Montag, 26. Mai 2025

Mulis in Foto und Video

 

Jeden Tag im Winter stand Füsse geben üben auf dem Programm. Beide haben es nicht beherrscht, aber das wusste ich ja. 
Erste Ausfahrten zusammen im März:

Majestätischer Merlin


In Airolo







Auf dem Schild steht: " Achtung. Mulis mögen keine Hunde. Gehen sie mit ihrem Hund nicht in ihre Nähe."

Sonntag, 18. Mai 2025

Oh jetzt hab ich zwei Wochen nichts geschrieben. Nachdem wir nach dem Umzug von Prato (Winterquartier, Arbeit) nach Airolo (frei und mit Gras solange ich will) so richtig mit jeden Tag Training angefangen haben, ging es mit unserem Vertrauen erstmal steil bergauf. Zwar noch ohne Kutsche, aber mit beiden am Halfter bin ich überall durch und haben Lärm und Stehen geübt. Durch die Gotthard Baustelle, Airolo und was ich sonst noch so an interessanten Geräuschen gefunden habe. Es lief super, sie haben alles mit Bravour gemeistert und ich war auf Wolke sieben. Das zusammen Reisen schien greifbar nahe, wenn alles so stetig und mit grossen Schritten weiter gehen würde wie in diesen ersten Wochen in Airolo. 

Und dann hab ich mehrere Fehler hintereinander gemacht. 
Und diese Fehler haben mich und vor allem Merlin in einer Abwärtsspirale geführt, wo mal er mal ich immer mehr vertrauen verloren haben bis nach kurzer Zeit nicht mehr viel übrig war und wir wieder bei null waren. Tado, der stoisch eigentlich sein Ding macht hat sich dann davon auch beeinflussen lassen und dann hat auch nix mehr mit ihm funktioniert. 
Und Reisen zusammen war innerhalb von kurzer Zeit in weite Ferne gerückt. 
Ich habe noch nie mit einem Tier gearbeitet, welches sich so stark von dem beeinflussen lässt was ich denke und fühle. Gruselig auf eine Art und Weise. Doch dann ist auch verständlich, dass sie ihre vertrauen verlieren, wenn ich meines verliere. 
Das war die vorletzte Woche. Und deshalb war ich so still. 


Leider hat mich die ganze Situation sehr instabil gemacht und an meinen Fähigkeiten zweifeln lassen. An allem zweifeln lassen. So schnell von Wolke 7 in den Abgrund.
Aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht gleich wieder was positives in dem Scheiss, anders kann ich es nicht nennen, sehen würde. 
Wenn diese Tiere so extrem sensibel auf mich reagieren bin ich ja der Schlüssel. Dh ICH muss mich unter Kontrolle haben. Meine Gedanken, meine Emotionen. Nur so kann ich ihnen einen stabilen Boden bieten. Natürlich ist das nichts neues und etwas, wo ich immer dran arbeite. Aber eben noch nicht mit dem Erfolg, den ich jetzt bräuchte für die Arbeit mit den Mulis. 

Jetzt weiss ich auch, dass wenn ich keinen guten Tag habe, es effektiver ist erst gar nicht mit den Mulis zu arbeiten. Denn die haben das schon zehn Meilen gegen den Wind gerochen. 
Aber wir arbeiten wieder zusammen. Stetig und bauen das wieder auf, was wir verloren haben. Und kennen uns dadurch nochmal besser. Bin gespannt was ich in einem Jahr zu dieser Zeit sage.

Freitag, 2. Mai 2025

Wie kam’s zu den Mulis?


Im Herbst hatte ich ja eine Woche Zeit um mich für die Zukunft vom Leben inspirieren zu lassen. Natürlich wollte ich eigentlich nur Tiere anschauen und dann den Winter daüber nachdenken. Eine Freundin hat mir ihren Twingo geliehen und eine andere, sehr pferdeerfahrene Freundin hat Hof, Vieh, Mann und Kinder für mich zum ersten mal nach Jahren für ein paar Tage verlassen und ist spontan mit gekommen. Was für eine Erleichterung, 4 Augen sehen mehr als zwei. Nachdem dieser Plan ziemlich spontan stand habe ich eBay Kleinanzeigen durchforstet nach Pferdegespannen, Mulis, aber auch nach Watussi Rindern, die eben gerade in diesem Moment zu verkaufen stehen.

 Watussi, oder Angola Rinder wie sie auch heissen, ist eine grossbehornte afrikanische Rinderrasse, deren Grösse der Hörner die von Max und Milan noch übersteigen würde. Eigentlich war für mich ja klar: «keine Ochsen mehr!» wegen ihrer kurzen Lebensdauer, aber für so unglaublich schöne Tiere hätte ich noch eine letzte Ausnahme gemacht. Ochsen sind mein Herz und Hörner einfach nur göttlich schön.

Muli anzeigen verfolge ich ja schon seid zwei Jahren immer wieder. Es gibt wenige, noch weniger Mulis sind eingefahren und/oder bezahlbar für meinen Geldbeutel.

Und Pferde sind ja eigentlich nicht so mein Ding, aber Kaltblüter sind ja irgendwie auch schon halbe Ochsen.

Leider war in Sachen Kaltblüter im Herbst nicht so viel zu finden. Aber ich bin auf einer alte Anzeige über schon eingefahrene Mulis in Holland gestossen und hab da einfach angefragt ob es noch welche gibt. Mit Erfolg.

Unsere vorläufige Tour inklusive Übernachtung im Twingo (zwei Menschen, zwei Hunde) sollte zuerst zu einem Watussi (bei Köln), dann zu den Mulis (in Holland, grad über die Grenze bei Bocholt NRW), dann zu einem Pferd, dann zu einen anderen Muli (südlich von Hamburg) und auf dem Rückweg noch zu zwei Pferden führen.

Meine Freundin war sich sicher, dass wir eh nur den Watussi anschauen würden und damit die Entscheidung schon gefallen sein würde. Es war auch ein netter, einjähriger, schon halfterführiger kleiner Bulle gewesen. Aber…. mir hat sein Körperbau nicht gefallen, und der der anderen anwesenden Watussis auch nicht. Es war schon eigenartig. Schaute ich mir Videos der Rasse an aus Afrika, sah ich staatliche Tiere, schaute ich mir diese Tiere vor mir an, waren das in Vergleich Krüppel. Also fing ich an zu recherchieren und fand heraus: die in Deutschland lebenden Watussi stammen mehr oder weniger alle von ein paar für deutsche Zoos importierte Tiere ab. Das heisst der Genpool ist gering und Selektion bei der Zucht kaum möglich. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für einen Zugochsen, der ja irgendwann Leistung bringen muss, also einfach einen Top Körperbau aufweisen sollte. Schwer war es, da wieder weg zu fahren.

Als nächstes standen die Mulis auf dem Programm. Zwei Stück, zwei und vierspännig gefahren zu einem wirklich guten Preis. Noch am ersten Abend der grossen Tour sind wir sie Probe gefahren. Und es hat mich ziemlich umgehauen so gut und fein und verlässlich wie die zwei zu fahren waren. So umgehauen, dass wir sie am nächsten Tag gleich nochmal gefahren sind. Und gelaufen. Es war Samstag und in mir hat’s gearbeitet und gearbeitet. Mulis gibt’s nicht viele, wie ich oben schon geschrieben habe und dann so schön gefahren…. Sie waren nicht perfekt, denn der Besitzer hat sich aufgrund seines höheren Alters nicht mehr um die Hufe gekümmert (das konnte er sich leisten, da die Mulis so feste Hufe haben, dass er sie einfach barhuf fuhr). Und schlecht sahen die Hufe dafür wirklich nicht aus. Füsse geben lernen traute ich mir noch eher zu als so sauber und schön Kutsche fahren bei zu bringen wie die zwei es taten. Das Alter passte, der Preis auch. Aber es war Samstag und ohne Vorkaufsuntersuchung kaufe ich mit meinem Wissensstand kein Tier. Also habe ich die anderen Tiere ab gesagt und wir haben den Sonntag im Norden genutzt um Verwandtschaft zu besuchen und standen Montag früh parat für die Untersuchung. Nachdem diese positiv abgelaufen war und ich drei Tage hirnen und telefonieren und noch mehr hirnen hinter mir hatte, hab ich zugesagt und angezahlt.

Und war völlig fassungslos. Ich bin kein Mensch der so eine Entscheidung so schnell fällt. Und ich hatte ein schlechtes Gewissen Max und Milan gegenüber, von wegen: « die sind noch nicht mal kalt und du kaufst schon ein neues Tier».

Schwierig, aber eine ziemlich einmalige Möglichkeit. Aber nach nur drei bis vier Tagen! Wenn ich daran denke schwirrt mir immer noch der Kopf.

 Aber so bin ich zu Tado und Merlin gekommen. Und pünktlich zu meinem ersten Arbeitstag in Prato waren die Mulis auch schon dort. Bereit ihren ersten Winter in den Bergen zu verbringen und zu lernen, dass nach dem flachen Holland auch Dinge oberhalb oder unterhalb von ihnen sein können, bereit zu lernen auf Glatteis zu laufen, bereit zu merken, dass ihr bisheriges Leben vorbei ist und bereit mir dadurch mit all ihrem mulischen Misstrauen zu begegnen.


Donnerstag, 24. April 2025

Neues Jahr, neues Glück,… neues Team!

Darf ich euch vorstellen:

Merlin das Maultier, 10 Jahre alt, Mutter Andalusier, Vater katalanischer Riesenesel. Gelehrig, fein, schreckhaft. 

Tado das Maultier, 7 Jahre, Mutter Andalusier, Vater katalanischer Riesenesel. Stur, auf sein Vorteil bedacht, verfressen, faul und aus diesem Grunde ruhig, aber irgendwann einmal der treueste Weggefährte.

Und die alte Crew will ich aber nicht auslassen:

Piz wie gehabt, Border Collie, seid dem ersten Reisetag 2013 mit dabei und mittlerweile 13 ½ Jahre alt. Zum Glück habe ich eine Kutsche, sonst könnte sie nicht mehr mithalten.

Ihr Sohn Pepe, Border Collie x Bergamasker, 6 Jahre alt.

Und ich, Mensch, 43 Jahre alt.

Hühnchen gibt es dieses Jahr nicht. Die Alten sind über den Winter gestorben, neue hab ich mir aufgrund der sowieso ganz anderen Umstände dieses Jahr nicht mehr zugelegt. Nächstes Jahr wieder.

Eine Oxnfrau ohne Ochsen und jetzt mit Mulis? Das macht nicht gleich eine Mulifrau. Ich habe keine Ahnung von Mulis.

Es heisst: Mulis werden alt. Ein zigfaches von Ochsen. Eines der ausschlaggebensten Entscheidungskriterien für mich nach dem Abschied von Lothar im 2018 und dann jetzt von Max und Milan im 2024.

Tado gilt noch fast als jung mit seinen sieben Jahren und Merlin ist im besten Alter. Dh dass ich im Idealfall für die nächsten Jahre treue Begleiter an der Seite habe.

Mulitypisch lassen sie mich aber für jedes kleinste Fitzelchen ihres Vertrauens ganz schön schwitzen und lange, lange arbeiten.

Neben der Langlebigkeit gelten sie als gesund, robust, berggängig, leichtfuttrig, stark. Alles super Reiseeigenschaften. Und sie gelten eben als nicht so schreckhaft wie Pferde.

Im Negativen haben sie leider auch ihren Ruf weg: stur, eigenwillig, und angeblich brauchen sie für ihre Hinterfüsse einen Waffenschein.

Was von allem stimmt, was Realität und Märchen ist, kann ich euch erst mit mehr Erfahrung sagen.

Fakt ist: ich hab zwei absolut unterschiedliche Individuen an meiner Seite, die mir erstmal nicht treu folgen, deren Sprache ich nicht beherrsche und wo ich nicht sagen kann: wenn ich dies oder jenes mache, reagieren sie so oder so oder so, woraufhin ich wieder so oder so reagieren kann und dann klappt’s. Im Gegenteil. Was ein Glück hatte ich den ganzen Winter Zeit um mich an diese neuen Wesen zu gewöhnen. Und das selbe denken die zwei sich wahrscheinlich auch umgekehrt.

Nicht mehr breite, grossbehornte gemütliche Ochsen, sondern schmale, hochbeinige, langohrige Mulis, die auch mal schnell werden können. Sehr schnell. Und ihre Reaktionsschnelligkeit übersteigt meine leider bei weitem. Und ihre Fähigkeit Gedanken zu lesen ist gruselig.

Das kann ja nur ein tolles Jahr werden!! Ich wollte mal wieder eine Herausforderung für mein Leben: hier ist sie, sogar im Doppelpack. Willkommen im Team, Merlin und Tado!

 Ab jetzt gibt’s wieder einmal die Woche einen neuen Post.


Sonntag, 26. Januar 2025

Wir weiter?


Hallo Mascha,

Ja, wie geht es mir? Wie ging es weiter? Wie geht es weiter?

Eine Woche bin ich nach Max und Milans Tod noch auf unserem Hügel geblieben. Und die grösste vorherrschende Emotion war tatsächlich: ERLEICHTERUNG!

Erleichterung, weil alles gut gegangen ist. Beide sind ohne Stress gestorben. Ich würde nach dem Erlebnis mit Milan in Anhänger tatsächlich das Wort «friedlich» benutzen, auch wenn das schwerlich nachzuvollziehen ist, wenn man nicht dabei war. Allein dieses Erlebnis hatte für mich und die ganze Situation eine heilende Wirkung.

Erleichterung, weil es so viele unplanbare Faktoren gab die, egal wie viel ich alles trainiert habe, nicht abzuschätzen waren.

Zum einen waren Max und Milan schlicht und ergreifend zu gross für den Fangstand. Dh sie konnten dort drin nicht fixiert werden. Dh aber auch, dass sie sich in jeder Situation, in jeder Sekunde hätten entziehen können. Va in dem Moment, wo der Bolzenschussapparat an den Kopf gehalten wird. Da hätte viel schief gehen können. Ein verwackelter Schuss…ich wollte es mir gar nicht ausmalen.

Deshalb so viel Training davor.

Zum anderen konnte ich ja nicht einschätzen, wie viel der zweite Ochse vom Tod des ersten mitbekommt und dann reagiert. Auch wenn er es nicht sieht, die zwei sind sich so nah gewesen. Ihr ganzes leben lang. Wie viel bekommt ein Tier vom anderen auch auf anderen Ebenen mit? Das war eine absolute Ungewisse für mich!!

 Ich konnte auch nicht wissen, ob die zwei sich nicht von Anfang an entziehen, allein dadurch, dass sie meine Emotionen gespürt haben und ob ICH es schaffe mich unter Kontrolle zu halten.

Mein Anspruch war einfach hoch. Wenn ich sie gehen lassen muss, dann soll es der beste Tod sein, den ich ihnen legal bieten kann. Das wollte ich nicht vermasseln. 

 Und nachdem all meine Horrorszenarien nicht eingetreten sind und diese ganzen vielen Monate des tagtäglichen Abschied nehmens an einem Endpunkt angekommen waren , war ich einfach nur erleichtert. Und so so so so so dankbar, dass alles gut gegangen ist.

Die Zeit, nach dem Tod eines geliebten Wesens steht ja die Zeit immer irgendwie still. Wo es physisch nicht mehr da ist, und doch so stark da wie nie zuvor. Und alles ist so klar auf eine besondere Art und Weise. In diesen besonderen Tagen hatte ich den Luxus einfach nur auf unserem Hügel thronen zu dürfen und Abschied zu nehmen. In der Zeit habe ich die Knochen ausgekocht auf dem Feuer und war einfach nur da. Drei Tage davon hat es gepisst. Ich war nass, vermatscht und fettig von der Arbeit. Und hab gefeuert und gefeuert und gefeuert.

Und war froh, dass Max’ Rücken dieses Wetter nicht mehr erleben muss. So wie ich jetzt gerade erleichtert bin, dass Milan nicht mehr unter Schmerzen auf dem unebenen gefrorenen Boden laufen muss.

Und Trauer?

Ich war so viel traurig diesen Sommer, eigentlich den ganzen Sommer lang. Meine Tränen sind alle schon vorher geflossen. Jetzt war ich eigentlich einfach nur da…. Unser gemeinsamer physischer Weg war zu Ende gelaufen.

Und nachdem die Knochen ausgekocht waren, war es auch an der Zeit mein Zelt abzubrechen.

Drei Wochen später bin ich auf grosse Tour gefahren und hab das Fleisch von Max und Milan verschenkt an all den Orten (fast allen, ein paar Regionen fehlen mir noch) wo wir in den letzten 5 Jahren nett aufgenommen worden sind. Und Kontakte aufgefrischt, die Max und Milan einmal ermöglicht haben.

Und dann habe ich die Zeit vor meinen Arbeitsbeginn genutzt um mich vom Leben inspirieren zu lassen, was ich denn jetzt für Möglichkeiten habe. Und für meinen persönlichen Geschmack hat sich viel zu früh eine neue Tür aufgemacht. Und da bin ich durchgegangen .

Und dahinter standen zwei neue Tiere.

Und das ist schön und lässt mein Herz aber gleichzeitig bluten.

Aber das Leben geht weiter.

Mit Max und Milan habe ich intensiv gelebt, wir hatten einen letzten intensiven Sommer zusammen und waren bis zur allerletzten Sekunde intensiv zusammen.

Jetzt geht es weiter.



Ich bin sehr dankbar für das Erlebnis des Todes meiner Tiere mit der mobilen Schlachteinheit. Sie hat ermöglicht den schlimmen Moment des Todes eine ganz friedvolle, heilende Note zu geben. Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Er ist dadurch nicht nur stressfrei für das Tier, sondern auch gut zum Abschied nehmen für den Menschen.

Danke dafür, Andreas

Den nächsten Blogeintrag gibt's erst wieder im Frühling, wenn die Arbeit fertig ist, die Reisekasse gefüllt und wir wieder im Zeit schlafen.


Donnerstag, 3. Oktober 2024

23.9.


Vier Monate ging es stetig auf diesen Tag hin, auch als ich noch nicht genau wusste, wann es sein würde. Es war präsent. Viele Monate mit der Suche nach der richtigen Art und Weise, Auseinandersetzung mit Bürokratie und immer diese Trauer und das Aufsaugen der Momente, der geteilten Zeit, der Gegenwart, der Wärme, der Freude, des Lichts, der Schönheit, des Geruchs. 

Dann ist er da, unausweichlich, der Schlachttag. Wie gut kann man sich wirklich drauf vorbereiten?

Ich war schon ab halb drei in der Nacht wach. Schlaf ging nicht mehr. Um fünf hab ich meinen Kaffee mit den Ochsen getrunken. Ticktack. Um 7 beim Stall alles vorbereitet. Ticktack. Jeder Handgriff ist ein Handgriff näher am Tod meiner Ochsen. Ticktack. Und dann kommt der Satz: «Wir können anfangen».

Ich weiss nicht mehr alles, ehrlich gesagt. Hab in meiner Erinnerung wie schwarze Flecken. Milan, der von mir als zweiter Auserkorene (weil er besser alleine bleiben kann wie Max), binde ich in einer Ecke vom Stall an. Ticktack. Richte ihn so aus, dass er so wenig wie möglich sehen kann. Ticktack. Nehme Max an den Strick. Nicht denken, Eva, ruhig, Eva. Ich führe ihn in den Stand. Und er tritt hinein. Er muss doch merken was los ist!! Aber er tritt hinein. Ticktack. Ruhe ausstrahlen, Normalität. Alles normal machen. Kraulen wie immer. In die Ruhe eintauchen wie immer. Doch ich spüre es schon in mir drin, wie es hoch drückt, der Schmerz. Weg drücken!!

Der Bauer hat sich noch Hilfe geholt. Bespricht mit einen anderen Profi genau die Stelle für den Bolzenschuss. Man schiesst nicht jeden Tag so gross behornte Tiere. Da ist alles etwas anders. Doch Max steht. Ticktack. So lieb steht er. Kurz tritt er einen halben Schritt zurück, hat er jetzt doch was gemerkt? Ruhe bewahren. Alles ganz normal ablaufen lassen. Also ihn wieder nach vorne treten lassen. Und wieder Kraulen. Ticktack. Und dann fällt der Schuss neben mir und mein Max geht vor mir in die Knie mit seiner Masse von 900 kg. Max!! Ich verliere die Fassung.

Und schon wird der Fangstand in den Anhänger gezogen. Ich bleibe bei Milan. Mit Abstand. Bin doch gerade eh zu nix nütze. Fassung gewinnen. Boden gewinnen. Für Milan. Gelingt nicht. Aber der Gute steht eh einfach. Käut wieder. Ich miste den Kuhstall. Routine um mich zu sammeln und weil Milan das so kennt im Ablauf. Die Fassung kehrt zurück. Jetzt gibt es kein zurück mehr. Jetzt gehen wir den Weg zuende. Voll präsent. Das bin ich ihnen schuldig.

Der Bauer kommt zurück mit leerem Hänger. Wäscht ihn. Platziert ihn wieder im Stall. Der Fangstand fährt wieder heraus. Jetzt bin ich ganz bei mir und Milan. In Ruhe. Milan, wir machen das jetzt zusammen. Ich führe dich zum Stand. Da sehe ich Blut an der Bodenfläche. Kurzes innehalten. Nein, Milan, wir sind Profis, wir lassen uns davon nicht ablenken. Das ist die neue Herausforderung für das heutige Training. Nein, wir riechen da nicht dran, sondern wir gehen einfach in den Stand hinein. Und Milan geht hinein. Ruhig und normal. Und ich kraule ihn. Er geniesst es. Und es fällt der Schuss. Jetzt geht Milan vor mir in die Knie.

Der Fangstand wird in den Anhänger gezogen. Kurz hadere ich mit mir, aber ich kann nicht lange überlegen. Entweder ich steige jetzt mit ein, oder nie.

Milan, ich begleite dich. Meine Verantwortung. Du bist mein Tier gewesen. Im Anhänger schliesst sich das Tor hinter dir und mir. Der Bauer setzt den Kehlschnitt, die Plattform senkt sich nach vorne, damit das Blut bergab aus dir hinaus fliesen kann. Es schiesst, es ist wahnsinnig viel. Und mit jedem Liter wirst du entspannter deine Muskulatur lässt nach, deine Augen schliessen sich immer mehr. Mittlerweile bin ich alleine im Anhänger mit dir. Es ist so friedlich. Du liegst in einer natürlich wirkenden Position im Fangstand während das Leben aus dir hinaus fliesst. Mit jedem Liter, mit jedem Tropfen, mehr Entspannung, mehr Frieden. Ich kann bei dir sein und dich streicheln. Du bist gegangen und doch bist du noch warm vor mir. Ich streicheln deinen Kopf, deine Nase, dein Wesen. Ich bedanke mich, ich verneige mich, vor dir, mein Ochse.

Dann steige ich aus und gebe dir das letzte Geleit in den Schlachthof.


Mittwoch, 25. September 2024

 Max & Milan 

* März 2016

† 23. September 2024



Donnerstag, 19. September 2024

Und Tomte?

Ja mein guter Tomte. Du hast mir Freude bereitet diesen Sommer mit deinem Willen zu lernen und dich auf uns einzulassen.

Es war nicht immer einfach für dich. So viel Neues gab es zu lernen, zu tun und zu überwinden. Und dann gab’s ja auch noch die zwei neuen grossbehornten Begleiter in deinem Leben, die dir gerne gezeigt haben, wer hier das Sagen hat. Sie haben dir aber auch gelernt keine Angst zu haben vor dem vielen Neuen. Sondern es anzunehmen. 

Und jetzt? Jetzt bist du wieder bei deiner alten Herde.

Wenn ich in deinen Kopf rein schauen könnte, was würdest du sagen zu deinem besonderen Sommer? Welche Entscheidung würdest du treffen?

Vernunft. 

Das war meine Entscheidungsgrundlage. Du hast eine Fehlstellung vorne rechts, die deinem Bein mehr abverlangt als es sowieso dein zukünftiges Gewicht tun wird. Und du hattest zu lange eine immer wiederkehrende diffuse Schwellung, eine Entzündung am Hinterbein, gerade oberhalb der Klaue wo der Schuh befestigt wird, die dich zwar nicht humpeln liess, aber trotzdem blöd war. Und ich hab nicht rausgefunden, wie ich dir damit helfen kann.

Und so habe ich mich entschlossen dich in dein altes Leben zurück zu lassen. Wo du all das, was du bei uns gelernt hast in reduzierter Form weiter machen kannst und deine geliebte Lucia näher bei dir ist.

Mit ihr wirst du weiter deinen Weg gehen. Ich wünsche dir ganz viel Freude und Glück damit. Es war ganz schön schwierig dir Tschüss zu sagen. Hast du mein Herz doch natürlich von Grund auf erobert.




Donnerstag, 12. September 2024

Vorbereitung auf einen stressfreien Tod

Was bedeutet im Fall von Max und Milan ein stressfreier Tod?

Dass sie alles kennen. Den Ort, die Menschen, die Umstände, den Fangstand. Dass alles für sie eine Normalität hat. Dass sie zu nichts gezwungen werden. Am Schlachttag selber werden sie genug Aufregung haben. Allein dadurch, dass sie merken werden wie es mir geht. Das reicht. Der Rest muss sitzen.

Deshalb hab ich jetzt schon mit dem Training angefangen. Gerade rechtzeitig ist mein Fuss geheilt. Ende Juli hab ich mir einen Knochen gebrochen und den Fuss gequetscht. Aus reiner Blödheit. So grosser Blödheit, dass es gegen meinen Stolz ging es zu schreiben. Nicht ganz. Ich hatte auch so genug wichtigeres, womit ich mich beschäftigen und worüber ich schreiben wollte .

Durch die viele Wochen ohne Arbeit und Bewegung für sie, von ihren alltäglichen Fressrunden abgesehen, hatten Max und Milan natürlich Dampf. Viel Dampf. Glücklicherweise ist so ein Dampf bei alten Ochsen auch schnell wieder weggelaufen und für die zwei mal laufen, die es dafür gebraucht hat, war gerade eine Freundin da. Denn alleine, mit gerade mal annähernd frisch verheiltem Fuss, und zwei übermütigen Ochsen, hab ich mir das dann doch nicht zugetraut.

Nachdem die Zwei dann also wieder schön ruhig waren im Umgang, hab ich mit dem Fangstand-Training begonnen.

Das Betäuben soll ja stressfrei für jedes Tier ablaufen. So ist das Konzept der mobilen Hoftötung. Egal ob trainierter Zugochse oder Mutterkuh, nicht im Schlachthof soll es passieren, sondern an dem Ort, wo das Tier zuhause ist. Deshalb wird so ein Fangstand normalerweise ein paar Tage früher schon in den Stall zur freien Verfügung aller Tiere gestellt und dann dort das Tier angefüttert. So ist es im normalen Tagesablauf des Tieres drin dort hinein zu treten. Zusätzlich wird jedes Eintreten auf den Fangstand vor dem eigentlichen Betäuben mit Video aufgezeichnet und wirklich nur betäubt, wenn das Tier stressfrei die Plattform betreten hat.

Da ich ja mit Max und Milan auf einem Hügel throne, muss ich sie sowohl an den Stall gewöhnen, als auch den Fangstand.

An den Stall gewöhnen ist kein Problem. Gibt es da doch frisches Heu, ein Tiefstrohliegebereich und eine Kratzbürste. Max und Milan haben Freude.

Der Fangstand ist ein Metallgestell auf Rädern, welches den Kopf des Tieres - eigentlich wie in einem Fressfanggitter – zu fixieren weiss. Da das ganze Gestell nachher mit dem betäubten Tier in den Anhänger zum ausbluten gezogen werden muss, ist es auf Rädern gelagert. Und somit oberhalb vom Boden. Das Tier muss also einen Tritt nach oben auf eine metallene Fläche machen. Die erste Hürde. Ein Tritt nach oben und dann das Geräusch von Metall.

Die zweite Hürde ist, dass dieser Fangstand nur dazu konzipiert ist, dass das Tier lebend hinein geht, aber nicht wieder hinaus. Deshalb muss beim lebendigen Hinaustreten das Ganze rückwärts ablaufen. Es muss also rückwärts einen Schritt nach hinten unten gemacht werden. Nicht einfach für ein Tier.

Und damit Max und Milan da nicht mal einen Scheck bekommen und dann vielleicht gar nicht mehr rein wollen, gehe ich alles ganz langsam an. Am ersten Tag sollen sie zum Beispiel nur mit den Vorderbeinen hinein treten, stehen bleiben und dann wieder zurück gehen. Und so Tasten wir uns ganz langsam, Schritt für Schritt jeden Tag ein bisschen weiter in den Stand hinein. Bis sie dann komplett drin stehen.

In solchen neuen Situationen sind meine Ochsen leider unbestechlich. Ich kann sie nicht locken oder loben mit etwas zu fressen. Das einzige was immer zieht ist: Klarheit im Kopf über das, was ich erreichen möchte, Ruhe, Zeit und Kraulen.

Wenn ich mit meinen Ochsen arbeite, va an etwas Neuem, dann begebe ich mich mit meiner Energie und Aufmerksamkeit raus aus dem Kopf. Wenn ich mich irgendwo zuordnen kann, dann bin ich einerseits im Bauch und andererseits um mich herum und beim Tier. Ruhig und wach, aber eben nicht wach im Kopf. Das ist ein wichtiger Unterschied. Es scheint mir, als dockt sich meine Energie an ihre Energie. In guten Momenten ist die Energie um meine Tiere und um mich herum eins. Und ruhig.

Aber es ist schon eine Herausforderung für mich. Jedes mal. Ich trainiere meine Ochsen schliesslich auf den Tod hin. Den ich festgesetzt habe. Nicht sie. Und sie hingegen arbeiten so gut mit. Und stellen sich mir mit all ihrem Wesen zur Verfügung. Im Vertrauen. Ich könnte eigentlich kotzen.


Für den Rest unserer gemeinsamen Zeit werde ich jetzt jeden Tag entweder mit ihnen laufen gehen, oder Fangstand-Training machen.

Der Termin steht jetzt fest. Wer ihn wissen will, soll mir schreiben.


Donnerstag, 5. September 2024

Lichtspiele

 Jeden Abend, wenn die Sonne hinter unserem Hügel untergeht, lässt sie Max und Milan leuchten. 












Montag, 26. August 2024

Neuer Platz

Ich lehne an Max, spüre seine Wärme im Rücken. Manchmal zuckt seine Haut um Fliegen zu vertreiben. Manchmal biegt er seinen Kopf zu mir, damit ich die Fliegen weg scheuche. Ich schaue auf ganz andere Landschaft wie die letzten Monate. Nichts mehr mit Bergen. Jetzt sind wir nach Madiswil im Kanton Bern umgezogen. Hügel, Wald, Wiesen und Ackerbau wechseln sich hier ab. Ein anderes Licht, ein anderes Gefühl aus der Erde.

Wir sind noch einmal weiter gezogen mit Sack und Pack. Wenn auch mit dem Viehtransporter. Für Max und Milan wird es der letzte Umzug gewesen sein.

Es ist ein schöner Ort um uns von einander zu verabschieden. Wir thronen auf einem Hügel und wer nicht gesagt bekommt, wo wir sind, wird uns schwierig finden. Hier haben wir unsere Ruhe. Wir hingegen haben Aussicht und schweben irgendwie über allem.

Ich werde gefragt, was ich denn jetzt tun werde hier den ganzen Tag? 

Ich hab eigentlich nur eine Sache vor: die Anwesenheit, das schöne Wesen meiner Ochsen jeden Tag zu geniessen. Zeit zusammen verbringen. Jede Minute, jede Sekunde. Draussen. In Freude. In Ruhe. Und in Dankbarkeit.



Samstag, 10. August 2024

Nächste Frage, nächste Antwort

Dann nehme ich mir mal die nächste Frage aus meinen Blogbeitrag vom 11.7. vor:

Wie ist die ruhigste, sanfteste, wertschätzendste Art und Weise sich von einem 900kg schweren Lebenswegbegleiter zu trennen mit dem man so viel erlebt hat? Und ist diese dann auch umsetzbar und va legal?

Von der mir stimmigsten Variante habe ich ja damals auch geschrieben. Die ist schon mal sicherlich nicht legal. 

Eine naheliegende Alternative wäre Schlachthof. Dann müssten sie das Schicksal von sicherlich mehr als 99% aller anderen Nutztiere teilen. Ein Schlachthof ist schon praktisch. Da passiert alles in einer Hand, an einem Ort.

Ginge es vielleicht auf eine auf Max und Milan abgestimmten Weise?

Diese wäre zum Beispiel, dass ich sie nicht hin transportiere und gleich vor Ort auslade (wo sie dann eh schon vom Transport gestresst wären), sondern am Tag vorher hinfahre, übernachte auf einer schönen Wiese, und von dort aus dann zu Fuss zum Schlachthof laufe. An einem Tag, der nur für sie frei gehalten wird, mit viel Zeit. Vielleicht ginge das...

Ich schaue mir also einen Schlachthof an, der mir das bieten kann. Der Mensch, der ihn betreibt, ist wirklich nett und versucht auf meine Wünsche und Vorstellungen einzugehen. Aber auch er ist an die Regeln gebunden, dass heisst er darf zB nicht beide Tiere gleichzeitig betäuben. Es muss einer von beiden draussen bleiben und darf erst fünf bis zehn Minuten später in den Schlachtraum rein, wo vorher sein Kollege gestorben ist. Wie soll ich den denn dann noch da rein bekommen?

Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich dem netten Mann fast in seinen Schlachtraum gekotzt hätte, bei der Vorstellung Max und Milan hinein zu führen. Es ist alles tiptop sauber, daran liegt es nicht. Es reicht die Vorstellung und der Geruch nach kaltem Tod.

Ich habe mich mittlerweile schon viel mit befreundeten LandwirtInnen unterhalten, die ja aufgrund ihres Berufes öfter in der Situation sind, ihre Tiere in den Schlachthof bringen zu müssen. Wenn man direkt vermarktet kommt man da kaum drum herum Und fast ausschliesslich höre ich, dass es für die Tiere kein Problem ist (Zeit und Ruhe vorausgesetzt!!!) den Schlachtraum zu betreten.

Wie kann es dann sein, dass meine Ochsen, wenn ich auf Reisen an einem Schlachthof vorbei laufe, sofort schneller werden? Sowohl Lothar, als auch Max und Milan?

Mit diesen Infos, also meiner Erfahrung und im Gegensatz dazu die Erfahrung der LandwirtInnen, frage ich mich einmal mehr, ob ich nicht das Schlüsselglied bin in allem. Ob es an meiner Einstellung, an meinen Vorstellungen und Ängsten liegt, wie meine Tiere reagieren.

Und damit scheidet das Thema Schlachthof aus, weil ich weiss, dass ICH nicht die innere Ruhe hinbekommen werde. Dass ich es an diesem Tag nicht schaffen werde Max und Milan das Bild eines guten Raumes zu vermitteln, der jetzt einfach betreten werden muss. Als Teil eines Kreislaufs des Lebens. Mit Ruhe und Gelassenheit und Bestimmtheit.

Und Vorspielen kann man einem Tier sowas sowieso nicht.

Nächste Alternative: Hoftötung. In der Schweiz seid 2020 erlaubt mit einer Genehmigung vom Veterinäramt (und wahrscheinlich noch anderen Ämtern) und speziellem, verbauten Fixierstand (usw.) Ein netter Yakbauer, den ich zu dem Thema befrage, bietet mir sogar an, es bei ihm zu machen.

Aber auch da stolpere ich über Bürokratie: 100 Tage muss das Tier vorher auf seinem Betrieb gestanden sein, damit er eine Hoftötung machen darf. Und so viel Gras hat er nicht, dass er meine drei so lange durchfüttern könnte.

Als nächstes kommt eine neue Idee: mobile Hoftötung. Da bin ich erst spät drauf gekommen, weil ich dachte, dass es das in der Schweiz nicht gibt. Aber falsch gedacht. Ich finde einen Anbieter, der mit seinem mobilen Stand und grossem Anhänger (in den das betäubte Tier zum Ausbluten hinein gezogen und im Anschluss zum Schlachthof transportiert wird) zu mir kommen würde. Kostenpunkt: vier mal so teurer. Aber das haben Max und Milan sich verdient. Und muss mir deshalb egal sein.

Aber auch das darf man nicht einfach so machen. Auch dafür muss der Landwirt, auf dessen Flächen meine Ochsen getötet werden sollen (und sie auch mindestens 100 Tage vorher waren) zusammen mit dem Anbieter, eine Sondergenehmigung einholen (Kostenpunkt angeblich -nicht von mir überprüft-: 1200 Franken).

Und ein Schlachthof muss mit uns zusammen arbeiten. Denn bei der Hoftötung wird das Tier nur betäubt und blutet aus, alles weitere darf nur in einem Schlachthof erfolgen. Mit einem zeitlichen Limit. Zwischen der Betäubung und dem Zeitpunkt, an dem das Tier im Schlachthof fertig ausgeweidet ist, dürfen nicht mehr als 90 Minuten liegen.

Kein Problem, denke ich mir, hier gibt’s ja einige Metzgereien in der Umgebung, die noch Schlachten. Also fahre ich sie ab. Und merke schnell: falsch gedacht! Denn diese kleinen Betriebe sind nicht dafür ausgerüstet so grosse schwere Tiere zu verarbeiten. Es scheitert an Raumhöhe (der Hals darf den Boden nicht berühren) und zu geringer Krankapazität um den Körper aufheben zu können. Das können nur grosse Schlachthöfe. Aber diese Schlachthöfe (es gibt zwei, einen Richtung Norden, einen Richtung Süden) sind zeitlich am Limit. Dh läuft alles reibungslos, ist alles gut. Läuft irgend etwas nicht nach Plan oder gibt es Stau auf der Autobahn, wird die Zeit überschritten und das Fleisch muss weg geschmissen werden. Was für eine Aussicht!

Aber mit diesen Voraussetzungen müsste ich doch von der 100 Tage Regel befreit werden, um meine Tiere näher an einem grossen Schlachthof töten lassen zu können!! Denke ich. Aber auch das habe ich falsch gedacht. Das Veterinäramt, welches ich dafür kontaktieren muss, sagt mir nur, sie finden es zeitlich zumutbar und wenn der eine Anbieter sagt, es sei grenzwärtig, dann müsse ich mir halt einen Anbieter suchen der schneller arbeitet. 

Da war ich tatsächlich sprachlos.

Soll das jetzt auch nicht funktionieren? 

Einen anderen Menschen, der die mobile Hoftötung anbietet finde ich noch. Auch er wäre bereit zu kommen, und alles zu versuchen. Eventuell ohne Erfolg.

Aber er bietet mir eine Alternative an. Er lädt uns zu sich auf den Betrieb ein um dort die 100 Tage zu verbringen.

Ich schaue mir den Betrieb an und es passt. Was mir sehr gefällt ist, dass ich Vorort die Möglichkeit habe, wie damals mit Lothar- den Schlachttag zu trainieren. Also ein paar Tage vorher schon mit ihnen jeden Morgen in den Stand laufen, sie dort eine Weile stehen lassen, eventuell mit verbundenen Augen. Und dann wieder zurück laufen auf unsere Wiese. Sie werden den Geruch des Bauern kennen - im Positiven!!-, der ihnen dann an einem Morgen den Bolzenschussapparat an die Stirn heben wird (er hat die Ausbildung und Genehmigung)

So wird alles ruhig ablaufen können. In einer ihnen bekannten Umgebung. Mit ihnen bekannten Menschen.

Das ist die ruhigste, sanfteste, wertschätzendste Art und Weise die Welt zu verlassen, die ich für Max und Milan gefunden habe.


Mittwoch, 7. August 2024

Was ist los?

Ja, das Anspannen von Tomte ist nur ein schönes kurzes Intermezzo. Drei Tage in Folge habe ich ihn eingespannt. Am vierten Tag stehe ich um 5 auf, weil ich mit ihm etwas bergauf laufen möchte mit der leeren Kutsche und dafür muss es kühl sein. Denn ein 900kg schwerer Ochse ist zwar verdammt stark, nur er weiss das nicht. Das hat den Vorteil, dass er denkt der Mensch ist stärker, andererseits denkt er am Anfang auch eine leere Kutsche ist schwer, wenn es bergauf geht. Da muss man das Tier also langsam heran führen. In kurzen Abschnitten und mit ausschliesslich Erfolgserlebnissen. Das baut das nötige Selbstvertrauen auf.

Und dafür muss es kühl sein. Bei Hitze hat kein Ochse Hirn zum arbeiten und eine Kutsche fühlt sich gleich zehnmal so schwer an wie bei kühlen Temperaturen. Zu schnell bleibt ein Ochse dann einfach stehen und könnte sich verweigern und auf ein solches Verhalten darf man ihn erst gar nicht bringen.

Also fünf Uhr aufstehen (unter dem Reisen ist es ja sonst noch schlimmer: drei Uhr aufstehen, fünf Uhr los laufen).

 Diesen Morgen steht Tomte bei meinem Frühstückskaffee vor mir und ich sehe, dass sein Vorderbein oberhalb vom Kronrand, dort wo eigentlich eine alte Wunde war, offen ist. Ein komisches Blut rinnt heraus, ein bisschen wie Kunstblut. Dickflüssig, aber zu hell und auch erstaunlich viel. Also nix mit Training. Ich versorge die Wunde und gehe wieder schlafen.

Zum Mittag essen steht Tomte wieder vor mir. Und ich traue meinen Augen nicht. Die Verletzung vom Morgen blutet wieder und dazu am « Knie», also dem Karpalgelenk, eine ähnliche Stelle. Zuerst dachte ich ein Schnitt, aber beim sauber machen finde ich wieder eine rundliche Stelle. Auch diese Stelle blutet ungewöhnlich viel und komisch.

Daraufhin suche ich die Wiese ab, suche etwas, was innerhalb eines Tages zweimal ein Bein verletzen könnte. Ich finde eigentlich nichts, mache aber vorsichtshalber das nächste Wiesenstück auf, damit Tomte mehr Ruhe hat als rangniedriges Tier.

Und der Bauer mulcht mir das alte Stück, weil dort Pestwurz stand, welches ich mit der Sense abgeschnitten habe und dessen harte Stängel, aber nur mit ganz viel Fantasie, diese Wunden hervor gerufen haben könnte.

Am nächsten Tag geht es Tomte nicht gut. Er frisst nicht, er liegt zu viel, und oft in der Bauchwehstellung. Er hat Durchfall, welcher grässlich stinkt. Aber kein Fieber. Auch der Fremdkörpertest fällt negativ aus. Also ???

Giftpflanzen? Ich schaue den ganzen Tag im Internet. Zuerst nur wegen der Pestwurz auf der Wiese, das einzige was auf der vorhergehenden Wiese nicht auch stand. Aber es ist nicht giftig.

Schlussendlich finde ich eine Pflanze, die ich Tomte auf der vorhergehenden Wiese, also ein paar Tage früher, sogar habe essen sehen, die mir aber nicht als Giftpflanze bekannt war: den Steinklee. Und da passt irgendwie sehr viel: va dessen blutverdünnende Wirkung. Dass «Bagatellverletzungen» schnell einmal schlimm aussehen. Deshalb haben seine zwei Wunden am Vortag so komisch geblutet! Und auch Magen Darm Probleme können hervor gerufen werden.

Leider finde ich nirgendwo, was man bei einer Vergiftung mit Steinklee tun kann. Allgemein bei Vergiftungen gibt es für Rinder auch Kohle, aber wir sind ja schon fünf Tage weg von dem Ort, wo er welchen gefressen hat, also bringt das ja gar nichts mehr.

Und bis ich all die Infos zusammen habe und die Schlüsse daraus ziehe, fängt es an Tomte wieder besser zu gehen. Sein Appetit kehrt zurück. Sein Durchfall stinkt weniger stark und wird fester.

Ich glaube, wir haben nochmal Glück gehabt. Ein Tag später ist er wieder ganz der Alte.

Max und Milan hatten keine solchen Symptome. Haben sie die Pflanze gemieden, oder sind nicht so empfindlich? Ich weiss es nicht. 


Gelber Steinklee 



Montag, 29. Juli 2024

Schönes kurzes Intermezzo

 

Tomtes Fuss ist wieder gesund! Nach sieben Wochen Zwangspause, zweimal Antibiotika, viel schmieren mit Zugsalbe und zweimaligen Austreten von Eiter, ist der Hinterfuss jetzt komplett abgeschwollen, verheilt und endlich wieder genauso warm wie sein anderes Bein. Und somit ist Tomte wieder einsatzbereit.

Als nächstes hätte ich zwei Projekte für ihn, die ich gerne angehen möchte. Entweder ihn reiten oder einspännig an der Kutsche anlernen. Aber erstmal schaue ich, ob das bis jetzt Gelernte noch sitzt: Schuhe anziehen, Geschirr anziehen und ihn laufen lassen mit etwas Gewicht zum ziehen (im jetzigen Fall mit meiner Mutter an den Zugsträngen hängend).

Es zeigt sich: er hat gar nichts verlernt! Gar nichts! Es scheint sich eher in seinem Kopf nochmals gefestigt zu haben über die Zwangspause hinweg. Beim ersten bergauf ziehen mit Gewicht will er noch ausweichen, doch dann schaltet er im Kopf um und ist nur noch fleissiger, konzentrierter Zugochse. Das ist wirklich eine Augenweide zu sehen. Er scheint einfach wieder Freude daran zu haben, dass ich etwas mit ihm mache.

Da Lucia am Wochenende kommt und dann vielleicht erstmal nicht mehr, entschliesse ich mich spontan, ihn für das einspännig Fahren vorzubereiten. Denn dabei kann sie helfen.

Was für Vorbereitungen braucht es? Die Kutsche muss mit einer Einspännerdeichsel ausgerüstet werden, der Schere, und die muss Tomte kennen lernen. Er muss ungestresst schön in ihr stehen können, allein deshalb, weil das Geschirr und die Zugstränge für diesen Deichseltyp anders eingestellt werden müssen. Mit ihm drin stehend, damit die Masse stimmen.

Das erstmalige hinein treten lassen in eine Schere und dann stehen bleiben im richtigem Moment ist wirklich Geduldssache.

Also ist die erste Trainingseinheit eigentlich nur: stehen bleiben in Ruhe. Nicht schon das Aufheben der Deichsel, nicht schon das Anpassen des Geschirrs. Einfach nur ruhig stehen. Das habe ich ganz klar im Kopf. Und wie es manchmal so ist im Training mit Tieren: je einfacher und klarer du selbst in deinen Gedanken bist über das was du tun willst, desto besser und schneller funktioniert es. Es ist eigentlich der erste Trainingsschritt für DAS TIER, dass der/die TrainerIn klar und ruhig in ihren Gedanken ist.

Und Tomte in seiner neuen Freude, dass sich wieder mit ihm beschäftigt wird, macht auf Anhieb das stehen bleiben richtig. Also zB durch den Zaun führen, Strick an Boden fallen lassen, ihm das Signal zum stehen geben und dann allein zurück gehen und den Zaun wieder schliessen ohne dass er sich in der Zwischenzeit bewegen darf. Oder in die Schere mit den Vorderbeinen rein treten und dann erstmal stehen bleiben. In etwas Neuem, an einem unbekannten Ort. Das klingt nach wenig, bedeutet aber viel. Das stehen bleiben war vor und während dem Reisen nie seine Stärke. Aber jetzt geht es. Er bekommt so viel Lob. Das ist wirklich Höchstleistung für seine Konzentration!!

In den nächsten zwei Tagen kann ich dann die Deichsel an ihm dran befestigen und das Geschirr einstellen. Und einfach das ruhige Stehen üben mit allem drum und dran befestigt. Damit als aller Erstes der Akt des Stehens in seinem Kopf mit der neuen Deichsel verbunden wird und nicht das Laufen.



Als dann am Samstag Lucia da ist zum helfen klappt erstmal nichts mehr so gut wie die Tage vorher. Liegt es daran, dass Tomte durch die Anwesenheit seiner wirklich geliebten Lucia abgelenkt ist, oder liegt es daran, dass ich durch die Anwesenheit einer weiteren Person nicht mehr so fokussiert bin? Auf jeden Fall braucht es wirklich viel Zeit, bis er überhaupt angespannt ist. Doch dann steht er drin und darf wieder erstmal nur stehen. Und dann wird aus einem ersten Schritt als Zugtier mit Kutsche, wieder warten, und schrittweise immer weiter, ein flüssiges ruhiges Ziehen….Durch die Baustelle neben unserer Wiese hindurch und auf kleinen Strässchen weiter. Tomte hat wirklich einen guten Willen und Talent. So beschleunigt er, wenn es etwas bergauf geht und verlangsamt, wenn es etwas bergab geht. Von sich aus !! Genau so wie ein gut ausgebildetes Zugtier es tun würde. Er ist so ein Streber, dass ich es sogar wage ganz am Schluss noch eine 360 Grad Kehrtwendung mit ihm zu machen, die er einfach nur perfekt meistert. Und das ist schwierig, weil er seinen Körper durch die Deichsel nicht so in einer engen Kurve drehen kann, wie er es natürlicherweise tun würde.

So ein Training macht Spass!!









Mittwoch, 17. Juli 2024

Entscheidung

  

Dann nehme ich mir mal eine der Fragen von letzter Woche vor:

Wann ist ein guter Zeitpunkt sich endgültig zu trennen? 

Ich merke, dass ich bei diesen Fragen für jede meiner Tierarten andere Antworten habe.

Meine Hühnchen zB sind ja schon alt wenn ich sie bekomme und hatten schon ein Leben in einem Legehennenbetrieb. Also eingesperrt und jeden Tag ein Ei legen. Bei mir dürfen sie jetzt an ihrem Lebensabend tagsüber ein komplett freies Leben geniessen und mir mein eigenes Essen weg fressen (bevorzugt alles was Kohlenhydrate, Eiweiss oder Fett enthält. Gestern früh haben sie es geschafft 100g Butter zu stibitzen, als ich nicht da war. Aber ich schweife ab…). 

Wenn der Fuchs kommt, kommt er  halt. Es ist schade, aber total in Ordnung für mich. Wenn er sie nicht erwischt, liegen sie irgendwann Tod in ihrer Kiste. Dafür hatten sie noch einige Monate bis Jahre ein wirklich schönes freies Leben. Auch über den Punkt hinaus, wo sie Eier legen. Aber bei der Entscheidung, ob sie sterben oder nicht bin ich nicht aktiv beteiligt (ausser es ist eine stark verletzt). 

Bei meinen Hunden ist es schon etwas anders. Piz darf gerade schrullig neben mir alt werden. Sie hat Hüftprobleme und ist phasenweise schon sehr sehr eigenartig, fast wie ein anderer Hund. Ich gestalte mein Leben jetzt so, dass sie noch alles mit machen kann und habe ihr einen Tracker gekauft, statt aus ihr in ihren alten Tagen noch einen Leinenhund zu machen. Ich werde ihr Schmerzmittel geben, wenn ihre Arthrose irgendwann zu stark wird. Ich werde sie nicht ständig beim Tierarzt vorführen und hoffe, dass sie selber von sich aus sterben kann. Wenn nicht, werde ich sie einschläfern lassen. Das wird dann meine Entscheidung sein und kann an den Moment angepasst werden. Und ihr dann ein schönes Grab machen.

Bei zwei 900kg schweren Tieren wie Max und Milan geht diese Vorgehensweise nicht. Auch das auf sich zukommen lassen ist schwieriger. Ich darf sie nicht irgendwo verbuddeln wenn sie sterben. Ich kann sie nicht irgendwo noch schnell hin transportieren wo ich ihnen auch einen guten Tod bieten könnte. Und sie schnell schnell einschläfern geht auch nicht. Also in der Theorie schon, aber in der Praxis geht bei so grossen schweren Tieren zu oft  etwas schief. Und dann wird die Situation unschön. Deshalb kommt es für mich auch nicht in Frage. 

Mal ganz davon abgesehen, dass ihr Körper dann von einem stinkenden Lkw abgeholt und zu Tiermehl verarbeitet wird. So etwas haben sie nicht verdient. 

« Lass sie doch Kremieren, das habe ich mit meinem Hund auch so gemacht» höre ich manchmal. 

Doch wie viel Energie wird verbraucht, um ein so schweres grosses Tier in Asche zu verwandeln? Das ist das einzige, was ich mich zu diesem Thema frage, mal ganz davon abgesehen, wie und ob ich das tote, grosse , schwere Tier überhaupt würdig dort hin bekomme. 

Mit all diesen Sachen habe ich mich schon bei Lothars Tod beschäftigt. Und in den letzten Jahren habe ich keine andere, stimmigere Lösung gefunden, als sie in Ehre und Dankbarkeit selber aufzuessen (auch wenn mir dies schwer fällt). Getötet in einem ruhigen Rahmen und nicht im Schlachthof.

Und ihr Fleisch zu verschenken. An all die Menschen, die uns entlang unseres Weges begleitet und geholfen haben, wo mit und durch die Ochsen ein schöner Kontakt entstanden ist. Ob es jetzt die Bäuerinnen und Bauern sind, auf deren Wiesen wir bleiben durften, oder Menschen, mit denen ich spezielle Momente geteilt  habe. So schliesst sich für mich ein Kreis. Energie wird nicht verloren, sondern wird wieder umgewandelt in einem schönen neuen Kontakt, ein Zusammensein und wohl auch in die ein oder andere Träne, bei einem erneuten wiedersehen. Und in Dankbarkeit beim essen. So krass wie das jetzt klingt. 



Und der richtige Zeitpunkt?

Da komme jetzt ich ins Spiel, viel stärker als bei den Hühnern und Hunden. Den richtigen Zeitpunkt muss ICH bestimmen. Und es kann nicht aus dem Moment heraus passieren und gleich umgesetzt werden. Das ist eine grosse Verantwortung und das Gefühl eventuell eine falsche Entscheidung zu treffen allgegenwärtig. 

Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Das «zu früh» in Ruhe oder das «zu spät» in Stress. 

Die Erfahrung zeigt , dass es Max und Milan im Herbst mit einsetzender Kälte wieder nicht gut gehen wird. Ab dem Moment wo der Boden gefroren sein wird, wird Milan nicht mehr laufen können. Und Max bei jedem kalten nassen Tag Probleme mit dem Rücken haben. 

Die vernünftigste Entscheidung ist also die, sie im Herbst Schlachten zu lassen. Vor den Schmerzen und wenn ich noch Zeit und Ruhe habe diesen schweren Weg mit ihnen zu teilen. 

Natürlich gibt es eine ganz ganz ganz kleine Chance, dass es ihnen wider erwarten nicht so ergehen wird. Man sieht ihnen ja gerade auch kaum was an, jetzt, wo es warm und trocken ist. Da liesse sich das Problem auch schön weg schieben. Ich hätte auch sehr Freude, sie wieder bei mir in Prato zu haben vor meiner Küchentür. 

Doch was passiert, wenn sie dann vom einen auf den anderen Tag doch zu grosse Schmerzen haben (was sehr wahrscheinlich ist)? Dann bin ich in einer 7 Tage Woche mit Arbeit gefangen, wo mich niemand vertreten kann. Dann muss ich von jetzt auf plötzlich alles organisieren ohne Zeit zu haben und dadurch auch ohne Ruhe.  Wie überträgt sich das wohl auf diese feinfühligen Wesen? Und wahrscheinlich haben sie dann eine Entzündungen im Körper, die dazu führt, dass das Fleisch nicht mehr gegessen werden kann. Dann würden sie in der Tierkadaververwertung landen. 

Nein, diese Vorstellung finde ich gruselig. Sowohl für sie, als auch für mich. Würde ich irgendwie die Möglichkeit sehen, sie nochmal gut durch den Winter zu bekommen, würde ich das tun. Ich hätte sogar schon Wiesen für den nächsten Sommer wo sie grasen könnten.

 Aber das Risiko ist zu gross, und ich muss meine Verantwortung für zwei so schwere Tiere ernst nehmen. Dh es gibt es für mich nur eine  Lösung, nämlich sie beide zusammen, am selben Tag Schlachten zu lassen.  Max und Mila waren seid ihrem ersten Atemzug zusammen, haben ihr leben intensiv zusammen verbracht. Und jetzt lasse ich sie auch zusammen gehen.  Im Herbst. 


Donnerstag, 11. Juli 2024

Fragen und Geschichten

Der Abbruch, das Ende meiner Reise mit Max und Milan erzählt seine ganz eigene Geschichte

Es erzählt die Geschichte von einer kommenden Trennung , es erzählt die Geschichte vom Tod.

Und dadurch stellen sich Fragen:

Wann ist ein guter Zeitpunkt sich endgültig zu trennen? Gibt es den überhaupt? Ab wann ist ein Leben nicht mehr lebenswert?

Schaue ich weg und ignoriere den Tod bis er vor der Tür steht, oder beschäftige mich jetzt schon mit der Bürokratie, damit ich weiss, was überhaupt möglich ist?

Wie ist die ruhigste, sanfteste, wertschätzendste Art und Weise sich von einem 900kg schweren Lebenswegbegleiter zu trennen mit dem man so viel erlebt hat? Und ist diese dann auch umsetzbar und va legal?

Gibt es in diesem Thema überhaupt ein "richtig", oder beinhaltet es nicht von Haus aus ein "falsch"?





Ich wüsste, wie ich es tun würde, gäbe es andere Gesetze:

Mein Traum

Dann gäbe es an einem wunderschönen Ort ein Grab. Da liegt schon Lothar drin und wartet. Da liegen Hühnchen und warten. Da werden sich Max und Milan bald dazu gesellen und Piz. Auch Pepe irgendwann und was das Leben noch so für tolle Begleiter für mich in der Hinterhand hat. Und irgendwann… irgendwann komme ich da auch rein. Oben drauf und mit der Zeit fallen all unsere Knochen ineinander zusammen. Ob das wohl Musik macht?

Könnte ich wählen, wäre dies die Wahl.


Dienstag, 2. Juli 2024

Im Klauenstand

 Gestern habe ich dann doch noch einen Klauenstand organisiert. Jetzt nach drei Wochen Pause scheint der Schnitt an Tomtes Ballen zwar gut zu verheilen, trotzdem ist er aber immer noch leicht geschwollen oberhalb der Klaue. Und das hat auch eine zweite Gabe Antibiotika nicht verändert.

Nur passt Tomte noch in einen normalen Klauenstand für Kühe, frage ich mich im Vorfeld…

Ja:



Rein gegangen ist er super! Und immerhin hat er noch ganze drei Zentimeter Spielraum nach oben! Doch als ich sein Hinterbein versuche anzuheben wird schnell klar, dass sie zu hoch angesetzt sind, um sie noch richtig und sicher nach hinten weg biegen zu können. Leicht anheben geht noch du gerade. Dh dass er mitarbeiten muss, in dem er das Bein ruhig hält, weil es in diesem Zustand viel Spiel hat sich zu bewegen (und dadurch auch sich zu verletzen, wenn er versucht sich zu befreien). Nach etwas Unruhe lässt er es netterweise geschehen. Die Klaue selber finde ich gesund vor und kann sie endlich auch kürzen (die Schuhe wurden schon bedenklich eng). Der Schnitt ist wirklich schön verheilt. Aber ich finde eine Stelle im Übergang vom Ballen zur Haut, wo ich etwas Eiter heraus drücken kann. Der Kanal wo er her kommt kommt aber von oben und nicht von unten. Wenn ich - und er natürlich auch- Glück haben, hat sich oberhalb der Klaue etwas abgekapselt (so fühlt es sich von aussen auch an) was sich jetzt seinen Weg nach draussen sucht. Dann sollte es aber in den nächsten Tagen jetzt, da es offen und gereinigt ist und durch erneutes Auftragen der Bitumol Zugsalbe besser werden.

Danach nehme ich Milan in den Stand, wenn ich schon mal einen habe. So kann ich genauer alle Klauen mit Zeit anschauen, ohne dass er dagegen etwas einwänden könnte und/oder ich Rückenschmerzen bekomme. Milan war schon öfter in einem Klauenstand und geht brav rein. Auch er hat nur noch 3cm Spielraum nach oben. Die Hinterbeine gehen einfacher zu machen, zum einen weil er still hält, zum anderen weil er nicht so hochbeinig ist wie Tomte. Doch beim linken Vorderbein macht er komisch, er scheint mir Schmerzen zu haben. Nicht von der Klaue her, sondern aus den Gelenken. Beim rechten Vorderbein ist das noch verstärkt und ich breche ab. Tatsächlich tut ihm die Schulter oder das Karpalgelenk in Folge des nur kurzen nach aussen Biegens durch die Vorrichtung zum Bearbeiten der Vorderbeine des Klauenstandes so weh, dass er das Bein nicht mehr abstellen möchte und erstmal lahm geht.

Da ist sie also wieder, die alte Geschichte von Milan. Welche sich im ersten (glücklicherweise nur kurz Andauernden) Lahmen letzten Sommer unterhalb vom Klausenpass erstmals zeigte und dann in Winter auf unebenen gefrorenen Boden verstärkt auftrat. Wenn ich selber Klauenpflege mache, dann biege ich das Bein nie so stark nach aussen, wie es der Stand macht. Deshalb ist es nicht aufgefallen.

Willkommen im Club der Rentner, Milan, mein Lieber. Also auch du…Eigentlich war es mir klar, aber jetzt ist es nochmal für jedes Auge sichtbar.

Aus manchen Rückmeldungen zum Blog erkenne ich, dass manche Menschen noch denken, wir machen nur Pause bis es Max wieder besser geht. Aber so ist es nicht. Max und Milan sind jetzt im Ruhestand. Wir haben es noch ein letztes mal probiert, erfolglos (mit diesem Frühjahr und Tomte als Hilfe) doch jetzt ist fertig. Und wir verbringen den Sommer auf den Wiesen in Airolo und geniessen unser zusammensein. Und freuen uns über Besuch!

Aber zurück zum Klauenstand. Max, als letzter im Bunde, braucht den Stand eigentlich am Wenigsten, weil er am bravsten Füsse gibt. Daher kennt er ihn aber auch schlecht. Und geht mir prompt nicht rein. Ganz schön lange muss ich mit dem Sturschädel diskutieren bis er drinnen ist. Nur um zu merken, dass er viel zu lange ist und ich die Tür hinten gar nicht geschlossen kriege. Also nehme ich ihn wieder raus und mache die Klauenpflege händisch. Zu Trainingszwecken führe ich ihn danach aber gleich nochmal rein ( mit exakt der selben Diskussion wie vorher) und lasse ihn diesmal 10 Minuten drin stehen. Dann darf auch er wieder zu den andern.

Noch ein interessantes Detail dieses Tages. Max ist ja der, der Tomte am meisten herum jagt und ärgert. Jeden Tag zeigt er ihm mehrmals, dass ER der Chef hier ist. Doch als ich Max aus der Herde heraus führe um ihn zum Klauenstand zu führen, springt «Langbein»-Tomte einfach über den Zaun, weil er nicht von seinem Chef getrennt sein möchte. Tja.


Donnerstag, 27. Juni 2024

Doppelt sichergestellt


Die Wiese, auf der ich die Entscheidung treffen muss abzubrechen oder nicht ist ein Ort, den ich sehr gerne besuche. Schon zweimal waren wir hier. Jedesmal, wenn wir über den Lukmanier ziehen, dürfen wir hier unter der Burg von Semione unser Camp aufgeschlagen. Eine Burg klingt ja erstmal sehr touristisch, aber die Wiese ist so gelegen, dass niemand zufällig an uns vorbei kommen kann. Ich aber hingegen habe meinen privaten Zugang zur Burg. Sehr luxuriös. Und der Ort hat eine schöne Wildheit. Eine Felswand, oder eher zwei, bilden eine natürliche Barriere. Unterhalb fällt das Gelände ab mit vielen Steinen, alten Kastanienbäumen, einen zerfallenen Steinstall und vielen Büschen und Brombeeren. Eine ideale Ochsenwiese. 

Diesmal kommt Tomte leider mit einem Schnitt im Ballen von einer Fresstour zurück. Ich kann nicht sagen, ob von einem spitzen Stein kommt, oder ob irgendwo ein Metall herum lag. Da es aber nur das «tote» Ballenmaterial getroffen hat und der Schnitt wegen der darunter liegenden Klaue nie den Boden berührt, denke ich mir nicht viel dabei. 

Doch ich werde eines besseren belehrt. Mir war nicht bewusst, dass sich der Ballen bei jedem Schritt elastisch mit zu bewegen scheint. Und somit wird der Schnitt erstmal grösser statt kleiner und reisst irgendwann bis in den lebendigen Teil des Fusses ein und entzündet sich. Glücklicherweise fällt mir das auf, denn anzeigen durch Humpeln tut Tomte nicht. 

Zum Glück gibt’s Antibiotikum. Den Vorderfuss eines Ochsen kann ich gut zweimal am Tag in einen Eimer stellen und baden, aber mit den Hinterfüssen geht das nicht so gut. 

Begeistert ist Tomte aber nicht, als ich ihn zwei Spritzen in den Hintern gebe. Schwere Tiere brauchen immer so viel Milliliter Antibiotika, dass es mir selber dabei ganz anders wird. Meine Mutter, die gerade auf Besuch ist, hilft, indem sie Tomte mit seiner neuen Leibspeise: Mango und Banane, ablenkt. 

Da der Riss einer ständigen Bewegung ausgesetzt ist, wird es ein langwieriger Heilunsprozess, bis ich wieder mit Tomte arbeiten kann, bzw ihm Schuhe anziehen kann. 4 Wochen wird Tomte jetzt mindestens nur herum stehen dürfen. 

Hätte ich nicht abgebrochen und wäre stattdessen weiter gezogen, hätte ich jetzt ein riesiges Problem bekommen. Denn eine, bzw mehrere Wiesen mit Futter für drei Ochsen für eine so lange Zeit organisiert zu bekommen, wäre wohl sehr sehr schwierig geworden. 

Es scheint mir, als hätte das Leben doppelt sichergestellt, dass ich diesen Sommer nicht reisen kann. Nur weshalb?


Donnerstag, 6. Juni 2024

Entschuldigung Max

Entschuldigung Max, ich hab dir unrecht getan. Von wegen Eifersucht und so. Eifersüchtig bist du auch auf Tomte, das steht ausser Frage, aber das ist nicht der alleinige Grund, dass du ihn so geärgert hast.

Jetzt wo wir weiter ziehen in der Form, wie du es gewöhnt bist, also mit deinem Kumpel Milan an der Seite (und Tomte hinten dran) wird es endlich ruhig um uns im Reisen. Und da fällt es mir über die Tage erst auf. Zu spät. Du kannst gar nicht mehr schnell laufen!

Milan passt sich dir an, Tomte hat das nicht gemacht und dich in eine Schnelligkeit gezwungen, die dir nicht mehr gut getan hat.

Wie oft hast du mir schon weiss gemacht, dass du müde bist, oder es dir zu warm ist, oder du einfach keine Lust hast und bist deshalb in deiner mir wohl bekannten «Protestgeschwindigkeit» gelaufen. Da war aber immer alles in Ordnung mit dir. Bist halt auch nur ein Lebewesen, was nicht immer Lust hat auf Arbeit.

Aber jetzt, jetzt!, ist es anders. Die Temperaturen sind kühl, es gibt noch keine Fliegen, die Strasse geht eben, du bist ausgeruht und trotzdem läufst du langsam.

Beim genauen Beobachten fällt mir auf, dass du mit den Hinterbeinen manchmal Schlangenlinien läufst, dass nach einer von Shivering ausgelösten Beinbewegung, die auch immer mehr zu nimmt, das Hinterbein nicht mehr richtig unter den Körper kommt und du dadurch in der Hüfte instabil wirst. Wie sollst du da noch schnell laufen können?

Als mir das wie Schuppen von den Augen fällt und mir klar wird, dass ich einfach zu viel Aufmerksamkeit beim neuen Ochsen und zu wenig bei dir war, ist die Entscheidung schnell gefällt, wenn auch schmerzlich:

Wir brechen ab. Du hast in deinem Leben genug eine Kutsche gezogen. Jetzt ist es vorbei.

Für den übernächsten Tag ist der Transport schon organisiert. Die Wiesen in Airolo haben für diesen Sommer eh noch kein Tier gefunden, welches noch Kapazitäten hätte sie abzuweiden. Dann machen wir das jetzt einfach.

Danke, dass du mir so viele Jahre die Kutsche durch die ganze Schweiz gezogen hast! Du warst mit ihr und mir und der ganzen Herde zweimal auf dem Gotthard, San Bernardino, Grimsel und Lukmanier. Und jeweils einmal auf der Furka, dem Susten, Klausen, Jaun, Col des Mosses, Col du Pillon, Wolfgang, Albula und Flüela. Du warst sogar auf dem höchsten mit dem Auto befahrbaren schweizer Pass, dem Nufenen mit seinen 2439m! Das alles geleistet mit deiner Muskelkraft!!! 














Sonntag, 26. Mai 2024

Allein unterwegs mit drei Ochsen, zwei Hunden und zwei Hühnern

Oder auch: Tourstart anders als gedacht

Die Hühner haben sich vorbildlich verhalten. Wie immer eigentlich. Die Hunde auch. Aber die Ochsen … oh je.

Vier Tage unterwegs und jetzt brauche ich erstmal ein paar Tage Pause 😅.

Eigentlich war es bisher immer so, dass der Start vielleicht etwas rumpelig war, aber von Tag zu Tag sich mehr alles gefunden hat. Die Herde, das Unterwegssein, der Ablauf. Diesmal hat es gut angefangen und wurde von Tag zu Tag schwieriger. So wie ich es vor hatte, wird es erstmal nicht klappen.

Die ersten zwei Tagesetappen habe ich sehr kurz gewählt. Zum einen wegen der sich erst im Aufbau befindenden Muskulatur von Tomte und zum anderen wegen mir und meiner Aufmerksamkeit, die sich ja jetzt auf drei Tiere über 800kg verteilen muss.

Der erste Tag unterwegs lief eigentlich super. Tomte und Max haben zusammen fast die ganze Strecke gezogen. Selbst ein nicht geplantes Stück aufwärts (wegen einer gesperrten Strasse) hat Tomte gut mit gearbeitet.

Doch Max nervt Tomte so oft er nur kann mit seinen Hörnern. Tomte hingegen wirft sich in diesen Momenten mit der Schulter gegen Max und versucht ihn weg zu drücken. Da wünsche ich mir doch sehr ein Doppeljoch, in dem zwei Ochsen fix über das Joch am Kopf miteinander verbunden sind und so einen Blödsinn erst gar nicht herausfinden können.

Aber eigentlich sollte dieses Verhalten über die Tage besser werden, weil ihnen dann ja die in Arbeit umgesetzte Energie für Blödsinn fehlt. So war es zumindest bei Max und Milan am Anfang gewesen, die sich auch ständig mit dem Hörnern geärgert haben.

Doch bei diesen zwei nicht. Es wird sogar schlimmer. Max ärgert Tomte, Tomte geht in die einzige Richtung die er kann, nämlich nach vorne, was Max wiederum ärgert, weil er dann schneller laufen muss. Und das muss er wiederum Tomte spüren lassen in dem er ihm nochmal droht, was Tomte noch mehr nach vorne gehen lässt. Ein Teufelskreislauf. Es gipfelt darin, dass Max Geschirr an einer Stelle reist, und Tomte fürs erste den Platz hinter der Kutsche zugewiesen bekommt. Ich hätte seine jugendliche Kraft gerne von Anfang an vorne gehabt.

Über die Tage wird Tomte insgesamt nervöser. Das fällt mir anfangs gar nicht auf. Scheints sind Max und Milan noch nicht genug Herde, um ihm Sicherheit zu geben. Und das wiederum gipfelt darin, dass er mir an einem Abend über den Zaun mit Strom drin springt, einfach aus dem Impuls heraus, weil er sich zu weit von mir weg fühlt. Mit dem Blödsinn hört er erst auf, als ich ihn direkt neben mir einzäune. Mit wenig Gras, aber nah bei mir. Erst dann bleibt er drin und wir kommen alle zur Ruhe.

Tomte fällt es schwer, sich in die Reise einzufinden. Die vielen Ortswechsel, das viele Neue scheinen ihn unsicher zu machen. Und weder ich, noch Max und Milan geben ihm schon die Sicherheit, die er braucht. Va Max nicht, der ihn ständig mit den Hörnern ärgert.

Max scheint erst jetzt zu realisieren, was Tomte bedeutet. In Airolo hatte ich noch den Eindruck, er freut sich darüber, dass er schön liegen bleiben kann, während ich endlich an jemand anderen herumzuppel. Doch von Tag zu Tag kommt mehr Eifersucht in ihm hoch und das lässt er den Jungen spüren.

Und das alles braucht immense Kräfte von meinerseits. Wenn Tomte auch noch über die Zäune springt, wann kann ich dann durchatmen?

Also umdenken. Tomte läuft jetzt erstmal nur hinten. Und bekommt das Wiesenstück direkt bei mir für sich reserviert. Darf sich Schritt für Schritt an das Reisen gewöhnen. Und mit Max und Milan mache ich einfach auch langsam. Und mit mir.

Denn eigentlich macht Tomte es ja so unglaublich gut für die kurze Zeit bei mir. Einspannen, Verkehr, Schuhe anziehen. Alles klappt.

Heute war der Physio da und hat Max Rücken wieder gefittet. Am Shivering kann er auch nichts ändern, aber er bestätigt nocheinmal dessen Schmerzfreiheit (das weiss ich eigentlich, aber es schaut einfach immer wieder so erbärmlich aus, wenn er aus Ruhe heraus anläuft). Wenn es auch ärgerlich fürs Tier ist. Milans Schultern geht es gut.

Also, nicht zu viele Schritte auf einmal. Nicht zuviel erwarten. Wir wollen alle einen schönen Sommer haben.