Donnerstag, 27. Juni 2024

Doppelt sichergestellt


Die Wiese, auf der ich die Entscheidung treffen muss abzubrechen oder nicht ist ein Ort, den ich sehr gerne besuche. Schon zweimal waren wir hier. Jedesmal, wenn wir über den Lukmanier ziehen, dürfen wir hier unter der Burg von Semione unser Camp aufgeschlagen. Eine Burg klingt ja erstmal sehr touristisch, aber die Wiese ist so gelegen, dass niemand zufällig an uns vorbei kommen kann. Ich aber hingegen habe meinen privaten Zugang zur Burg. Sehr luxuriös. Und der Ort hat eine schöne Wildheit. Eine Felswand, oder eher zwei, bilden eine natürliche Barriere. Unterhalb fällt das Gelände ab mit vielen Steinen, alten Kastanienbäumen, einen zerfallenen Steinstall und vielen Büschen und Brombeeren. Eine ideale Ochsenwiese. 

Diesmal kommt Tomte leider mit einem Schnitt im Ballen von einer Fresstour zurück. Ich kann nicht sagen, ob von einem spitzen Stein kommt, oder ob irgendwo ein Metall herum lag. Da es aber nur das «tote» Ballenmaterial getroffen hat und der Schnitt wegen der darunter liegenden Klaue nie den Boden berührt, denke ich mir nicht viel dabei. 

Doch ich werde eines besseren belehrt. Mir war nicht bewusst, dass sich der Ballen bei jedem Schritt elastisch mit zu bewegen scheint. Und somit wird der Schnitt erstmal grösser statt kleiner und reisst irgendwann bis in den lebendigen Teil des Fusses ein und entzündet sich. Glücklicherweise fällt mir das auf, denn anzeigen durch Humpeln tut Tomte nicht. 

Zum Glück gibt’s Antibiotikum. Den Vorderfuss eines Ochsen kann ich gut zweimal am Tag in einen Eimer stellen und baden, aber mit den Hinterfüssen geht das nicht so gut. 

Begeistert ist Tomte aber nicht, als ich ihn zwei Spritzen in den Hintern gebe. Schwere Tiere brauchen immer so viel Milliliter Antibiotika, dass es mir selber dabei ganz anders wird. Meine Mutter, die gerade auf Besuch ist, hilft, indem sie Tomte mit seiner neuen Leibspeise: Mango und Banane, ablenkt. 

Da der Riss einer ständigen Bewegung ausgesetzt ist, wird es ein langwieriger Heilunsprozess, bis ich wieder mit Tomte arbeiten kann, bzw ihm Schuhe anziehen kann. 4 Wochen wird Tomte jetzt mindestens nur herum stehen dürfen. 

Hätte ich nicht abgebrochen und wäre stattdessen weiter gezogen, hätte ich jetzt ein riesiges Problem bekommen. Denn eine, bzw mehrere Wiesen mit Futter für drei Ochsen für eine so lange Zeit organisiert zu bekommen, wäre wohl sehr sehr schwierig geworden. 

Es scheint mir, als hätte das Leben doppelt sichergestellt, dass ich diesen Sommer nicht reisen kann. Nur weshalb?


Donnerstag, 6. Juni 2024

Entschuldigung Max

Entschuldigung Max, ich hab dir unrecht getan. Von wegen Eifersucht und so. Eifersüchtig bist du auch auf Tomte, das steht ausser Frage, aber das ist nicht der alleinige Grund, dass du ihn so geärgert hast.

Jetzt wo wir weiter ziehen in der Form, wie du es gewöhnt bist, also mit deinem Kumpel Milan an der Seite (und Tomte hinten dran) wird es endlich ruhig um uns im Reisen. Und da fällt es mir über die Tage erst auf. Zu spät. Du kannst gar nicht mehr schnell laufen!

Milan passt sich dir an, Tomte hat das nicht gemacht und dich in eine Schnelligkeit gezwungen, die dir nicht mehr gut getan hat.

Wie oft hast du mir schon weiss gemacht, dass du müde bist, oder es dir zu warm ist, oder du einfach keine Lust hast und bist deshalb in deiner mir wohl bekannten «Protestgeschwindigkeit» gelaufen. Da war aber immer alles in Ordnung mit dir. Bist halt auch nur ein Lebewesen, was nicht immer Lust hat auf Arbeit.

Aber jetzt, jetzt!, ist es anders. Die Temperaturen sind kühl, es gibt noch keine Fliegen, die Strasse geht eben, du bist ausgeruht und trotzdem läufst du langsam.

Beim genauen Beobachten fällt mir auf, dass du mit den Hinterbeinen manchmal Schlangenlinien läufst, dass nach einer von Shivering ausgelösten Beinbewegung, die auch immer mehr zu nimmt, das Hinterbein nicht mehr richtig unter den Körper kommt und du dadurch in der Hüfte instabil wirst. Wie sollst du da noch schnell laufen können?

Als mir das wie Schuppen von den Augen fällt und mir klar wird, dass ich einfach zu viel Aufmerksamkeit beim neuen Ochsen und zu wenig bei dir war, ist die Entscheidung schnell gefällt, wenn auch schmerzlich:

Wir brechen ab. Du hast in deinem Leben genug eine Kutsche gezogen. Jetzt ist es vorbei.

Für den übernächsten Tag ist der Transport schon organisiert. Die Wiesen in Airolo haben für diesen Sommer eh noch kein Tier gefunden, welches noch Kapazitäten hätte sie abzuweiden. Dann machen wir das jetzt einfach.

Danke, dass du mir so viele Jahre die Kutsche durch die ganze Schweiz gezogen hast! Du warst mit ihr und mir und der ganzen Herde zweimal auf dem Gotthard, San Bernardino, Grimsel und Lukmanier. Und jeweils einmal auf der Furka, dem Susten, Klausen, Jaun, Col des Mosses, Col du Pillon, Wolfgang, Albula und Flüela. Du warst sogar auf dem höchsten mit dem Auto befahrbaren schweizer Pass, dem Nufenen mit seinen 2439m! Das alles geleistet mit deiner Muskelkraft!!!