Montag, 30. Mai 2022

Montag, 23. Mai 2022

Im Morgengrauen

Ich wusste dass ihr kommt und hab mich ungemein gefreut. Was für ein wunderschöner Zufall. Am Tag vorher wurdet ihr mir angekündigt. „Lieber später starten“, hieß es. Kein Problem. Für euch hätte ich auch länger gewartet. Doch schon im Morgengrauen seid ihr gekommen. Von weitem hab ich euch gehört. Es hat geregnet. Mal stärker, mal schwächer. Ich kann mir vorstellen, dass es euch ganz recht war. Besser wie zu heiß. Aber die Menschen taten mir leid.

Zuerst noch ein Auto, doch dann kam schon der erste Junge. Gelbe Hose, rote Weste, Kappe auf dem Kopf. Gefolgt von „seinen“ Geissen. Weiße. Mit kleinen Glocken. Das war schon ein nettes Geräusch.

Aber dann kamt ihr. Die Ersten mit den großen Glocken um den Hals. So durchdringend, dass es im Herzen auch ganz sicher ankommt. Und Hörner tragt ihr. Alle. Was für ein Anblick! 

Hinter euch noch die Rinder, etwas sprunghafter, eben nicht so erfahren wie ihr. Einige tragen die Hornführer, dass ihre Hörner ja den richtigen Schwung bekommen.

Eine Träne läuft mir über die Wange.

Dazwischen Männer, wenig Frauen, alle in Tracht. Euch zu begleiten auf die Alp. Von weit her hab ich sie jodeln gehört was sich mit dem Klang eurer Glocken vermischt hat. Es ist eigentlich surreal.

Und dahinter kommt noch eine Rosskutsche, beladen mit einem Käskessi, welches so klein ist, dass es die großen Milchmengen, die ihr heute vermögt zu geben, überhaupt nicht mehr fassen würde. Und anderes Gerät, mehr fürs Auge als mit Sinn für diesen Sommer.

Schon seid ihr vorbei gezogen. Nur noch der Klang der Glocken zeugt von unserer Begegnung.

Nicht lange danach, dasselbe wieder. Insgesamt fünf Mal diesen Morgen. Zuerst der Bub mit den Geissen, dann die nächste Gruppe von euch. Wieder mit stolzen Hörnern. Dazwischen die bunten Menschen.

Und meine Träne.

Irgendwas rührt es an, dieses Bild, dieser Klang, im Morgengrauen.

„Sie [die Mühle] mahlt wieder. Die Zeit geht weiter“ so oder so ähnlich, ein Satz aus Krabat, geht mir durch den Kopf.

Sie laufen wieder, die Zeit geht weiter.

 

 

Um am Schluss noch die Romantik dieses Bildes noch etwas zu zerstören, hätte ich mir durchaus gewünscht, auch ein Mädchen an der Spitze zu sehen. Oder mehr Bäuerinnen dazwischen. Oder gar ein Mädchen in Jungentracht oder umgekehrt?

Aber immerhin hatten die Kühe Hörner!!!!

 

 

Donnerstag, 19. Mai 2022

So gleich und doch so anders: Hühnchen Generation #2

Über den Winter hatte ich fünf Hühner in Pflege. Meine zwei Reisehühner und drei frisch von der Alp. Da den Oktober über zwar die Hühner, aber nicht die Hunde auf dem Betrieb in Prato waren, waren es bei eintreffen der Hunde nur noch drei. Und der Fuchs war satt. Mein eines Reisehuhn, welches eh schon so lange Wassereinlagerungen hatte (und bei Aufregung einen blauen Kamm), war eines der beiden die fehlte. Ende Februar ist dann auch mein zweites Reisehuhn an Altersschwäche gestorben. Da bis zum losreisen nicht mehr viel Zeit war um junge Hühner an mich zu gewöhnen, habe ich mich entschieden, die restlichen zwei, aber eben schon Alten, mitzunehmen. Zumindest kannten sie mich und ließen sich einfangen (zur Not).

Ich bezeichne ja die Hühner immer als die "am einfachsten in meine Reise einzugliedernden Wesen", doch wusste ich ja nicht, ob ich nicht mit meinen Letzten einfach nur Glück gehabt habe. Also war schon etwas Spannung dabei, die neue Generation Huhn dieses Jahr einzupacken.

Aber sie sind einfach nur: genauso wie die Letzten. Sie sind dort zu Hause wo ihre Box steht und leben fröhlich ihr Leben dort wo sie gerade sind. Sie lassen sich morgens einpacken und bis wir Mittagspause machen ist das Ei gelegt.

Vier mal konnte ich genussvoll auf dem Boden kochen, ohne von Hühnern terrorisiert zu werden. Aber eben nur vier mal. Schnell haben auch diese Damen realisiert, dass mein Essen besser ist als ihres. Genauso schnell haben sie realisiert, dass das klicken der Tupperdose mittags bedeutet, dass es genau das Leckere von gestern Abend nochmals in Angebot gibt.

Und doch sind sie sich irgendwie anders, im Detail. Sie sind viel schneller und mehr auf mich fixiert. Mir scheint, sie wissen immer wo ich bin und es ist ihnen wichtig zu wissen. Ihre Blicke und Köpfe folgen mir oft. Sie fressen Haferflocken nur als Brei und nicht einfach so, dafür picken sie die Paprikakerne vom Strunck und Essen Kartoffel roh, was den anderen nie eingefallen wäre. Sie kommen NICHT wenn ich sie rufe (auch wenn sie wissen, was ich von ihnen will), sie lassen sich aber gnädigerweise von mir dort abholen wo sie gerade sind um in ihre Box zu bringen. Und schon nach nur zwei Wochen reisen kuschelt sich eine zum schlafen an meine Seite und hat dadurch mein Herz sofort wieder erobert.

Den ganzen Winter habe ich es nicht geschafft die zwei Damen auseinander zu halten. Es war mir aber auch nicht wichtig, weil die ja noch nicht Reisehühner waren. Doch auch später konnte ich es nicht, bis mich eine junge Frau auf ein Detail in der Federfarbe am Hals hingewiesen hat. Danach ging es und jetzt ist es gar nicht mehr schwer, weil sich das eine Huhn total verändert hat, seitdem sie zum Reisehuhn aufgestiegen ist (oder schon länger nur mehr alle zwei Tage Eier legt und dadurch mehr Energie hat?). Sie ist groß geworden und hat einen sehr ausgeprägten Kopf bekommen. Jetzt kann jede sie leicht auseinander halten.

Meine erste Generation Huhn habe ich für einzigartig und unersetzbar gehalten. Aber ich muss gestehen, dass ich die neuen schon genauso in Herzen trage wie die Alten. Aber keine Sorgen, ihr erste-Generation-Hühner, vergessen hab ich euch nicht.

Ein Huhn macht Mittag am Rheindamm

Ein Huhn macht Mittag im Schatten

Ein Huhn welches soeben 108 Spirelli Nudeln gegessen hat. Ich hab gezählt.

Ein Huhn bereit los zu fliegen über das Rheintal von St Anton aus




Dienstag, 10. Mai 2022

Wie ging es weiter mit Max

Die, die letzten Jahr meinen Blog mitverfolgt haben, wissen, dass Max letzte Saison ziemliche Probleme hatte. Er dehnte sein rechtes Hinterbein irritierend oft nach seitlich hinaus und hatte Schmerzen. Ob vom Bein, Hüfte oder Rücken war niemand klar. JedeR hinzugezoge PhysiotherapeutIn, ChiropraktikerIn hat etwas anderes gesagt. Es hat sich aber in Richtung „Störung durch Kastrationsnarbe“ verdichtet.

Ich wusste, dass ich an diesem Problem über den Winter dran bleiben muss. Denn klar ist und war: macht Max nochmal so eine Saison, dann wird es seine Letzte on Tour als Zugtier sein. Das kann ich nicht länger verantworten. Und das gerade mal mit 6 Jahren! So etwas in Aussicht zieht mir natürlich wieder den Boden unter den Füßen weg.

Das Video des Bewegungsmusters wurde zickfach herum verschickt, um vielleicht auf jemanden zu treffen, dem das was sagt. Viele Menschen haben probiert zu helfen.

Da ich ohne Röntgenbild schlecht Kontakt zu SpezialistInnen aufnehmen kann (denn das ist die erste Frage: war sieht man auf dem Röntgen?), verlud ich Max und Milan im Dezember noch einmal und fuhr mit ihnen vom Tessin ins Tierspital Zürich. Milan war als Beistand überall dabei. Nach einer Ganganalyse, Klauenuntersuchung und Abtasten wurde er mehrfach geröntgt. Knie, Hüfte und auf meinen Wunsch auch Wirbelsäule, um Kissing Spin auszuschließen (eine blöde Sache wo sich die Dornfortsätze zweier Wirbel berühren und Schmerzen verursachen). Da Max Rücken oft extrem empfindlich ist, schien mir das angebracht. Zu sehen ist schon, dass er ein Zugtier im Arbeitseinsatz ist und der untere Knochen des Knies gibt Rätsel auf. Deswegen wurde Milan auch geröntgt, um zu sehen ob es rassespezifisch ist. Aber es gibt keinen Befund, der die Schmerzen oder das Bewegungsmuster erklären würde.

Also kein Ergebnis. Gut! Zumindest kommt es nicht vom Knochen.

In Tierspital kam über eine Tierpflegerin aber noch der Kontakt zu einem weiteren Physiotherapeuten zustande, der schweizweit Pferde behandelt und in den letzten Jahren immer mehr Kühe. Und so wurden wir dann entlassen: Ruhe über den Winter und Physio.

Auf dem Gelände des Tierspitals steht auch eine Waage und so weiß ich zum ersten Mal seid 2019 ihr Gewicht: Max 810kg, Milan 760kg.

Noch an meinen letzten Arbeitstag vor den Weihnachtsferien kamen sie vorbei, der Physiotherapeut und seine Lernende. Nach der Ganganalyse wurde gedehnt und gedehnt (ein Knochenjob bei so viel Ochse) und dann eine Elektrobehandlung eines verspannten Bandes vorgenommen. Danach lief Max ganz anders! Mit langen Schritten ging er durch den Auslauf und phasenweise hielt er seinen Rücken gerade, ohne Senkrücken, dadurch hatte auch sein Bauch eine andere Form.

Die Diagnose wurde wie folgt gestellt: das Bein dehnen auf die Seite ist eine Krankheit die sich Shivering nennt, die von Pferden, aber nicht von Kühen bekannt ist (was nicht sehr überrascht). Die aber glücklicherweise -angeblich- keine Schmerzen verursacht.

Die Schmerzen hingegen kämen von völlig verspannten Bändern und Muskeln, die jetzt gelöst wären.

Eigentlich hielt er seine Arbeit schon für beendet, ich bat ihn trotzdem nochmal wieder zu kommen, da es sich ja um über lange Jahre angesammelte Verspannungen handelt.

Nach den zweiten Besuch hielt er seine Arbeit nun aber für wirklich beendet.

Neben dem Stallalltag des Winters ist es schwierig eine realistisches Bild über eine Verbesserung oder eben nicht, zu zeichnen. Dh die wirkliche Probe- und Beobachtungszeit für Max ist mit Beginn der Reise gestartet. Also JETZT.

Und bis jetzt bin ich vorsichtig positiv. Wenn ich die Dehnbewegung der Hinterbeine sehe, die er viel macht in Ruhe, denke ich mir jetzt: das ist der Tick von Max und bleibe dadurch entspannt. Er tut mir zwar leid, aber es zieht sich nichts mehr in mir zusammen. Ich denke, allein meine Entspannung bringt auch viel Entspannung für Max. Sein Rücken ist sehr schön oben für seine Verhältnisse, er ist motiviert (außer er findet die Strecke langweilig), und wenn man bei einem Ochsen überhaupt von „Motivation“ sprechen kann. Das große Durchatmen ist aber noch weit entfernt. Noch sind wir in der langsamen Gewöhnungsphase, noch sind wir keine Pässe gelaufen…

Aber immerhin…

Hier die Bilder:


Das ist Max Knie. In rot umrandet der Ansatz von häufiger entzündeten Sehnen (der Nebel). In blau: der Spalt ist nicht zu erklären. Deshalb wurde Milan als Vergleich geröntgt:


Da existiert der Spalt nicht. Was man übrigens auch noch sieht ist, dass beide ihr Wachstum noch nicht abgeschlossen haben.
Max Hüfte:
Die Wirbelsäule:








Dienstag, 3. Mai 2022

Jetzt ist es passiert

Jetzt ist es zum ersten Mal passiert. Wir wurden ÜBERSEHEN! Eine Frau hat ganz gemütlich ausgeparkt um dann noch vor unserer Nase zu wenden. Fast wäre sie mit uns zusammen gestoßen. 
Aber nix passiert. 
Sie hat sich erstaunt entschuldigt. 
"Macht nix", hab ich gesagt, "kein Problem, passiert uns häufiger wenn wir so schnell unterwegs sind..."

Ich glaub sie hat meinen Scherz nicht verstanden.

Montag, 2. Mai 2022

Ein guter Start mit Geleitschutz

 

4 Tage auf Tour. Max und Milan ziehen fantastisch. Sie sind motiviert und erstaunlich schnell! Meine Sorgen die Lunge von Max betreffend werden von Tag zu Tag geringer, auch wenn ich ihm, ehrlich gesagt, bei jedem kalten Lüftchen ein geschütztes Plätzchen suche. Kaum sind wir am Ende, bzw Anfang des Safientals angekommen steigen die Temperaturen abermals gleich mal um gute 10 Grad, auch nachts. Sehr angenehm, va wenn mich am Vortag ein nicht erwarteter Starkregen mit Hagel und dem einsetzenden eiskalten Wind in Bedrängnis und den Rand meiner Komfortzone gebracht hat.

So viel Wärme sind die Ochsen nicht gewöhnt und kommen ins schwitzen wenn's mal bergauf geht. Doch wenn einer mal hechelt, dann ist es Milan und nicht Max. Eine große Erleichterung! Also scheint seine Lunge wieder ganz in Ordnung zu sein.

Und dann erreichen wir bei frühlingshaften T-Shirt Temperaturen Chur, wo der Frühling über einen Monat weiter ist als im Safiental. Um zu Freunden von mir zu gelangen muss ich einen blöden Verkehrsknotenpunkt um Chur Süd durchqueren. Geht nicht anders. Hab ich im Herbst auch schon gemacht. War kein Problem, weder für die Ochsen, noch für die Menschen. Von einer Ampelschaltung weiß ich, dass sie zu kurz ist für uns, auch wenn ich es extra so time, dass wir die ersten sind. Aber bis die anderen grün haben, sind wir gut für alle sichtbar. Dann muss ich ein Stück Bundesstraße den Berg hoch. Geht nicht anders. Es gibt keine Alternative.

Und schon überholt sie mich in schickem orange: die Polizei. Nach !sieben! Reisejahren ohne jeglichem Polizeikontakt, dann zwei Reisejahren mit jeweils einem oder zwei Kontakten, treffe ich in dieser Saison schon am Start auf sie. Das übliche: sie wurden angerufen wegen uns, wo wir denn hin wollen, die Personalien bitte…. Warten, mitten auf der Straße.

Ich muss aber sagen, dass diese Polizisten bisher die Nettesten sind, die mich aufgehalten haben. Und dann sagen sie mir tatsächlich, dass sie mich begleiten, bis ich die Straße verlasse. Auf meinen Hinweis, “das dauert aber bis die Ochsen den Berg oben sind“, wird mit Schulterzucken reagiert.

Naja und dann ziehen Max und Milan Schritt für Schritt in dieser ungewohnt warmen Frühlingsluft die Kutsche hinter Chur den Berg hoch. Immer schön begleitet und behütet von einem Auto in neoorange.