Montag, 3. August 2015

Lothars Tanz


Runter vom Berg. Nach Tagen voller Wald, Waldwegen, Tannen und Raben so gut wie menschenlos, hören wir schon von weitem die Bundesstrasse. Die Motorräder, die einer ums andere das Tal hoch und runter fahren, haben ihren Lärm schon lange zu uns hochgetragen. Unten ein kleiner Fluss, ein paar Häuser, angelnde Familien, ein paar Wiesen. Hier sollte ich bleiben, der Vernunft nach, es ist heiss und die Bremsen haben sich auch erholt von der Abkühlung der letzten Woche.

Doch es ist so laut. So schnell die Autos, so eng das Tal.

Da zieht es mich wieder die andere Talseite den Berg hinauf. Nicht weit, vielleicht 2 km ist schon wieder die nächste Hochebene und ein kleines Dorf. Das fühlt sich besser an. Doch auch eine Stimme in mir sagt: „Lass es sein. Du hast es oft genug bereut gegen die Vernunft noch weiterzulaufen. Hast du nichts dazugelernt?“
Doch schon habe ich die Bundesstrasse überquert und den Wegweiser gesichtet zum nächsten Dorf. 1,6km. Schaut anfangs steil aus, aber die nächste Kuppe verspricht schon Erleichterung für Lothar. Also los.
Sehr schnell kommt aber die Ernüchterung. Der Waldweg muss schon sehr sehr alt sein, breit gehalten, solide angelegt und streckenweise mit altem „Pflaster“, also seitlich aufgestellten Sandsteine um den Weg zu sichern. Und ich sehe in mir die vielen Zugtiere, die über Jahrhunderte diesen Weg nach unten gegangen sind. Runter zur Sägmühle. Und jetzt steht wieder ein Ochs am Berg und wünscht sich sehnlichst, woanders zu sein.
Zu recht! Denn es hört nicht auf steil zu sein. Sehr steil und dieser Pflaster hält die Räder auf, und  lässt sie nur mit noch grösserem Kraftaufwand über sich hinweggleiten. Oh du armer Lothar. Und er gibt sich Mühe und zieht und zieht. Und vor jede Wegbiegung denke ich mir, jetzt muss es doch vorbei sein, so einen Weg kann es nicht geben, der nur steilsteil grad den Berg raufführt. Doch nach jeder Wegbiegung ists nur genauso steil wie vorher.
Und da bleibt er stehen, mein lieber Ochse und will nicht mehr.....

Doch er ist so süß. Er hat sich direkt neben eine Sitzbank eingeparkt, zeigend, es sei doch Zeit für eine Pause, auch für mich. So gebe ich sie ihm.
Doch danach müssen wir wieder weiter, uns dem Berg stellen und so kommts zur kritischen Situation, weil Lothar beim Ausparken versucht umzudrehen, Richtung bergab. Kaum kann ich ihn halten und wieder nach oben lenken. Jetzt brauchen wir auch nicht mehr umdrehen. Mehr als die Hälfte scheint geschafft, und da oben scheint es flacher zu werden....
Doch wieder nicht. Es bleibt einfach immer nur extrem steil und so bleibt er natürlich wieder stehen. Der Arme. Kopf nach unten. Ich verlange von ihm, ihn zumindest nach oben zu halten, dann kann er rasten.
Und dann beginnt etwas Neues, Unbekanntes. Lothar beginnt zu laufen! Steil den Berg hinauf. 15m. Dann bleibt er wieder stehen. Ruhe. Auf einmal geht es wieder wie in einen Ruck durch ihn durch und wieder trabt er fast den steilen unebenen Pfad hinauf, weitere 20m. Und so tanzen wir! Laufen, Pause, laufen. Bis wir oben sind und ich fast weinen könnte. Vor Ehre vor meinem Ochsen, vor Scham vor mir selber, weil ich ihn in diese Situation gebracht habe, vor Dankbarkeit es geschafft zu haben.

So etwas kostet. Nicht nur Lothar, sondern auch mich. Die Gefahr, die nicht nur den heutigen Berg betrifft, sondern sich für die nächtsten Monate wieder in seinem Kopf hätte einprägen können, würden wir es nicht schaffen den Berg zu bezwingen. Die Gefahr das Vertrauen meines Zugtieres zu verlieren und seinen Respekt.
Diesen Nachmittag passiert nichts mehr. Lothar frisst noch, aber ich lege mich gleich schlafen.


4 Kommentare:

  1. Ach ich lieb euch einfach alle miteinander...und ziehe meinen Hut vor eurem gemeinsamen Weg, eurer Verbundenheit, euerm Glück und all den Aufgaben, denen ihr euch gemeinsam stellt!!!!
    <3 <3 <3

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  2. Wie klappt es denn mit Lothar's "Schuhen"? Gerade an dem steilen Berg?

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  3. Wie klappt es denn mit Lothar's "Schuhen"? Gerade an dem steilen Berg?

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  4. Super! Sie haben gehalten, auch an diesem Berg. Das hätt ich nicht für möglich gehalten!

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