Freitag, 6. September 2013

Der grösste Stolperstein meiner Tour: 

Ich bin ziemlich blauäugig in diese Tour gestartet, eigentlich in das ganze Projekt von Anfang an. Habe ich mir doch zuerst eine Kutsche gebaut, da war das dafür geplante Tier mal grad auf der Welt und wusste noch gar nichts von seinem Schicksal und ich natürlich von Ochsen gar keine Ahnung. 


Das ist auch ok so, denn ohne eine gewisse Blauäugigkeit hätte ich so etwas erst gar nicht gestartet. Und so dachte ich auch, dass das mit den Klauen schon hinhauen würde, nachdem der einzige Mensch den ich kenne, der mit einem Oxn reist, keinerlei Probleme hat. Und auch nachdem klar war, dass Lothar ohne Beschlag nicht auskommt, dachte ich noch, dass ich mit etwas Geduld irgendwo immer jemanden finden würde, der noch Ochsen beschlagen kann. 


Weit gefehlt. Leider finde ich GAR nieman in Österreich der dieses Handwerk noch beherrscht (war auch in diversen Zeitung und Fernsehen extra mit Aufruf). Und leider auch keine Hufschmiede, die es ausprobieren würden.
Noch vor 50 Jahren wurden die Kühe und Ochsen in Österreich beschlagen sobald sie mehr arbeiten mussten, als nur das Feld hinterm Hof zu pflügen. Während und nach des zweiten Weltkrieges, so wird mir immer wieder erzählt, gab es erstmal gar NUR Kühe und Ochsen zur landwirtschaftlichen Arbeit. In den Zeiten haben dann die Hufschmiede natürlich auch mehr Ochsen als Pferde beschlagen. Nur mit dem Einzug des Traktors ist die Arbeit mit den Tieren ziemlich schnell eingestellt worden und somit ist das Wissen auch nicht mehr weitergegeben worden. Heute kann man den Klauenbeschlag noch als Wahlfach während des Hufbeschlagkurses belegen und an Kühen üben, die dann zum Schlachter gehen, bzw. zuerst an solchen, die gerade dort gewesen sind. Wie gut der Beschlag dann aber hält, diesen Erfahrungswert gibt es dabei nicht mehr.


Rinder treten immer zuerst mit einer Klauenhälfte auf, dann mit der Anderen und wenn dann das Gewicht auf beiden Seiten ruht, verdrehen sie die Klauen nochmal in ihre entgültige Position. D.h. man hat bei jedem Schritt eines Rindes eine Reibung dabei, die es beim Pferd nicht gibt und somit auch eine grössere Belastung für Nägel und Eisen.
Ein alter Hufschmied in Deutschland erklärte mir dazu mal die Grundlagen, schenkte mir Beschlagswerkzeug und organisiert mir seitdem die alten Klaueneisen, die natürlich auch nicht mehr hergestellt werden. 


In Ungarn fand ich einen jungen Schmied, der zwar das Wissen auch nicht hatte, es aber ausprobieren wollte. Er ist mir auch mittlerweile schon zweimal hinterhergereist bis er sagte, jetzt wärs ihm dann doch zu weit. 


Es war aber eh nicht damit getan, dass alle 6 Wochen einmal ein Schmied kommt und Lothar zackzack neu beschlägt. Eigentlich hatte ich ab der ersten Woche Probleme mit lockeren Eisen, abgelaufenen und verlorenen Eisen, Rutschen, abgerissenen Nagelköpfen usw. Alle paar Tage war mal wieder was. Und ich natürlich von NICHTS eine Ahnung. Und wenn es ein Problem mit seinen Füssen gab, dann hiess das auch Probleme mit Lothar, weil der einfach keiner ist, der seine Füsse gerne hergibt und wenn 800kg nicht wollen ists blöd. Und im Klauenstand verstuchte er sich regelmässig umzubringen. So hat mir das meine ersten zwei Monate ziemlich vermurkst allein wegen der ständigen Sorgen! Alle zwei drei Wochen habe ich alle Hufschmiede des Bundeslandes angerufen um zu fragen, ob sie einen Ochsen beschlagen und mir helfen könnten. Zu 97% war die Antwort "Nein". Die restlichen 3 % sagten, sie könnten es nicht, aber wenn ich niemand anderes finde, dann soll ich mich nochmal bei ihnen melden. Einen hab ich dann tatsächlich nicht gebraucht, und zwei kamen und haben geschwitzt! Vielen Dank dafür!!!


Eins wurde dadurch immer offensichtlicher: ich muss es selber lernen. Aber einen Ochsen vernagelt man noch schneller als ein Pferd, da die Horndicke nur 1/3 der des Pferdes entspricht! Das konnte ich beim besten Willen nicht. 


Aber ein erster Schritt wurde getan, als ich einen alten Schmied traf, der mir anhand von abgeschnittenen Füssen aus dem Schlachthaus, die Grundlage lehrte. Seine Aussage: " Sie machen das so schön, als hätten sie immer schon Klauen beschlagen!", wird abgemindert durch die Tatsache, dass er halb blind und halb taub war. Doch durfte ich zum ersten mal spüren, wie es sich anfühlt Nägel in eine Klaue zu schlagen. Und da die Kuh ja eh schon tot war: wie es sich anfühlt den Nagel an die falsche Stelle zu hauen (leider kein zu grosser Unterschied für eine Anfängerin). 


Und das habe ich jetzt zweimal gemacht bisher, also an 8 Füssen. Mitlerweile spüre auch ich ganz anfänglich, wie es sich anfühlt, wenn der Nagel den richtigen Weg nimmt. Die Vetmeduni in Wien, bei der eine der zwei österreichischen Hufbeschlagsschulen ist, hat mir dann nochmal die Hinterfüsse gemacht ( was super ist, denn Hinten ist Lothar heikler als vorne, aber leider auch mit dem Ergebnis, dass Lothars Fehlstellung irreperabel ist) und seitdem ist es mehr oder weniger meine Aufgabe bis ich nach Stadl Paura bei Wels komme, wo die andere ist.


Aber auch in diese Problematik kommt irgendwann ein bisschen Ruhe rein. Immer noch muss ich das Wissen um die Gefahr, dass Lothars Füsse wegen ein Ende kommen kann, ganz weit nach hinten im Kopf schieben. Aber auch da ist Vertrauen gewachsen, obwohl anfangs die Füsse viel besser waren. Jetzt weiss ich, dass ein wackelndes Eisen mir nicht mehr den Schlaf rauben muss und auch kein Abgefallenes. Jetzt kann ich Eisen abnehmen, in die alten Löcher wieder draufmachen, seit einer Woche gar Nägel neu setzten, obwohl ich mir dabei immer noch fast in die Hose mache. Wahrscheinlich wird die Winterpause gut für Lothars Füsse. Dann kann all das, was jetzt definitiv vermurkst ist rauswachsen und nächstes Jahr mit der ganzen Erfahrung von Heuer neu angefangen werden. Das Wissen, was ich jetzt habe, führt mir die ganzen Fehler vor Augen, die der Schmied (der es ja auch nicht besser wusste) und ich gemacht haben und sicher noch tun. Schade, dass das Wissen um den guten Klauenbeschlag mittlerweile so gut wie ausgestorben ist. Und Lothars Füsse findens sicher noch mehr schade, weil ja er es ist, der es ausbaden muss. 


Ein Wunder eigentlich, dass seine Füsse trotz Fehlstellung, trotz weicher Hornqualität, trotz dem Herumtüfteln an ihnen durch einen jungen fähigen Huf - aber komplett unerfahrenen Klauenschmied und einer in Pferde und Kuhfüssen absolut unbewanderten Mir, bis jetzt durchgehalten haben. 

Anfängliche Versuche

Lothar zum ersten Mal in einem Liegestand an der Vetmeduni in Wien. Armer Kerl, aber darin konnte selbst er sich nicht verletzen.

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