Samstag, 20. August 2016

Geschichten vom Wegesrand


Für unser Vormittagspäuschen nach einem sehr frühen Start wähle ich uns einen schönen Platz im Wald. Zwar ohne Aussicht, doch ruhig, mit viel Schatten und ein bisschen Sonne. Ich binde Lothar an einen Baum am Waldesrand wo er grasen kann. Max und Milan bleiben an der Kutsche angebunden. Ich setzte mich in Halbschatten zwischen die Heidelbeeren und lehen mich an einen Baum. Ich höre, lausche und bin.

Doch was ich nach einiger Zeit höre gefällt mir nicht. Lothar tritt. Und wenn er tritt hat er in der Regel eines seiner Hinterbeine im Seil verheddert. Ich laufe schnell zu ihm, denn da zählt jede Sekunde, bevor das Seil hässliche Striemen am Bein hinterlässt. Piz eilt auch gleich zu Hilfe. Doch als ich bei Lothar bin ist sein Bein frei und trotzdem stimmt irgendwas nicht. Ich verstehs nicht. Lothar tritt immer wieder und ist im nächsten Moment panisch. Soll ich ihn losbinden? Aber in dieser Stimmung könnt ich ihn nie halten, er würde einfach das Weite suchen. Egal. Ich ziehe die Schlaufe um das Seil zu lösen. Währenddessen tut mir der Arm weh, egal...blöder Knoten...geh auf...und wieder ein Stich und Schmerzen, jetzt in der Schulter. Ich schaue auf und realisiere, dass das, was ich für Fliegen und Bremsen hielt, das ganze Gesumme um uns herum, einfach nur wahnsinnig viele Wespen sind. Und noch ein Stich und noch ein Stich....ich nehm die Beine in die Hand und laufe so schnell ich kann weg. Höre es summen hinter mir. Noch ein Stich. Nehme meine Hut, schlage um mich. Kurz stehen bleiben. Hochschauen. Und da kreisen sie noch über mir und sausen wieder hinab. Und noch ein Stich, noch ein Stich. Ein kurzer Gedanke über Lothar, wo er wohl hinrennt? Ob ich ihn wohl wiederfinden werde? Mit mir rennt Piz sich konstant beissend und winselnd und rollend und mich immer wieder hilfesuchend anschauend. Und weiter weiter den Weg entlang. Wieder stehen bleiben. Die letzten zwei Wespen lassen von mir ab. Piz kommt auf mich zugerannt ihr ehemals krankes Bein so hebend, als wärs wieder verbunden. Völlig durcheinander.
Zweimal tief durchatmen und dann ruhig aber zügig zurück zur Kutsche. Max und Milan schauen nur ein bisschen verdutzt aus ihren schwarzen Augen, sie sind ok. Und Lothar?

Der arme Kerl, er konnte nicht wegrennen! Das Seil hatte sich bei der vorhergehenden Panik zusammen mit Farn und sonstigem Grünzeug am Baum verknotet und ihn an Ort und Stelle bleiben lassen. Und über ihn, um ihn, unter ihm: Wespen.
Also Hose runterkrempeln, Jacke aus der Kutsche holen und bis zum Kragen zumachen, Hut auf. Und durchatmen, durchatmen. Energie runterfahren, nicht aufregen, sonst sind die nächsten Stiche vorprogrammiert. Langsam gehe ich zu Lothar der nur noch steht und sich nicht mehr wehrt. Das Seil ist so verknotet und wespenumflogen, dass ich ihn wieder auf die Gefahr hin, dass er einfach nur das Weite sucht sobald er los ist, vom Karabiner löse. Doch er lässt sich ganz ruhig wegführen und erstmal um Zugstrang notdürftig anbinden.

Da steht Lothar einfach nur. Kein Schlagen nach Fliegen. Kein Schlagen nach mir also ich ihn untersuche. Er steht einfach nur.  Wespen hängen noch um seinen Hornansatz, an seinem Ohr, an seinem Bauch. Ich schlage sie weg.
Kurz überlege ich das Führseil dort zurückzulassen, doch dafür ist es zu wertvoll, also gehe ich wieder zurück und bete nicht noch mehr Stiche abzubekommen. Aber scheints haben sich die Wespen beruhigt. Sie fliegen zwar noch wild umher, aber haben keine Lust mehr auf Angriff, oder schon alles Gift an Lothar verbraucht und lassen zu, dass ich mit langsamen Bewegungen das Seil löse.
Bei Lothar schwellen unterdessen die Stiche an. Überall auf seinem Körper bilden sich Hügel. Überall. Was kann ich tun? Das einzige was mir einfällt, was ich dabei habe, ist Apfelessig und so wasche ich alle Stiche mit Essig ab. Ziehe noch ein paar Stachel raus, die ich dachte, dass Wespen gar nicht verlieren können. Ziehe die letzten Wespen weg und warte und schaue mir Lothar an. Dann mache ich das selbe bei Piz und bei mir. Piz hats haupsächlich oben an den Vorderbeinen und an der Brust erwischt und sie hebt ganz komisch den Kopf. Beissen tut sie sich am ganzen Körper. Ich glaub, die zwei hats am Schlimmsten erwischt.
Nach dem mir nichts besseres einfällt als uns ne Wiese zu suchen spanne ich Lothar ein und wir laufen weiter. Lothar bleibt die ganze Zeit so ruhig. Aber Piz humpelt und beisst sich und läuft Schlangenlinien.
Nach einem Kilometer kommt schon ein Hof. Und dort bekommen wir alle sofort erste Hilfe in Form von Wiese, Schatten, Wasser und Apiskügelchen gegen Stiche. Lothar geht es einigermassen gut dafür wie viele Stiche er abbekommen hat. Wir alle machen aber erstmal nichts anders als schlafen, schlafen, schlafen.

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