Mittwoch, 21. April 2021

Ein unrunder Start



Wir sind wieder unterwegs. Auf der Strasse. Im Frühling.

Die letzten Wochen waren interessant, wenn ich es nett ausdrücken möchte. Sie waren aber vor allem voll.
Wegen des vielen Schnees sind Max und Milan den ganzen Winter nur in ihrem Stall und Auslauf geblieben. Und als es dann soweit war, dass ich etwas mit ihnen hätte machen können, habe ich mir mein Steissbein gebrochen oder stark geprellt. Das ist eine sehr langwierige und schmerzhafte Angelegenheit. Und als ich endlich wieder einsatzfähig war, waren es nur noch etwas mehr als zwei Wochen bis zum loslaufen. Da musste ich aber auch all die liegengebliebene Arbeit aufarbeiten, plus Kutsche überprüfen und packen, plus den Jungs neue Schuhe anpassen lassen, plus plus plus.
Deshalb habe ich nur zweimal kurz eingespannt bevor es losging. Aber mit gutem Gefühl.

Der Start hingegen war nicht gut. Die Bremse meiner Kutsche habe ich erst 4 Stunden vor Start wieder Einsatzfähig bekommen. Und als Milan - zum ersten Mal dieses Jahr- in all seinen Schuhen zur Kutsche treten sollte, hat er voll gesponnen. Damit habe ich nicht gerechnet, denn in Schuhen ist er ja schon zwei Sommer lang gelaufen.
Sein Kopf mit Hörnern hat er nur durch die Gegend geschmissen und die Füsse waren viel nur in der Luft. Also bin ich erstmal hinter den Hof auf die Wiese, damit er wieder realisiert, wie es sich anfühlt und dass es normal ist. Doch bleibt er wild und donnert mir in einem seiner Anfälle mit voller Kraft sein Horn in die Brust. Natürlich nicht extra. Aber verdammt weh tut es trotzdem. Erst nachdem ich ihm meinerseits die Peitsche über den Kopf ziehe, kommt er runter und ist auf einmal wieder ansprechbar und hält mehr Abstand zu mir. Auch die Schuhe scheinen ihn nun nicht mehr zu stören.
Daraufhin spanne ich beide vor die Kutsche und ziehe los (leichtsinnig??). Leider müssen wir nur bergab. Ausnahmsweise wäre mir nur bergauf lieber gewesen. Die ersten dreihundert Meter bereue ich alles was ich je über das gute Verhalten meiner Ochsen von mir gegeben habe. Sie sind schnell und so sicher, ob ich sie halten kann, bin ich mir nicht mehr. Was für ein Start!
Nach den ersten paar hundert Metern biegen wir auf die Kantonstrasse. Ich weiss nicht, was diese in ihnen auslöst, auf jeden Fall laufen sie daraufhin, als hätten sie nie was anderes gemacht. Ruhig, gelassen und bremsen schön mit. Wunderbar, aber erklären kann ich es mir nicht. Aber ich nehme was ich kriegen kann und schon fängt die Reislust wieder an in meinem Bauch zu kitzeln. Mit jedem Grün, was ich um mich herum sehe, mit jedem Stein, Vogel und Baum. Mit jedem Lufthauch, aber vor allem mit dem Geruch und Geräusch meiner Ochsen an meiner Seite.
Trotzdem bin ich froh, dass ich mir die erste Wiese schon vororganisiert hatte, in einer lächerlichen Distanz von 5 km. Aber es war genau das richtige!

Und jetzt laufe ich erstmal zu einem Bekannten, und wenn es von der Wiese her klappt, machen wir gleich einen Pausetag und gehen ohne Kutsche in die Berge. Aber erst, nachdem ich endlich mal wieder ausgeschlafen habe.

Dieses Frühjahr werden wir das Tessin hinunterziehen, wo es hoffentlich bald genug Gras hat, um nicht mehr Heu zufüttern zu müssen. Und wenn dann der San Bernardino Pass offen hat, der letzte Pass ins Tessin, den wir noch nicht kennen, werden wir diesen nehmen und Richtung Engadin und Davos ziehen. Mehr Plan habe ich nicht.

Jetzt werde ich wieder einmal die Woche schreiben und euch teilhaben lassen an der Reise zweier Ochsen, zweier Hunde, zweier Hühner und eines Menschen durch die wunder wunderschönen Berge der Schweiz.
Es ist übrigens unsere neunte Saison. Neun Sommer mit Ochsen auf der Strasse! Bin ich jetzt schon alt?

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