Max & Milan
* März 2016
† 23. September 2024
Ja mein guter Tomte. Du hast mir Freude bereitet diesen Sommer mit deinem Willen zu lernen und dich auf uns einzulassen.
Es war nicht immer einfach für dich. So viel Neues gab es zu lernen, zu tun und zu überwinden. Und dann gab’s ja auch noch die zwei neuen grossbehornten Begleiter in deinem Leben, die dir gerne gezeigt haben, wer hier das Sagen hat. Sie haben dir aber auch gelernt keine Angst zu haben vor dem vielen Neuen. Sondern es anzunehmen.
Und jetzt? Jetzt bist du wieder bei deiner alten Herde.
Wenn ich in deinen Kopf rein schauen könnte, was würdest du sagen zu deinem besonderen Sommer? Welche Entscheidung würdest du treffen?
Vernunft.
Das war meine Entscheidungsgrundlage. Du hast eine Fehlstellung vorne rechts, die deinem Bein mehr abverlangt als es sowieso dein zukünftiges Gewicht tun wird. Und du hattest zu lange eine immer wiederkehrende diffuse Schwellung, eine Entzündung am Hinterbein, gerade oberhalb der Klaue wo der Schuh befestigt wird, die dich zwar nicht humpeln liess, aber trotzdem blöd war. Und ich hab nicht rausgefunden, wie ich dir damit helfen kann.
Und so habe ich mich entschlossen dich in dein altes Leben zurück zu lassen. Wo du all das, was du bei uns gelernt hast in reduzierter Form weiter machen kannst und deine geliebte Lucia näher bei dir ist.
Mit ihr wirst du weiter deinen Weg gehen. Ich wünsche dir ganz viel Freude und Glück damit. Es war ganz schön schwierig dir Tschüss zu sagen. Hast du mein Herz doch natürlich von Grund auf erobert.
Was bedeutet im Fall von Max und Milan ein stressfreier Tod?
Dass sie alles kennen. Den Ort, die Menschen, die Umstände, den Fangstand. Dass alles für sie eine Normalität hat. Dass sie zu nichts gezwungen werden. Am Schlachttag selber werden sie genug Aufregung haben. Allein dadurch, dass sie merken werden wie es mir geht. Das reicht. Der Rest muss sitzen.
Deshalb hab ich jetzt schon mit dem Training angefangen. Gerade rechtzeitig ist mein Fuss geheilt. Ende Juli hab ich mir einen Knochen gebrochen und den Fuss gequetscht. Aus reiner Blödheit. So grosser Blödheit, dass es gegen meinen Stolz ging es zu schreiben. Nicht ganz. Ich hatte auch so genug wichtigeres, womit ich mich beschäftigen und worüber ich schreiben wollte .
Durch die viele Wochen ohne Arbeit und Bewegung für sie, von ihren alltäglichen Fressrunden abgesehen, hatten Max und Milan natürlich Dampf. Viel Dampf. Glücklicherweise ist so ein Dampf bei alten Ochsen auch schnell wieder weggelaufen und für die zwei mal laufen, die es dafür gebraucht hat, war gerade eine Freundin da. Denn alleine, mit gerade mal annähernd frisch verheiltem Fuss, und zwei übermütigen Ochsen, hab ich mir das dann doch nicht zugetraut.
Nachdem die Zwei dann also wieder schön ruhig waren im Umgang, hab ich mit dem Fangstand-Training begonnen.
Das Betäuben soll ja stressfrei für jedes Tier ablaufen. So ist das Konzept der mobilen Hoftötung. Egal ob trainierter Zugochse oder Mutterkuh, nicht im Schlachthof soll es passieren, sondern an dem Ort, wo das Tier zuhause ist. Deshalb wird so ein Fangstand normalerweise ein paar Tage früher schon in den Stall zur freien Verfügung aller Tiere gestellt und dann dort das Tier angefüttert. So ist es im normalen Tagesablauf des Tieres drin dort hinein zu treten. Zusätzlich wird jedes Eintreten auf den Fangstand vor dem eigentlichen Betäuben mit Video aufgezeichnet und wirklich nur betäubt, wenn das Tier stressfrei die Plattform betreten hat.
Da ich ja mit Max und Milan auf einem Hügel throne, muss ich sie sowohl an den Stall gewöhnen, als auch den Fangstand.
An den Stall gewöhnen ist kein Problem. Gibt es da doch frisches Heu, ein Tiefstrohliegebereich und eine Kratzbürste. Max und Milan haben Freude.
Der Fangstand ist ein Metallgestell auf Rädern, welches den Kopf des Tieres - eigentlich wie in einem Fressfanggitter – zu fixieren weiss. Da das ganze Gestell nachher mit dem betäubten Tier in den Anhänger zum ausbluten gezogen werden muss, ist es auf Rädern gelagert. Und somit oberhalb vom Boden. Das Tier muss also einen Tritt nach oben auf eine metallene Fläche machen. Die erste Hürde. Ein Tritt nach oben und dann das Geräusch von Metall.
Die zweite Hürde ist, dass dieser Fangstand nur dazu konzipiert ist, dass das Tier lebend hinein geht, aber nicht wieder hinaus. Deshalb muss beim lebendigen Hinaustreten das Ganze rückwärts ablaufen. Es muss also rückwärts einen Schritt nach hinten unten gemacht werden. Nicht einfach für ein Tier.
Und damit Max und Milan da nicht mal einen Scheck bekommen und dann vielleicht gar nicht mehr rein wollen, gehe ich alles ganz langsam an. Am ersten Tag sollen sie zum Beispiel nur mit den Vorderbeinen hinein treten, stehen bleiben und dann wieder zurück gehen. Und so Tasten wir uns ganz langsam, Schritt für Schritt jeden Tag ein bisschen weiter in den Stand hinein. Bis sie dann komplett drin stehen.
In solchen neuen Situationen sind meine Ochsen leider unbestechlich. Ich kann sie nicht locken oder loben mit etwas zu fressen. Das einzige was immer zieht ist: Klarheit im Kopf über das, was ich erreichen möchte, Ruhe, Zeit und Kraulen.
Wenn ich mit meinen Ochsen arbeite, va an etwas Neuem, dann begebe ich mich mit meiner Energie und Aufmerksamkeit raus aus dem Kopf. Wenn ich mich irgendwo zuordnen kann, dann bin ich einerseits im Bauch und andererseits um mich herum und beim Tier. Ruhig und wach, aber eben nicht wach im Kopf. Das ist ein wichtiger Unterschied. Es scheint mir, als dockt sich meine Energie an ihre Energie. In guten Momenten ist die Energie um meine Tiere und um mich herum eins. Und ruhig.
Aber es ist schon eine Herausforderung für mich. Jedes mal. Ich trainiere meine Ochsen schliesslich auf den Tod hin. Den ich festgesetzt habe. Nicht sie. Und sie hingegen arbeiten so gut mit. Und stellen sich mir mit all ihrem Wesen zur Verfügung. Im Vertrauen. Ich könnte eigentlich kotzen.
Für den Rest unserer gemeinsamen Zeit werde ich jetzt jeden Tag entweder mit ihnen laufen gehen, oder Fangstand-Training machen.
Der Termin steht jetzt fest. Wer ihn wissen will, soll mir schreiben.