Montag, 26. August 2024

Neuer Platz

Ich lehne an Max, spüre seine Wärme im Rücken. Manchmal zuckt seine Haut um Fliegen zu vertreiben. Manchmal biegt er seinen Kopf zu mir, damit ich die Fliegen weg scheuche. Ich schaue auf ganz andere Landschaft wie die letzten Monate. Nichts mehr mit Bergen. Jetzt sind wir nach Madiswil im Kanton Bern umgezogen. Hügel, Wald, Wiesen und Ackerbau wechseln sich hier ab. Ein anderes Licht, ein anderes Gefühl aus der Erde.

Wir sind noch einmal weiter gezogen mit Sack und Pack. Wenn auch mit dem Viehtransporter. Für Max und Milan wird es der letzte Umzug gewesen sein.

Es ist ein schöner Ort um uns von einander zu verabschieden. Wir thronen auf einem Hügel und wer nicht gesagt bekommt, wo wir sind, wird uns schwierig finden. Hier haben wir unsere Ruhe. Wir hingegen haben Aussicht und schweben irgendwie über allem.

Ich werde gefragt, was ich denn jetzt tun werde hier den ganzen Tag? 

Ich hab eigentlich nur eine Sache vor: die Anwesenheit, das schöne Wesen meiner Ochsen jeden Tag zu geniessen. Zeit zusammen verbringen. Jede Minute, jede Sekunde. Draussen. In Freude. In Ruhe. Und in Dankbarkeit.



Samstag, 10. August 2024

Nächste Frage, nächste Antwort

Dann nehme ich mir mal die nächste Frage aus meinen Blogbeitrag vom 11.7. vor:

Wie ist die ruhigste, sanfteste, wertschätzendste Art und Weise sich von einem 900kg schweren Lebenswegbegleiter zu trennen mit dem man so viel erlebt hat? Und ist diese dann auch umsetzbar und va legal?

Von der mir stimmigsten Variante habe ich ja damals auch geschrieben. Die ist schon mal sicherlich nicht legal. 

Eine naheliegende Alternative wäre Schlachthof. Dann müssten sie das Schicksal von sicherlich mehr als 99% aller anderen Nutztiere teilen. Ein Schlachthof ist schon praktisch. Da passiert alles in einer Hand, an einem Ort.

Ginge es vielleicht auf eine auf Max und Milan abgestimmten Weise?

Diese wäre zum Beispiel, dass ich sie nicht hin transportiere und gleich vor Ort auslade (wo sie dann eh schon vom Transport gestresst wären), sondern am Tag vorher hinfahre, übernachte auf einer schönen Wiese, und von dort aus dann zu Fuss zum Schlachthof laufe. An einem Tag, der nur für sie frei gehalten wird, mit viel Zeit. Vielleicht ginge das...

Ich schaue mir also einen Schlachthof an, der mir das bieten kann. Der Mensch, der ihn betreibt, ist wirklich nett und versucht auf meine Wünsche und Vorstellungen einzugehen. Aber auch er ist an die Regeln gebunden, dass heisst er darf zB nicht beide Tiere gleichzeitig betäuben. Es muss einer von beiden draussen bleiben und darf erst fünf bis zehn Minuten später in den Schlachtraum rein, wo vorher sein Kollege gestorben ist. Wie soll ich den denn dann noch da rein bekommen?

Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich dem netten Mann fast in seinen Schlachtraum gekotzt hätte, bei der Vorstellung Max und Milan hinein zu führen. Es ist alles tiptop sauber, daran liegt es nicht. Es reicht die Vorstellung und der Geruch nach kaltem Tod.

Ich habe mich mittlerweile schon viel mit befreundeten LandwirtInnen unterhalten, die ja aufgrund ihres Berufes öfter in der Situation sind, ihre Tiere in den Schlachthof bringen zu müssen. Wenn man direkt vermarktet kommt man da kaum drum herum Und fast ausschliesslich höre ich, dass es für die Tiere kein Problem ist (Zeit und Ruhe vorausgesetzt!!!) den Schlachtraum zu betreten.

Wie kann es dann sein, dass meine Ochsen, wenn ich auf Reisen an einem Schlachthof vorbei laufe, sofort schneller werden? Sowohl Lothar, als auch Max und Milan?

Mit diesen Infos, also meiner Erfahrung und im Gegensatz dazu die Erfahrung der LandwirtInnen, frage ich mich einmal mehr, ob ich nicht das Schlüsselglied bin in allem. Ob es an meiner Einstellung, an meinen Vorstellungen und Ängsten liegt, wie meine Tiere reagieren.

Und damit scheidet das Thema Schlachthof aus, weil ich weiss, dass ICH nicht die innere Ruhe hinbekommen werde. Dass ich es an diesem Tag nicht schaffen werde Max und Milan das Bild eines guten Raumes zu vermitteln, der jetzt einfach betreten werden muss. Als Teil eines Kreislaufs des Lebens. Mit Ruhe und Gelassenheit und Bestimmtheit.

Und Vorspielen kann man einem Tier sowas sowieso nicht.

Nächste Alternative: Hoftötung. In der Schweiz seid 2020 erlaubt mit einer Genehmigung vom Veterinäramt (und wahrscheinlich noch anderen Ämtern) und speziellem, verbauten Fixierstand (usw.) Ein netter Yakbauer, den ich zu dem Thema befrage, bietet mir sogar an, es bei ihm zu machen.

Aber auch da stolpere ich über Bürokratie: 100 Tage muss das Tier vorher auf seinem Betrieb gestanden sein, damit er eine Hoftötung machen darf. Und so viel Gras hat er nicht, dass er meine drei so lange durchfüttern könnte.

Als nächstes kommt eine neue Idee: mobile Hoftötung. Da bin ich erst spät drauf gekommen, weil ich dachte, dass es das in der Schweiz nicht gibt. Aber falsch gedacht. Ich finde einen Anbieter, der mit seinem mobilen Stand und grossem Anhänger (in den das betäubte Tier zum Ausbluten hinein gezogen und im Anschluss zum Schlachthof transportiert wird) zu mir kommen würde. Kostenpunkt: vier mal so teurer. Aber das haben Max und Milan sich verdient. Und muss mir deshalb egal sein.

Aber auch das darf man nicht einfach so machen. Auch dafür muss der Landwirt, auf dessen Flächen meine Ochsen getötet werden sollen (und sie auch mindestens 100 Tage vorher waren) zusammen mit dem Anbieter, eine Sondergenehmigung einholen (Kostenpunkt angeblich -nicht von mir überprüft-: 1200 Franken).

Und ein Schlachthof muss mit uns zusammen arbeiten. Denn bei der Hoftötung wird das Tier nur betäubt und blutet aus, alles weitere darf nur in einem Schlachthof erfolgen. Mit einem zeitlichen Limit. Zwischen der Betäubung und dem Zeitpunkt, an dem das Tier im Schlachthof fertig ausgeweidet ist, dürfen nicht mehr als 90 Minuten liegen.

Kein Problem, denke ich mir, hier gibt’s ja einige Metzgereien in der Umgebung, die noch Schlachten. Also fahre ich sie ab. Und merke schnell: falsch gedacht! Denn diese kleinen Betriebe sind nicht dafür ausgerüstet so grosse schwere Tiere zu verarbeiten. Es scheitert an Raumhöhe (der Hals darf den Boden nicht berühren) und zu geringer Krankapazität um den Körper aufheben zu können. Das können nur grosse Schlachthöfe. Aber diese Schlachthöfe (es gibt zwei, einen Richtung Norden, einen Richtung Süden) sind zeitlich am Limit. Dh läuft alles reibungslos, ist alles gut. Läuft irgend etwas nicht nach Plan oder gibt es Stau auf der Autobahn, wird die Zeit überschritten und das Fleisch muss weg geschmissen werden. Was für eine Aussicht!

Aber mit diesen Voraussetzungen müsste ich doch von der 100 Tage Regel befreit werden, um meine Tiere näher an einem grossen Schlachthof töten lassen zu können!! Denke ich. Aber auch das habe ich falsch gedacht. Das Veterinäramt, welches ich dafür kontaktieren muss, sagt mir nur, sie finden es zeitlich zumutbar und wenn der eine Anbieter sagt, es sei grenzwärtig, dann müsse ich mir halt einen Anbieter suchen der schneller arbeitet. 

Da war ich tatsächlich sprachlos.

Soll das jetzt auch nicht funktionieren? 

Einen anderen Menschen, der die mobile Hoftötung anbietet finde ich noch. Auch er wäre bereit zu kommen, und alles zu versuchen. Eventuell ohne Erfolg.

Aber er bietet mir eine Alternative an. Er lädt uns zu sich auf den Betrieb ein um dort die 100 Tage zu verbringen.

Ich schaue mir den Betrieb an und es passt. Was mir sehr gefällt ist, dass ich Vorort die Möglichkeit habe, wie damals mit Lothar- den Schlachttag zu trainieren. Also ein paar Tage vorher schon mit ihnen jeden Morgen in den Stand laufen, sie dort eine Weile stehen lassen, eventuell mit verbundenen Augen. Und dann wieder zurück laufen auf unsere Wiese. Sie werden den Geruch des Bauern kennen - im Positiven!!-, der ihnen dann an einem Morgen den Bolzenschussapparat an die Stirn heben wird (er hat die Ausbildung und Genehmigung)

So wird alles ruhig ablaufen können. In einer ihnen bekannten Umgebung. Mit ihnen bekannten Menschen.

Das ist die ruhigste, sanfteste, wertschätzendste Art und Weise die Welt zu verlassen, die ich für Max und Milan gefunden habe.


Mittwoch, 7. August 2024

Was ist los?

Ja, das Anspannen von Tomte ist nur ein schönes kurzes Intermezzo. Drei Tage in Folge habe ich ihn eingespannt. Am vierten Tag stehe ich um 5 auf, weil ich mit ihm etwas bergauf laufen möchte mit der leeren Kutsche und dafür muss es kühl sein. Denn ein 900kg schwerer Ochse ist zwar verdammt stark, nur er weiss das nicht. Das hat den Vorteil, dass er denkt der Mensch ist stärker, andererseits denkt er am Anfang auch eine leere Kutsche ist schwer, wenn es bergauf geht. Da muss man das Tier also langsam heran führen. In kurzen Abschnitten und mit ausschliesslich Erfolgserlebnissen. Das baut das nötige Selbstvertrauen auf.

Und dafür muss es kühl sein. Bei Hitze hat kein Ochse Hirn zum arbeiten und eine Kutsche fühlt sich gleich zehnmal so schwer an wie bei kühlen Temperaturen. Zu schnell bleibt ein Ochse dann einfach stehen und könnte sich verweigern und auf ein solches Verhalten darf man ihn erst gar nicht bringen.

Also fünf Uhr aufstehen (unter dem Reisen ist es ja sonst noch schlimmer: drei Uhr aufstehen, fünf Uhr los laufen).

 Diesen Morgen steht Tomte bei meinem Frühstückskaffee vor mir und ich sehe, dass sein Vorderbein oberhalb vom Kronrand, dort wo eigentlich eine alte Wunde war, offen ist. Ein komisches Blut rinnt heraus, ein bisschen wie Kunstblut. Dickflüssig, aber zu hell und auch erstaunlich viel. Also nix mit Training. Ich versorge die Wunde und gehe wieder schlafen.

Zum Mittag essen steht Tomte wieder vor mir. Und ich traue meinen Augen nicht. Die Verletzung vom Morgen blutet wieder und dazu am « Knie», also dem Karpalgelenk, eine ähnliche Stelle. Zuerst dachte ich ein Schnitt, aber beim sauber machen finde ich wieder eine rundliche Stelle. Auch diese Stelle blutet ungewöhnlich viel und komisch.

Daraufhin suche ich die Wiese ab, suche etwas, was innerhalb eines Tages zweimal ein Bein verletzen könnte. Ich finde eigentlich nichts, mache aber vorsichtshalber das nächste Wiesenstück auf, damit Tomte mehr Ruhe hat als rangniedriges Tier.

Und der Bauer mulcht mir das alte Stück, weil dort Pestwurz stand, welches ich mit der Sense abgeschnitten habe und dessen harte Stängel, aber nur mit ganz viel Fantasie, diese Wunden hervor gerufen haben könnte.

Am nächsten Tag geht es Tomte nicht gut. Er frisst nicht, er liegt zu viel, und oft in der Bauchwehstellung. Er hat Durchfall, welcher grässlich stinkt. Aber kein Fieber. Auch der Fremdkörpertest fällt negativ aus. Also ???

Giftpflanzen? Ich schaue den ganzen Tag im Internet. Zuerst nur wegen der Pestwurz auf der Wiese, das einzige was auf der vorhergehenden Wiese nicht auch stand. Aber es ist nicht giftig.

Schlussendlich finde ich eine Pflanze, die ich Tomte auf der vorhergehenden Wiese, also ein paar Tage früher, sogar habe essen sehen, die mir aber nicht als Giftpflanze bekannt war: den Steinklee. Und da passt irgendwie sehr viel: va dessen blutverdünnende Wirkung. Dass «Bagatellverletzungen» schnell einmal schlimm aussehen. Deshalb haben seine zwei Wunden am Vortag so komisch geblutet! Und auch Magen Darm Probleme können hervor gerufen werden.

Leider finde ich nirgendwo, was man bei einer Vergiftung mit Steinklee tun kann. Allgemein bei Vergiftungen gibt es für Rinder auch Kohle, aber wir sind ja schon fünf Tage weg von dem Ort, wo er welchen gefressen hat, also bringt das ja gar nichts mehr.

Und bis ich all die Infos zusammen habe und die Schlüsse daraus ziehe, fängt es an Tomte wieder besser zu gehen. Sein Appetit kehrt zurück. Sein Durchfall stinkt weniger stark und wird fester.

Ich glaube, wir haben nochmal Glück gehabt. Ein Tag später ist er wieder ganz der Alte.

Max und Milan hatten keine solchen Symptome. Haben sie die Pflanze gemieden, oder sind nicht so empfindlich? Ich weiss es nicht. 


Gelber Steinklee