Mittwoch, 16. September 2020

Hoch in die Berge

 

Jetzt sind wir wieder auf dem Weg zurück ins Tessin. Anfang Oktober plane ich dort zu sein. So viele unterschiedliche Möglichkeiten zurück zu laufe gibt es nicht, dafür hat die Schweiz zuviele Berge. 

Von den vier Pässen, die ins Tessin führen, kommen nur drei in Frage und davon kennen wir schon zwei. Also laufen wir auf jeden Fall den Gotthard!

Aber dass der Gotthard nicht der einzige Pass sein wird, den wir noch zu laufen haben dieses Jahr, gibt die Zeit vor. Denn nochmal einen Bogen gegen Norden zu machen, geht nicht mehr. 

Also läuft es darauf hinaus, dass wir zuerst einen Teil nochmal laufen, den wir schon kennen, nämlich das Simmental und Berner Oberland. Und dann haben wir zwei Möglichkeiten: über den uns schon bekannten Grimsel, dann Furka und schliesslich Gotthard. Also von 600m (Innertkirchen) auf 2280m (Grimselpass) auf 1760m (Gletsch) auf 2420m (Furkapass) auf 1500m (Hospental) auf 2100m (Gotthardpass). Also ein ziemliches Zickzack hoch und runter.

Oder wir laufen den Sustenpass und dann den Gotthard. Da gäbe es nach einem Anstieg von 600m (Innertkirchen) auf 2200m (Sustenpass) ein langer tiefer Abstieg nach Wassen auf nur mehr 900m um dann wieder hoch zum Gotthard zu laufen. 

Meine intelligente Wanderapp auf dem Handy kann mir sogar sagen, dass es von der Strecke her gleich ist und auch von den zu laufenden Höhenmetern. 

Intelligenterweise sollten wir die erste Variante nehmen, da diese die Bremsen der Kutsche nicht so lange aufs Mal beansprucht. Da ich den Sustenpass aber noch nicht kenne und er mir so zulächelt, biegen wir also in Innertkirchen in seine Richtung ab. 

In zweieinhalb Tagen ziehen die Ochsen die Kutsche 1600m hoch (Schritt -Pause- für Schritt -Pause- für Schritt mit unseren gewohnten Pass-2kmh) und je näher wir der Passhöhe kommen, desto mehr bleibt mir der Mund offen stehen, ob der Schönheit der Gletscher und Gipfel, die mich dort erwarten. 

Eine Wiese, die ich vororganisiert hatte, liegt auf einer Kuhalp 400m unterhalb der Passhöhe. Und was für eine Traumlage finde ich dort vor! Ich kann es selber kaum glauben. Vor uns, in jedem Blick, ob aus dem Zelt oder beim Kochen, tront ein riesiger Gletscher. Viel Gras haben die Kühe leider nicht mehr übrig gelassen, aber an einer Stelle finde ich genug für ein paar Tage. Und so schnell vertreibt mich hier nichts mehr, wenn Max und Milan niemandem mehr das Futter wegfressen. 





Am nächsten Morgen packe ich Piz und Pepe, wünsche den Ochsen einen schönen Pausetag und mache mich auf zu einer SAC Hütte auf über 2700m, die von drei Seiten umrandet ist von meinem Aussichtsgletscher. So oft habe ich dieses Jahr vergeblich versucht Gletscher zu sehen und jetzt ist mir einer in den Schoss gefallen. 


Einen Tag später steht leider schon die Polizei vor meinem Zelt. Sie ist nett, aber es ist klar, dass ich am nächsten Morgen weiter ziehen muss. Der Wildhüter hat sie geschickt. Das grosse Schild, dass zelten hier verboten ist habe ich schon gesehen. Aberbeii der Lage wollte ichs drauf ankommen lassen (mal davon abgesehen, dass ich Max und Milan am ersten Tag gar nicht weiter hätte laufen lassen können und zumindest die Erlaubnis zum Grasen eingeholt hatte). Und so machen wir uns am nächsten Morgen wieder - diesmal wehmütig - auf den Weg über den Pass. 



Oben am Pass ist ein Tunnel und das war noch eine blöde Situation. Im Tunnel ist es wegen einer Baustelle eispurig und ein Ausweichen unmöglich. Und wie immer reicht für uns Schnecken eine Grünphase nicht aus. Aber auch da haben wir Glück. Nach einiger Zeit kommt eine Bauarbeiterin aus dem Tunnel, die für uns beide Ampeln auf rot schaltet, so dass wir ungestresst durch können.  



Und die erste Alp auf der anderen Passseite ist auch schon ohne Kühe, hat mehr Gras, auch einen Gletscher und viel weniger Menschen! So schön wie die vorhergehende ist sie nicht, aber ich glaube das ist unmöglich. Da wir hier aber so schön unsere Ruhe haben, bleibe ich auch hier ein bisschen. Ich hoffe ungestört. 





Kurz unterhalb vom Pass haben wir unser diesjähriges schönstes Kompliment bekommen. Ein Mann sagte: « als ich euch sah, dachte ich mir: da reist die Zeit.»


1 Kommentar:

  1. Das ist aber auch mal ein schöner Satz. Und wegen Stress mit Polizei, Sonntagsfahrern, Verkehrsstau - die sollen sich doch mal alle über diese Entschleunigung freuen und zusätzlich für das umweltfreundliche und ungewöhnliche Reisen. Ich freue mich immer noch, dass ich Dir mal begegnen durfte. Wünsche Euch allen weiterhin eine gute Reise.
    Grüßle. Andrea (aus Dietersweiler)

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