Sonntag, 6. Oktober 2013

Nochmal mein Ochse

Lothar ist ein fünfjähriger dt. schwarzbuntes Niederungsrind - Ochse. Das ist die Großelternrasse zu dem heutigen Hochleistungs Milchvieh, dem Holstein-Frisian und noch ein Dreinutzungsrind, also für Milch, Fleisch und Arbeit. Gekauft habe ich ihn im März 2012 aus Berlin (mit U-Bahnanschluss :-) mit ca. 3 1/2 Jahren. 

Die Grundausbildung, die er dort erhalten hat war zum ganz grossen Teil fantastisch. Wenn er stand blieb er stehen. Zog wenn er ziehen sollte und hatte keine Angst vor Autos oder Traktoren. Das ist ziemlich viel wert. Auch jetzt staune ich immer noch über seine Ruhe bei starkem Verkehr. Neulich mussten wir mal wieder 300m Bundesstrasse laufen bei strömendem Regen. Starker Verkehr mit grossen Sattelschleppern die an uns vorbeibretterten und uns mit noch mehr Wasser bedeckten. Und was macht Lothar? Er läuft einfach. Meine ganze Aufmerksamkeit kann und muss ich bei Verkehr auf meine Hündin Piz legen, damit sie an der richtigen Stelle bleibt, also geschützt direkt neben Lothar auf der von Autos abgewandten Seite. Denn sie ist nicht so verkehrsicher, läuft mal doch einfach kopflos nach Vorne, oder schreckt sich vor zu lautem Lärm, weshalb ich da sehr vorrausschauend sein muss. Und das kann ich tun, weil ich einfach weiss: auf Lothar ist in dieser Hinsicht absoluter Verlass! Ein Traum im Strassenverkehr sozusagen.


Er war aber auch traumatisiert, weshalb er ja bei mir gelandet ist. Lothar hat sich ein Horn angebrochen (tendenziell muss man sagen, dass er einfach ein Unglücksrabe ist. Gibt es die Möglichkeit sich zu verletzten ergreift er sie), welches dann vom Tierarzt abgeschnitten werden musste. Davor oder danach hat es sich auch noch entzündet. Sprich, er muss über eine lange Zeit ziemliche Schmerzen im Kopf gehabt haben und natürlich kam auch immer noch ein Mensch, der dann noch an ihm rumdocktort, was er ja nicht einordnen kann. 


Seitdem ich ihn kenne würde ich ihn bezeichnen als einen Ochsen, der halt seine Arbeit macht, weil er daran gewöhnt ist und an sonsten vor Menschen eher Abstand nimmt und ihnen in erster Linie misstraut. Mit mir arbeitete er zwar, aber ich hatte eher den Eindruck aus Gewöhnung heraus und als sei das mir entgegebrachte Vertrauen eher auf sehr dünnem Eis gelagert. 


Ein Jahr machten wir uns miteinander vertraut, bis es dann im Mai losging. Ein Jahr, in dem wir viel miteinander arbeiten. Bis auf meine Arbeits"pause" in Deutschland, 6 Tage die Woche 1-2h, der Schnitt! In der Zeit lernte er auch ganz langsam mir seine Füsse zu geben, die er sonst nur zwangsweise im Klauenstand hergegeben hat. Auch einen Ort den er absolut hasst und in dem er schlechte Erfahrungen gemacht hat. #


Die ersten Monate des unterwegs seins war er wie immer. Introvertiert, nicht interessiert an anderen Menschen, auch nicht gross an mir. Fassten fremde Menschen ihn an (ungefragt natürlich) schüttelte er kräftig den Kopf, schnaubt und schon hatte er wieder seine Ruhe. Das habe ich ihm aber auch zugestanden. Nicht ein jeder muss ja ein Streicheltier sein. 


Nach zwei Monaten reisen begann Lothar sich zu verändern. Ganz langsam. Langsam begann er aus seinen Augen rauszukucken. Nahm seine Umgebung bewusster war, mich auch und andere Menschen. Nahm auch Kontakt zu ihnen auf. Dazu beigetragen hat das viele Fallobst, was er von den Menschen geschenkt und gefüttert bekommen hat. Dadurch war über einen langen Zeitraum der Mensch mit etwas sehr Positivem besetzt: APFEL. Und auf einmal lässt er sich auch wieder anfassen von andern Menschen, auch aus den unmöglichsten Richtungen kommend. So dass ich oft nur staunen kann. Staunen muss ich auch immer noch, wenn ich ihn jetzt mit offenen interessierten Augen über den Zaun schaun sehe, Menschen entgegen.


2 Jahre sind vergangen seid dem Unfall mit seinem Horn und so lange hat es für ihn gebraucht wieder aufzutauchen aus seinem Kopf. Zwei Jahre mit viel Arbeit, aber vor allem das gemeinsame Reisen hat ihm und natürlich auch uns, dabei wesentlich geholfen.

Wohlverdiente Ruhe!

2 Kommentare:

  1. Hallo Eva! Bist du schon in Bergen? Glg Andrea und Rainer

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  2. Oh nein, ich komm gar nicht vorran, weil im Moment doch eher Winterquartiersuche angesagt ist. Im Moment bin ich bei Wiesn, nördlich von Gmunden. Andrea, hab dich vermisst im Montagabendprogramm am Bäckerberg! Alles Liebe für euch. Eva

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