kam auch schon vor. Letzte Woche habe ich jetzt von einer Bauerstochter gehört, deren Eltern ihr tatsächlich ein Kalb kastrieren lassen mussten und sie eine Weile mit ihm immer spazieren gegangen ist.

Das hat nicht lange angehalten. Ist aber gar nicht so wichtig. Wichtig ist, dass dieses Mädchen ihren Horizont jetzt schon so weit gesteckt hat, dass ein solches Leben im Rahmen des Möglichen liegt. Ohne diese Kämpfe, die ich dafür austragen musste. Wenn jetzt dieses Mädchen im Laufe ihres Lebens durch ihr eigenes Schicksal ihren Horizont erweitert, wie weit ist der dann erst draußen?